Mariahilfer Straße als Schanigarten

Mariahilfer Straße
Mariahilfer Straße(c) Die Presse - Clemens Fabry
  • Drucken

Wie hat sich Wiens wohl bekannteste Einkaufsmeile durch den Umbau zu Fußgänger- und Begegnungszone verändert? Ein Zwischenstand der Verkehrsberuhigung in fünf Thesen.

Wien. Wie war das eigentlich früher? Die Erinnerung an die Mariahilfer Straße vor der Verkehrsberuhigung erscheint schon wie durch einen Schleier. Auf den letzten Stücken, die noch nicht umgebaut wurden, erinnern blasse Bodenmarkierungen an eine kurze Übergangszeit, als Fußgänger- und Begegnungszone noch mehr Idee als Realität waren. Ansonsten sind große Teile der Einkaufsstraße schon umgebaut – und jene Abschnitte, in denen noch der neue Belag aufgebracht wird, sollen auch bald fertig sein. Und wie lebt es sich so, auf der neuen Mariahilfer Straße? Fünf Thesen zur aktuellen Situation.

1 Früher stauten sich die Autos, heute sind es die Fußgänger.

Es war oft mehr langsames Stehen als Fahren, was Autofahrer hier vor der Verkehrsberuhigung erleiden mussten. Vor allem zwischen Zweierlinie und Kirchengasse fuhren Radfahrer lässig an den wartenden Autos vorbei. Seit dem Umbau stauen sich zu Spitzenzeiten die Fußgänger. Vor allem im Kernbereich kann es mitunter eng werden auf den drei Gehspuren, die außen von der Fassadenfront, innen von zwei Reihen mit Schanigärten (siehe Punkt 2) begrenzt werden. Das liegt unter anderem daran, dass Straßenkünstler die Fußgängerzone entdeckt haben – und bei einer Breakdance-Vorführung bildet sich schnell eine Menschentraube. Auch haben Spendenkeiler diverser NGOs ihren Aktionsradius auf die mittlere Spur, die ehemalige Fahrbahn, ausgeweitet. Vor dem Umbau wurde es auf den ohnehin recht breiten Gehsteigen immer wieder eng – und auch jetzt werden Fußgänger, die es eilig haben, gelegentlich fluchen.

2 Die Mariahilfer Straße wird zum riesigen Schanigarten.

An schönen Tagen entsteht schnell der Eindruck, hier handle es sich nicht um eine Einkaufsstraße, sondern um einen riesigen Schanigarten, in dem man sich auf Eis spezialisiert hat und in dem – für den Verdauungsspaziergang – auch ein paar Einkaufsmöglichkeiten untergebracht sind. Selbst das Haydn Kino hat mittlerweile Tische, Sessel und Sonnenschirme vor dem Eingang aufgestellt. Beim Kleider Bauer gibt es vorerst nur zwei Sonnenschirme und das Gerücht, dass auch hier ein Schanigarten entstehen soll – wohl auch, um die Tierschützer zu vertreiben. Unternehmenssprecherin Pia Reiterer meint dazu nur: „Dazu gibt es derzeit keine Stellungnahme.“ Der Neubauer Bezirksvorsteher, Thomas Blimlinger, geht davon aus, dass es in der nächsten Saison, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, zu einem regelrechten „Gerangel“ um die Schanigärten kommen wird.

3 Die Einkaufsstraße wird mit Billiganbietern zugeramscht.

Während des U-Bahn-Baus Anfang der 1990er-Jahre war gelegentlich von der Magyarhilfer Straße die Rede. Wegen der Osteuropäer, die sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hier vor allem mit Haushaltsgeräten eindeckten. Und weil die Straße damals eine riesige Baustelle war, in der vor allem Billigläden das Bild prägten. Und auch heute ist der Umbruch durch die Verkehrsberuhigung mit ihren Umbauarbeiten zu sehen – verbunden mit dem Vorwurf, dass hier zuletzt vor allem Ein-Euro-Shops entstanden sind. Beim Wiener Einkaufsstraßen-Management verweist man darauf, dass während des Umbaus Unternehmen eben reservierter agierten. Sobald der Umbau abgeschlossen sei, würde bald wieder mehr Nachfrage entstehen. Und die Billiganbieter wieder verdrängt. Wobei ein paar Ein-Euro-Shops bei rund 480 Erdgeschoßunternehmen ruhig auch sein dürfen.

4 Kunden mit Auto kommen nicht mehr zum Einkaufen.

Mit dem Auto auf die Mariahilfer Straße zu fahren, ist durch den Umbau deutlich weniger attraktiv geworden. Zuletzt klagten die Garagenbetreiber, dass die Umsätze einbrechen und die Parkgaragen zum Teil leer stehen. Das könnte sich zwar noch ändern, denn momentan ist durch die Bauarbeiten im unteren Teil der Mariahilfer Straße die Zufahrt nur sehr mühsam möglich. Doch insgesamt ist es deutlich unattraktiver geworden, mit dem Auto zum Einkauf zu fahren. Wie sich die Kundenstruktur durch die Verkehrsberuhigung geändert hat, wurde noch nicht erhoben. Klar ist aber, dass die öffentlich gut erreichbare Einkaufsstraße nun auch umso mehr öffentlich angefahren wird.

5 Mehr Essen, weniger Kaufen. Vorbild Naschmarkt?

Cafés und Imbissbuden gibt es hier schön länger. Jetzt haben sich aber einige Neueröffnungen dazugesellt, die fast schon den Eindruck vermitteln, auf der Mariahilfer Straße gehe es – ähnlich wie auf dem Naschmarkt – weniger ums Einkaufen, als eher ums Essen und Trinken – inklusive Sehen und Gesehen-Werden. Das beginnt bei Dunkin Donuts, dessen Hype sich angesichts der fehlenden Menschenschlange vor der Tür offenbar gelegt hat, geht über My Müsli bis zu diversen Mittagstisch-Anbietern, wie etwa Gretel oder Freiraum Deli. Dem Naschmarkt sind bei der weiteren Erschließung mit Gastronomie durch die Marktordnung Grenzen gesetzt – auf der Mariahilfer Straße wird es wohl darauf ankommen, was die Kunden machen. Wie sie die Mariahilfer Straße nützen, wird auch darüber entscheiden, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln wird.

(c) Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild
Wien

Mariahilfer Straße: Der letzte Stein wird am 31. Juli verlegt

Die Umgestaltung der Wiener Einkaufsmeile zur Fußgänger- und Begegnungszone nähert sich dem Ende. Am 1. August wird feierlich eröffnet.
Wien

Marathon: Mariahilfer Straße wird provisorisch asphaltiert

Zwischen Kirchen- und Stiftgasse, wo noch an der Verkehrsberuhigung gearbeitet wird, erhält die Mariahilfer Straße einen provisorischen Asphalt.
Archivbild: Start der Umbauarbeiten im Mai
Wien

Mariahilfer Straße: Zweite Bauphase startet früher

Die Umbauarbeiten zur Verkehrsberuhigung der Wiener Mariahilfer Straße gehen schneller voran, als geplant.
Archivbild: Begegngunszone auf der Mariahilfer Straße
Wien

Mariahilfer Straße: Parkregelung bleibt

Die Stadt Wien sieht keinen Bedarf für eine Änderung und spricht von einem Einzelfall - ein Falschparker hatte sich erfolgreich gegen eine Strafe gewehrt.
WIEN: 13A AUF NEUER ROUTE
Wien

Mariahilfer Straße: Busfahrer gegen Begegnungszone

Nach dem schweren Unfall auf der Mariahilfer Straße will die Gewerkschaft keine Busse mehr in der Begegnungszone, hunderte Strafen gegen Parksünder waren rechtswidrig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.