Wien - neue Lieblingsstadt der Schwulen?

Jorge Rodriguez und Albert Gallardo
Jorge Rodriguez und Albert GallardoDie Presse
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Homosexuelle Urlauber mögen Wien – und Wien mag seine schwulen Gäste. Dass die Stadt zu den beliebtesten Reisezielen von Homosexuellen zählt, liegt aber am Kulturangebot.

Die eine oder andere Regenbogenfahne haben sie bemerkt, die gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen natürlich auch. Und die große Begeisterung für Conchita. Ja, Wien sei eine schwulenfreundliche Stadt. Wenn auch nicht unbedingt auf den ersten Blick, sagt das homosexuelle Paar Jorge Rodriguez und Albert Gallardo. „Das liegt vielleicht daran“, sagt Rodriguez (28), „dass wir in Barcelona leben, wo Homosexualität präsenter ist. Es gibt Schwulenviertel, man sieht viel mehr schwule Paare auf der Straße als in Wien.“ Eine aus Wiener Sicht bemerkenswerte Beobachtung: Ausgerechnet in der Song-Contest-Woche waren deutlich mehr Homosexuelle in der Stadt unterwegs als sonst.

Nach einer Woche in der Stadt bilanzieren die Spanier positiv: Das Kulturangebot von Oper bis Belvedere hat sie überzeugt. Die Gay Clubs haben sie nicht besucht, „weil wir das in Barcelona sowieso machen“. Vor ihrer Abreise planen sie noch – Klischee, Klischee– einen Besuch im Sisi-Museum: Die Kaiserin gilt als Schwulenikone.

Ohne den Song Contest wären Rodriguez und Gallardo zwar nicht nach Wien gekommen. Insgesamt aber hat sich die Stadt auch abseits der quasi pinken Wochen zwischen Life Ball, Songcontest und Regenbogenparade (am 20.Juni ) zu einer der beliebtesten Destinationen für schwule Touristen entwickelt. Im Ranking der Reiseplattform Gaycities.com hat Wien 2014 den ersten Platz als Culture Hub erreicht. Bei einer Umfrage von Wien Tourismus unter homosexuellen Wien-Urlaubern haben 91 Prozent der Stadt besondere Attraktivität attestiert.

Kaufkräftige Gruppe

Die Begeisterung homosexueller Urlauber für Wien beruht dabei durchaus auf Gegenseitigkeit: Bei Touristikern und Hoteliers sind schwule Gäste gern gesehen. Nicht nur, weil sich das in Sachen positives, weltoffenes Image für die Stadt gut macht. Homosexuelle Urlauber verreisen, wie Studien belegen, nicht nur öfter als Heterosexuelle. Schwule Paare als sogenannte Dinks („double income, no kids“) geben auch 30 bis 40Prozent mehr Geld im Urlaub als Heteros aus.

Wie groß der Anteil homosexueller Gäste an der (insgesamt wachsenden) Zahl an Übernachtungen in Wien ist, ist statistisch nicht erfasst – man befragt Touristen bekanntlich nicht nach ihrer sexuellen Orientierung. Eine Schätzung trauen sich Touristiker nicht zu, immerhin könne man etwa von der Tatsache, dass sich zwei Männer (oder zwei Frauen, siehe auch Artikel rechts) ein Zimmer teilen, nicht darauf schließen, ob sie hetero- oder homosexuell seien. Fest steht für Wien Tourismus, dass das Segment der schwulen Touristen am Wachsen ist. Das bestätigt auch Tobias Sauer, Chefredakteur des deutschen schwulen Reisemagazins „Spartacus Traveller“. „Wien zählt sicher zu den Topdestinationen in Europa. Die Stadt hat klar an Attraktivität gewonnen und ist sicher eine der Destinationen für Deutsche.“ Was Wien dazu gemacht hat? Für Deutsche vor allem die Nähe und die große und aktive Szene.

Marketingmaßnahmen

Bei Wien Tourismus bemüht man sich schon seit Jahrzehnten um diese Zielgruppe. Seit 1998 hat man damit begonnen, Wien als schwulen- und lesbenfreundliche Stadt zu positionieren. So präsentiert sich Wien seit Jahren auf einschlägigen Reisemessen von Singapur bis Toronto. Auf der Berliner Reisemesse ITB gilt das Vienna Gay Café als kleine Fixinstitution. Inserate in Schwulenmagazinen gehören ebenso zu Werbemaßnahmen wie der „Vienna Gay Guide“ oder eine eigene Facebookseite (Gay City Wien).

2002 formulierte Wien Tourismus das Ziel, die Stadt innerhalb von fünf Jahren als Destination mit gutem schwul-lesbischen Angebot zu etablieren, eine Vorgabe, die man rasch erreicht haben dürfte: Schon 2003 wurde Wien in einer Umfrage unter deutschen Schwulen und Lesben nach ihrer „preferred gay and lesbian city“ auf den ersten Platz gewählt. Drei Jahre zuvor war Wien nur auf Rang elf gelandet.

„Das Bemühen der Stadt fällt auf. Wenn die Politik sich so dafür einsetzt, fühlt man sich wertgeschätzt“, sagt Sauer vom „Spartacus Traveller“-Magazin. Auch Conchita Wurst habe dem Image gutgetan. Der Song Contest hat heuer eine ähnliche Zugkraft, wie es in quasi gewöhnlichen Jahren der Life Ball oder die Regenbogenparade haben.

Für Günther Moser zählt weniger Wiens Image als junge Partystadt als vielmehr die klassische Hochkultur. Moser ist Commgate-Geschäftsführer und befasst sich seit 20 Jahren mit Gay-Marketing. „Die Szene zählt auch, aber vor allem ist es das Kulturprogramm: die Oper oder die Festwochen“, sagt er.

Wien sei nicht die große Partystadt, eher sei es das traditionelle Angebot, das sich nicht speziell an Schwule richtet, das diese nach Wien lockt. In den vergangenen zehn Jahren, sagt er, habe sich das Image Wiens aber klar gewandelt. Die offizielle Strategie des Wien-Tourismus habe dazu genauso beigetragen wie private Initiativen – neben den großen Events etwa Hotels, die sich als „gay friendly“ deklarieren: als Vorreiter in Wien etwa das Le Méridien, heute auch das 25hours. Bei den großen Veranstaltungen (Life Ball etc.) gehe es um das Bild in der Welt, auch die Ampelpärchen tragen zu einem guten Ruf in der Szene bei. „Dieses Bild, das heute transportiert wird, den Effekt von Life Ball oder heuer besonders durch den ESC werden wir in den nächsten Jahren deutlich spüren.“ Für viele – gerade aus der deutschen Schwulenszene – ist Wien mittlerweile mehr als ein einmaliges Städtereiseziel. „Viele kommen regelmäßig her, haben hier schon Freunde“, so Sauer. Nach Wiener Vorbild hat das Gay-Marketing vor einiger Zeit auch in anderen österreichischen Städten begonnen. Linz, Innsbruck und Salzburg haben eigene Stadtführer für Homosexuelle. Auf der Website von Tourismus Salzburg gibt es die Sparte „Salzburg für Gays & Friends“, auf der schwulenfreundliche Hotels und Bars gelistet sind. „Als Kulturstadt haben wir für diese Zielgruppe ein üppiges Angebot“, sagt Susanne Zauner, Marketingmanagerin bei Tourismus Salzburg. Geld für Werbemaßnahmen nimmt man aber anders als in Wien nicht in die Hand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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