70er-Möbel statt Barock: Neue, junge Flohmärkte

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Flohmarkt(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Altwaren. Während klassische Flohmärkte an Qualität verlieren, kommen immer mehr neue, moderne Märkte auf – und diese nicht ohne Event aus.

Wien. Den barocken Tabernakelschrank ereilt dasselbe Schicksal wie die Biedermeier-Kommode oder das Bleikristall-Geschirr: Niemand will es mehr. Derzeit sind Möbel von namhaften Designern aus den 1970er-Jahren gefragt. „Am besten Massivholzmöbel von dänischen Designern, das geht jetzt sehr gut“, sagt Herbert Hallwirth, Obmann der Altwarenhändler in der Wiener Wirtschaftskammer.

Hallwirth muss es wissen, er betreibt seit 1975 ein Altwarengeschäft in Meidling und steht jeden Samstag auf dem Flohmarkt am Wiener Naschmarkt. „Das ist für mich noch immer der schönste Tag in der Woche. Obwohl ich seit 40 Jahren Altwarenhändler bin, finde ich immer noch Stücke, die ich nicht kenne.“ Hallwirth hat in den letzten Jahren eine spürbare Veränderung bei den Wiener Flohmärkten festgestellt. So habe bei vielen Flohmärkten die Qualität stark abgenommen. „Stadlau hat sich zu einem Flohmarkt für Slowaken entwickelt, da gibt es nur noch Gebrauchswaren, keine Antiquitäten mehr.“ Auch auf dem Flohmarkt in der Wienerbergstraße seien für einen Händler nur mehr uninteressante Gebrauchtwaren zu finden. „Der einzig gut sortierte und auch größte Flohmarkt bleibt der am Naschmarkt.“ Die größte Konkurrenz sei für die Altwarenhändler – in Wien gibt es rund 700 Händler, österreichweit an die 13.000 – das Internet. Die Wiener Altwarenhändler versuchen zwar mit einer eigenen Homepage dagegen anzukämpfen – doch wird diese erst in ein paar Monaten fertig sein.

Auch Angebot und Nachfrage haben sich stark verändert. Bei Wohnungsräumungen stößt Hallwirth zwar mittlerweile oft auf Möbel der Nachkriegszeit – auch jenen aus den begehrten 70er-Jahren. „Aber Designmöbel konnte man sich in Österreich nicht leisten, wie in Skandinavien.“ Daher komme viel Ware aus Ungarn, Deutschland oder Frankreich. Und: „Die Verlassenschaften der Monarchie sind alle weg, so etwas findet man in den heutigen Wohnungen nicht mehr.“ Und wenn doch, fehlt ihm dafür die Kundschaft: „Die Jungen leisten sich keine klassischen Antiquitäten mehr.“

Nachtflohmarkt mit Party

Die Jungen wiederum machen sich in letzter Zeit ihre Flohmärkte lieber gleich selbst, wie die vielen neuen Design- und Flohmärkte beweisen: vom Tingel Tangel Flohmarkt im Brick-5 (heute) über den Lieblingsflohmarkt im 25hours Hotel (morgen, Sonntag) bis zum Nachtflohmarkt namens Mondscheinbazar in der Marx Halle (15. bis 16. Mai). Hallwirth sieht das nicht negativ, im Gegenteil: „Das ist eine gute Ergänzung, die sind sehr gut organisiert, über Facebook. Da ist auch ein bisschen die Schicki-Micki-Szene unterwegs, die viel Geld ausgibt.“

Über Besuchermangel können die jungen Flohmärkte, die auch gerne ein Rahmenprogramm in Form von DJs, Party oder Street-Food-Ständen bieten, wahrlich nicht klagen. „Beim letzten Nachtflohmarkt hatten wir 4000 Leute und eine Warteschlange von sicher 20 Minuten vor der Tür. Deshalb haben wir den nächsten Mondscheinbazar auf zwei Tage ausgeweitet“, sagt Veranstalter Roman Groiss. Er hat auch eine Erklärung für den Ansturm: Es handle sich um eine Zielgruppe, die vorher nicht so gut bedient worden sei. „Es ist ein etwas gereiftes Publikum, teilweise schon mit Kindern. Die wollen abends gerne ausgehen, aber nicht den ganzen Abend in einem Club sitzen, also bietet sich ein Nachtflohmarkt an.“ In Deutschland und Frankreich sei das schon länger gang und gäbe.

Auch der Lieblingsflohmarkt ist gut besucht. „Wir kuratieren den Markt und wollen gut erhaltene und besondere Waren, zum Beispiel tolle Lodenmäntel oder Mode aus Skandinavien“, heißt es aus dem Büro. Diese Stücke sind offenbar begehrt – im Gegensatz zum barocken Tabernakelschrank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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