Und lesbische Frauen?

18. REGENBOGENPARADE IN WIEN
18. REGENBOGENPARADE IN WIENAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Warum lesbische Frauen oft unterrepräsentiert sind.

Natürlich gibt es die „Lesbian only“-Sektion auf der Website des Wien-Tourismus. Empfehlungen an lesbische Wien-Urlauberinnen, einen Guide zu Lokalen und Partys. Ein Bild zweier Frauen in einem Park. Natürlich ist von Gay- und Lesbian-Marketing, von der Zielgruppe LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) die Rede. Tatsächlich aber geht es meist um schwule Männer. Attraktiv, gebildet, kulturinteressiert, lifestyleorientiert, Dinks („double income no kids“) – Attribute einer Zielgruppe, von der Werber träumen. Dementsprechend groß die Nachfrage: Die Schwulenszene wird heftig umworben, Hotels, Städte, Konzerne locken sie gezielt, es gibt eine Vielzahl an Lifestyle-Magazinen, Reiseplattformen, eigenen Gay-Reisebüros.

Und lesbische Frauen? Sie sind, wenn es um Marketing, Lifestyle, Tourismus geht, viel weniger präsent. „Homosexuelle Männer und Frauen sind zwei Zielgruppen. Da geht es zum einen um die finanziellen Verhältnisse– sie sind bei Männern besser –, zum anderen um andere Interessen“, sagt Barbara Fröhlich von der Homosexuellen Initiative (Hosi) Wien. „Männern sind Clubszene und Kultur sehr wichtig, Frauen suchen eher die Ruhe, sind oft alternativer unterwegs.“

„Die Motivation ist ganz unterschiedlich, die Marktforschung zeigt uns, dass Reise- oder Ausgehverhalten von schwulen Männern und lesbischen Frauen ganz unterschiedlich sind. Sie haben im Grund wenig miteinander zu tun“, sagt Gay-Marketing-Experte Günther Moser. Während schwule Männer bis in alle Details, von Kaufkraft, Interessen bis Reiseverhalten, erforscht sind, fehlen bei lesbischen Frauen solche Studien. Da die Nachfrage fehle, sagt Moser.


Alte Klischees und neue Szene. Ist am alten Klischee vom kultur-, party- und konsumorientierten schwulen Mann und der alternativen, konsumkritischen lesbischen Frau also doch etwas dran? „In meiner Generation ist das sicher so“, sagt Fröhlich und spricht von rund 50-Jährigen. Einige Institutionen der Szene, das F*c Frauencafé in der Lange Gasse etwa, sind ebenfalls einer feministischen, politischen und antikapitalistischen Orientierung zuzuordnen.

Moser hält die Klischees von lesbischen Frauen, wie sie medial oft dargestellt werden – feministisch-politisch aktiv, hart, männlich – für tendenziell überholt, gerade wenn man sich die junge Partyszene ansehe. „Ein Unterschied ist vermutlich aber, dass das Bedürfnis, sich zu vernetzten, geringer ist. Und dass die Zielgruppe schwieriger abzugrenzen ist, weil man die Frauen eben schwer erreicht“, sagt er.

„Bei den Jüngeren, der Generation 18 bis 40, spielen Lifestyle und Nachtleben sicher eine größere Rolle“, sagt Fröhlich. Auch wenn die einschlägige Szene viel kleiner ist. Etlichen Schwulenbars und -clubs stehen wenige reine Lesbenveranstaltungen gegenüber. „Es gab auch in Wien Versuche, reine Frauenlokale zu etablieren, aber das ging sich finanziell nie aus“, erzählt Fröhlich. So bleibt es bei Club- und Partyreihen: den Las Chicas oder G-Spot-Clubbings etwa, die regelmäßig in Wien stattfinden. Auch Trips zu „Women only“-Partywochenenden auf Ibiza werden in der jungen Szene organisiert. Zudem wächst das mediale Angebot: So wird etwa das Berliner „L.Mag“ seit Kurzem an hunderten Verkaufsstellen auch in Österreich vertrieben. Die Zahl der Medien der Schwulen-Community ist dennoch klar größer. „Im Vergleich zu Männern vernetzten sich Frauen eher in Gruppen, über das Internet oder soziale Netzwerke, weniger über klassische Medien“, schätzt Fröhlich. Auch in der medialen Debatte gehen Frauen oft eher unter – es sei denn, es geht um familienrechtliche Themen. „Frauen sind in der Wahrnehmung generell unterrepräsentiert. Vielleicht auch weil Frauen, die Händchen halten, weniger auffallen? Gerade deshalb war der Vorfall im Prückel so wichtig“, sagt Fröhlich und spricht die Proteste nach dem Rausschmiss zweier küssender Frauen aus dem Traditionscafé im Jänner an.


Getrennte Großevents. Auch bei den Großveranstaltungen bleiben die Communitys eher unter sich. Beim Pink Lake Festival, das jeden Sommer am Wörthersee stattfindet und Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie Transgender-Personen gleichermaßen ansprechen sollte, seien zuletzt auf 2500 Männer nur rund 100 Frauen gekommen, erzählt Moser. Nur bei Vienna Pride, da funktioniert es: Der Frauenanteil liegt da bei etwa 50 Prozent. cim

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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