Währing: Außen grün, innen schwarz

Genau genommen gibt es nur drei lohnende Ziele für einen Währing-Besuch: den Türkenschanzpark (Bild), den Pötzleinsdorfer Park, den Kutschkermarkt.
Genau genommen gibt es nur drei lohnende Ziele für einen Währing-Besuch: den Türkenschanzpark (Bild), den Pötzleinsdorfer Park, den Kutschkermarkt. Clemens Fabry / Die Presse
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Währing ist der Parkbezirk. Kein Ausgeh-, eher ein Frühstücksbezirk. Politisch war "der Achtzehnte" bisher eine Bastion der ÖVP. Doch das könnte sich nun ändern.

Was ist das Wesen des 18. Bezirks, das, was ihn von den anderen unterscheidet? Es sind seine Parks. Vom Währinger Park in Gürtelnähe über den Türkenschanzpark im Cottageviertel bis hinauf zum Pötzleinsdorfer Park, der in den Wienerwald übergeht.

Vor allem der Türkenschanzpark ist das Herzstück des Bezirks. Für die Kinder, die im Winter Rodeln oder Eislaufen und in der übrigen Jahreszeit die Spielplätze bevölkern. Für die in der Wiese liegenden Studenten der angrenzenden Universität für Bodenkultur. Für die Jogger, die Verliebten, die Senioren aus den umliegenden Altersheimen. Idyllischer ist kein anderer Wiener Park. Es gibt Teiche, einen Wasserfall, die märchenhafte Paulinenwarte, einen türkischen Brunnen, ein sanftes Auf und Ab im Relief.

Ein Ausgehbezirk ist Währing nicht, so etwas wie Nachtleben gibt es hier nicht. Sieht man vom Café Stadtbahn für die eher alternative Klientel ab und dem Aumann, das den gleichnamigen Platz zwischen Gentzgasse und Währinger Straße belebt hat. Auch das Steirerstöckl am Rande des Pötzleinsdorfer Parks hat noch eine gewisse Anziehungskraft.

Kulinarisch ist Währing jedenfalls von überschaubarer Relevanz. Es ist am ehesten ein Frühstücksbezirk, vor allem rund um den Kutschkermarkt. Genau genommen gibt es ohnehin nur drei lohnende Ziele für einen Währing-Besuch: den Türkenschanzpark, den Pötzleinsdorfer Park – und eben den kleinen, aber feinen Kutschkermarkt. Unter der Woche vor allem ein Treffpunkt für Karenzmütter und -väter. Am Samstagvormittag dann auch für all jene, die vom Naschmarkt, vom Karmelitermarkt und vom Brunnenmarkt schon genug haben. Man sitzt im Himmelblau (hohe Kinderwagen-Dichte) oder beim Pöhl.

Linie 40, 41 – oder 42?

Wer hingegen Währing nicht nur besuchen, sondern dort auch wohnen will, hat recht konträre Möglichkeiten: entweder relativ günstig an der Grenze zum 17. Bezirk oder überaus teuer an der Grenze zum 19. Bezirk. Und hier gilt: Sage mir, mit welcher Straßenbahn du fährst, und ich sage dir, wo du wohnst. Bürgerliches Publikum in den Linien 40 und 41, großer Migrantenanteil unter den Fahrgästen des 42er. Für soziologische Studien bietet sich die Station Währinger Straße/Spitalgasse (knapp im 9.) an, wo diese drei Linien zusammenkommen. Auch die SUV-Dichte ist hier hoch (also jener, die lieber mit dem Auto fahren als mit 40er oder 41er).

Kleinstadt

Währing ist eine Kleinstadt in der Großstadt. Entlang der Währinger Straße ab dem Gürtel und der Gersthofer Straße stehen kleine Geschäfte für dies und das nebeneinander. Und wenn Währing eine Kleinstadt in der Großstadt ist, dann ist der Bezirksteil Gersthof noch einmal eine Kleinstadt in der Kleinstadt der Großstadt. Gersthof könnte als eigene Gemeinde auch irgendwo am Land stehen: ein Pfarrplatz, eine Geschäftsstraße, kleine Lokale, ja sogar ein eigenes (S-)Bahnhofsviertel.

Flächenmäßig ist Währing mit 6,28 Quadratkilometern ein relativ kleiner Bezirk. Allerdings: Viele Wiener sind gebürtige Währinger. Und zwar jene, die in der Semmelweis-Klinik auf die Welt gekommen sind. 2016 soll die Geburtsklinik dann von der Bastiengasse im Villenviertel ins Krankenhaus Wien-Nord nach Floridsdorf übersiedeln.

Womit Währing einen bedeutenden Standort von überregionaler Bedeutung verliert. Bleiben also nur noch die Parks. Und gewissermaßen auch noch das Schafbergbad, das städtische Freibad auf dem gleichnamigen Hügel. In der Sommersaison vor allem ein Treffpunkt der kroatischen Community in Wien. Vor allem, aber nicht nur, zu Fußball-WM- oder EM-Zeiten, ist die rot-weiße Schachbrettmuster-Dichte auf Handtüchern und T-Shirts hier besonders hoch.

Politisch war Währing bisher eine Bastion der ÖVP. Und die Bezirkspartei dort war noch eine Spur konservativer als die Stadtpartei. Johannes Prochaska, der Bannerträger des Konservativismus in der Wiener ÖVP, war hier jahrelang Bezirksparteiobmann. Karl Homole ist seit 1990 Bezirksvorsteher. Auch er ist nicht gerade ein bunter Vogel, der den Neos das Wasser abgraben könnte.

Grüne stark, Neos auch

Und so könnte die Ära der schwarzen Bezirksvorsteher in Währing im Herbst 2015 auch zu Ende gehen. Bei der Bezirksvertretungswahl im Jahr 2010 – noch ohne Neos – lag die ÖVP mit 30,6 Prozent nur knapp vor der SPÖ (27,0 Prozent) und den Grünen (25,8 Prozent).

Bei der Nationalratswahl 2013 war es noch knapper: Die Volkspartei kam in Währing auf 23,9 Prozent, die Grünen erreichten 23,5 Prozent. Die SPÖ lag mit 19,5 Prozent auf Platz drei. Die Neos schafften auf Anhieb 13 Prozent.

Und bei der EU-Wahl 2014 waren die Grünen im 18. Bezirk mit 26,66 Prozent bereits Erster. Die ÖVP kam auf 26,17 Prozent. Die SPÖ erhielt 18 Prozent, die Neos bekamen 12,5 Prozent.

Währing könnte nun also auch innen grün werden. Oder rot.

Presse Grafik

Serie: Wiens Bezirke

Bis zur Wien-Wahl am 11. Oktober porträtiert die ''Presse'' nach und nach alle 23 Wiener Bezirke. Die bisherigen Porträts finden sie unter diepresse.com/bezirke

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

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