Wien: Polizei zerschlug brutale Jugendgang

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Arthaberpark(c) Stanislav Jenis
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Der Polizei gelang ein Coup gegen Wiens größte Jugendbande, die „Goldenberger“. 26 Jugendliche sitzen hinter Gittern. Ein Aussteiger erzählt, wie sie in Parks ihr Unwesen treiben.

Wien. „Du hast drei Tage Zeit, dich zu beweisen. Du klaust Handys und räumst Kindern das Geldtascherl aus, um 50 Euro Schutzgeld zu bekommen, das sie verlangen. Und dann musst du dich im Park prügeln. Eins gegen eins, die anderen stehen im Kreis rundherum. Wenn du heulst, ist es aus.“

Ramsan (Name von der Redaktion geändert) ist 16 Jahre alt, ihm wachsen die ersten Barthaare. Er sitzt breitbeinig in einer dunklen Küche, raucht eine Zigarette nach der anderen. Sein Kampf im Park, durch den er die Mitgliedschaft in der Gang VDK erlangte, liegt zwei Jahre zurück. Die Chefs sind Tschetschenen, ihr Revier die Parks im 15.Bezirk. Frei aus dem Tschetschenischen übersetzt bedeutet VDK „Wiens gute Jungen“. Die drei Buchstaben kommen aber auch in „Vogelweidpark“ vor, jenem Park in Rudolfsheim-Fünfhaus, in dem sie sich herumtreiben. Auf ihr Konto gehen etliche Diebstähle, Raube und Überfälle auf Tankstellen sowie Drogenhandel. Eines der prominenteren Verbrechen: Im April 2014 wurden drei Burschen im Alter von 16, 17 und 18 Jahren mit Schussverletzungen in Wiener Spitäler eingeliefert. Es war zu einer Auseinandersetzung mit einem anderen Gangmitglied hinter der Lugner City gekommen.

Ramsan will damit nichts mehr zu tun haben, sagt er. „Ich bin Moslem, das verbietet mir, anderen weh zu tun.“ Er schäme sich dafür, was er anderen angetan hat. Aber einfach nicht mehr mitmachen, das geht nicht. Seine ehemaligen Freunde suchen nach ihm, sagt er. Er ist umgezogen. „Einen haben sie ausgepeitscht, als sie ihn gefunden haben, ihm VDK auf die Brust geritzt.“ Von ihm gebe es etliche Fotos, wie er gerade jemanden prügelt oder mit gestohlenen Handys. „Das machen sie, damit du nicht zur Polizei gehst. Sie erzählen dir auch, dass sie dort Leute sitzen haben, aber das glaube ich nicht“, sagt er. Hilfe sucht er dort aber trotzdem nicht. VDK ist ein Problem Ramsans, ein weiteres andere Gangs. Ein Verrat spricht sich herum.

Österreichweites Netzwerk

In Ottakring hört die Gruppe auf den Namen Terror 16, in der Brigittenau gibt es Terror 20, und aus Favoriten kommt die wohl größte Jugendgang Wiens: die Goldenberger. Ihr Gründer nennt sich Max Goldenberg (eigentlich Magamed M.), ist ebenfalls Tschetschene, 20, und sitzt derzeit in U-Haft. Der Sondereinheit für Bandenkriminalität, die vergangenen Sommer vom Bundeskriminalamt Wien aufgrund vermehrter Delikte eingerichtet wurde, gelang Mitte Februar ein Coup. Insgesamt 26 Burschen wurden gefasst – mindestens zehn gehören zu Max Goldenbergs Truppe. Sie sind in 15 Punkten angeklagt, es gab 106 Anzeigen – darunter Diebstahl, schwerer Raub, schwere Körperverletzung, Drogenhandel und der Vorwurf der terroristischen Vereinigung. Geschätzter Schaden: 50.000 Euro.

Max Goldenberg ist ein exzellenter Kickboxer und wird nicht nur dafür von den Jugendlichen in seiner Gang bewundert. „Er hat hunderte Anhänger in ganz Österreich, die für ihn arbeiten“, sagt Ramsan. Er selbst habe überlegt, zu den Goldenbergern zu wechseln.

Die Polizei spricht von 150 Anhängern in Wien, dass sein Netzwerk aber weitaus größer sein dürfte, zeigen „Presse“-Recherchen in sozialen Netzwerken. Max hat rund 5000 Freunde auf Facebook, etliche Jugendliche in Wien, Linz oder Innsbruck haben „Goldenberg“ in ihrem Nicknamen und prahlen auf Bildern mit Waffen und angeblicher Beute aus Raubzügen. Unter seiner Anhängerschaft sind neben Tschetschenen Vertreter aller Ethnien – Somalier, Türken, Bosnier und auch Österreicher. „Wer dort dabei ist, ist cool, und du kannst Geld verdienen“, sagt Ramsan. Zuerst verdiene man mit Handyrauben, je höher man in der Hierarchie aufsteige, desto mehr Geld bringe es. Einen höheren Rang in der Gang könne man sich durch Siege bei Prügeleien im Park erarbeiten. Max ist der beste aller Kämpfer und trainiert Jugendliche. Für seinen Verein hat er sogar offiziell um Förderungen angesucht.

Boxen gegen Kriminalität

Die Liebe zum Kampfsport hat Max Goldenberg mit Adam Bisaev gemeinsam – auch er hält viel von Kampfsport und trainiert Jugendliche. Allerdings aus anderer Motivation: „Kampfsport bedeutet Selbstbeherrschung, Aggression zu kontrollieren. Man ist immer selbst sein größter Feind.“ Bisaev ist Bauingenieur, war Diplomat und sitzt im Rat der Tschetschenen und Iguschen, der vor einem Jahr gegründet wurde. Der Rat hat sich zum Ziel gesetzt, die Jugendlichen wieder unter Kontrolle zu bekommen und das schlechte Image der rund 30.000 Menschen zählenden tschetschenischen Community aufzubessern. „Ich schäme mich, wenn ich das mit den Gangs höre. Das beschädigt unser sowieso schon schlechtes Image.“ Vor Kurzem wurde auch ein Jugendbeirat eingerichtet, der sich mit den Problemen seiner Generation beschäftigt und Kriegstraumata aufarbeiten will.

AUF EINEN BLICK

Tschetschenen in Österreich. Rund 30.000 Mitglieder zählt die Community der Tschetschenen in Österreich, 15.000 davon leben in Wien. Es ist die größte Exil-Community außerhalb Tschetscheniens. Die meisten sind während der beiden Tschetschenien-Kriege geflohen, die von 1994 bis 1996 und 1999 bis 2009 Schätzungen zufolge 160.000 Tote gefordert haben.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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