Alijew: Fünf verschiedene Medikamente im Blut

In einer (baugleichen) Toilette der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurde Alijew tot gefunden
In einer (baugleichen) Toilette der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurde Alijew tot gefundenAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der kasachische Ex-Botschafter hatte verschiedenste Medikamente im Blut, als er in seiner Wiener Gefängniszelle starb. Laut Vollzugsdirektion waren alle ärztlicherseits verschrieben.

Der im Februar erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefundene Rachat Alijew hatte zum  Zeitpunkt seines Ablebens offenbar zahlreiche Medikamente im Blut. Zu diesem Ergebnis kommt das von der Staatsanwaltschaft Wien eingeholte toxikologische Gutachten. Im Körper des kasachischen Ex-Botschafters in Wien wurden demnach fünf verschiedene Arzneimittel nachgewiesen.

Der Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts der Medizinischen Universität Innsbruck, Richard Scheithauer, fand Spuren von Zolpidem und Bromazepam. Beide sind als Schlafmittel bekannt. Bromazepam, das zur Gruppe der Benzodiazepine gehört, wird von der Medizin allerdings auch gegen akute Angstzustände und als Beruhigungsmittel eingesetzt. Daneben ließen sich der schmerzstillende und fiebersenkende Arzneistoff Paracetamol sowie zwei Medikamente nachweisen, die Alijew gegen seine Diabetes sowie gegen Bluthochdruck verschrieben bekam.

Medikamete ärztlicherseits verschrieben

Sämtliche fünf Medikamente, die bei einer toxikologischen Untersuchung nachgewiesen werden konnten, hat der Ex-Botschafter in Wien in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ärztlicherseits verschrieben bekommen. Das stellte die Vollzugsdirektion am Freitagabend klar. Schon zuvor hatte die Wiener Staatsanwaltschaft, die das Gutachten in Auftrag gegeben hat, gegenüber der "Presse" betont, dass ausschließlich Wirkstoffe bzw. Medikamente gefunden wurden, die Alijew verschrieben worden waren. "Es gibt keine Auffälligkeiten bei den Wirkstoffen, die gefunden wurden. Die Wirkstoffe entsprechen der Medikation", sagte Sprecherin Nina Bussek am Freitag.

Ergebnisse eines nach dem Leichenfund durchgeführten Schnelltests des Wiener Departments für Gerichtsmedizin, bei dem noch Hinweise auf Barbiturate gefunden worden waren, bestätigen sich im aktuellen Gutachten hingegen nicht. Die Derivate der Barbitursäure sind als Betäubungsmittel einsetzbar. Diese Substanzklasse ist in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten.

Manfred Ainedter, der langjährige Rechtsbeistand Alijews, findet es nun "aufklärungsbedürftig, dass im toxikologischen Gutachten kein Bezug zu dem Schnelltest genommen wird". Abgesehen davon fordert Ainedter im Hinblick auf den nunmehr erbrachten Nachweis von zwei unterschiedlichen Schlafmitteln weitere Untersuchungen. Denn der Sachverständige hat in seiner Expertise darauf hinweist, dass sich Zolpidem und Bromazepam in ihrer Wirkung "gegenseitig verstärken".

Es sei unabdingbar, jetzt auch das asservierte Leber-, Lungen-, Nieren- und Fettgewebe, den Mageninhalt und die Haare genauestens zu untersuchen, um die Todesursache zweifelsfrei zu klären, verlangte Ainedter.

Zweifel an Selbstmord-Theorie

Alijew wurde am 24. Februar dieses Jahres in der Früh erhängt in der Nasszelle seines Haftraums auf der Krankenstation der Justizanstalt Josefstadt gefunden. Die Obduktion schloss Fremdverschulden aus und sprach von Suizid. Alijews Rechtsvertreter bezweifelten dies jedoch stets. Kurz vor dem Tod hatten sich Berichte über angebliche Drohungen gegen Alijew gehäuft, nur Stunden nach seinem Tod hätte der Ex-Diplomat vor Gericht gegen zwei ehemalige Mithäftlinge aussagen sollen, die ihn erpresst haben sollen.

Der Fall Alijew beschäftigt Justiz und Politik seit Jahren: Alijew ist der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, bei dem er wegen eines angeblichen Putschversuches in Ungnade fiel. In einem Fall um zwei ermordete Banker wurde Alijew (zwischenzeitlich: Shoraz) 2008 in Kasachstan in Abwesenheit bereits zu 20 Jahren Haft verurteilt. Ein Militärgericht verhängte zudem gegen ihn und den ehemaligen Chef des kasachischen Geheimdienstes, Alnur Mussajew, wegen Planung eines Staatsstreichs ebenfalls eine Strafe von 20 Jahren.

Eine Auslieferung nach Kasachstan wurde wegen der dortigen Menschenrechtslage abgelehnt. In Österreich ermittelt die Justiz seit 2011 in dem Fall, nachdem auf dem Gelände der ehemaligen Firma Alijews in Kasachstan die Leichen der beiden verschwundenen Nurbank-Manager gefunden wurden. Seiner Verhaftung in Österreich entging Alijew zeitweilig durch Flucht nach Malta, erst im Juni vergangenen Jahres stellte er sich. Ende Dezember wurde gegen Alijew Anklage wegen Doppelmordes erhoben. Der Prozess gegen seine mutmaßlichen Komplizen hat wenige Wochen nach Alijews Tod in Wien begonnen und läuft noch.

(APA/Red.)

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