Wiener ÖVP: Juraczkas Feuerprobe

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ÖVP-Parteichef Manfred Juraczka hat sein Team neu aufgestellt, auch, um auf den Konkurrenten Neos zu reagieren. Zurück bleiben zahlreiche parteiinterne Verletzungen.

Wien. Es wird die Feuerprobe für Manfred Juraczka. Der Wiener ÖVP-Chef muss sich am 11. Oktober erstmals in seiner Karriere einer Wahl stellen. Und dafür hat er sich ein Team ausgesucht, das er am Freitag mit den Worten präsentierte: „Mein Ziel war es, die Partei zu erneuern.“

Das hat Juraczka durchgezogen. Die Liste wurde deutlich verjüngt, fast kein Stein blieb auf dem anderen. Mit der Folge, dass es in der ÖVP hinter den Kulissen rumort. Und dieses Rumoren dürfte Folgen haben. Immerhin hat die Wiener ÖVP erstmals beschlossen, die Zahl der notwendigen Vorzugsstimmen für ein Direktmandat parteiintern massiv zu senken. Enttäuschte sowie Kandidaten auf den hinteren Listenplätzen spielen mit dem Gedanken eines massiven Vorzugsstimmen-Wahlkampfes und könnten damit die Reihung auf den Kopf stellen. Gleichzeitig könnten die Unzufriedenheiten im Wien-Wahlkampf aber auch für Turbulenzen sorgen. Ein Überblick:

Seniorenproteste. Ingrid Korosec (75), langjährige Gemeinderätin, ist die Kandidatin des ÖVP-Seniorenbundes. Für die Wien-Wahl wurde sie aber auf den aussichtslosen elften Platz der Landesliste verräumt. Seitdem rumort es im Seniorenbund, der sich die Degradierung seiner einzigen Vertreterin nicht gefallen lassen will. Als Protest gegen Parteichef Juraczka wird nun ein Vorzugsstimmen-Wahlkampf für Korosec überlegt. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, doch plädieren im Seniorenbund immer mehr Stimmen dafür: „50 Prozent der Stimmen der Wiener ÖVP kommen von den Senioren.“ Korosec würde dank des neuen ÖVP-internen Vorwahlsystems nur mehr rund 1500 Stimmen brauchen und das auch schaffen. Und damit könnte man den Fehler Juraczkas korrigieren.

► Irritation bei Jung-VP-Chef. Die Junge ÖVP, die mit Minister Sebastian Kurz prominent in der Bundesregierung vertreten ist, geht (dank Kurz) bei der Listenerstellung als Sieger hervor. Immerhin muss Juraczka versuchen, mit jungen, frischen Kandidaten die ÖVP gegen die Angriffe der Neos abzusichern. In Zahlen gegossen bedeutet das: Platz zwei für Elisabeth Olischar (27) – sie ist Bezirksrätin in Döbling und arbeitet im Kabinett von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Mit Platz vier für Sabine Schwarz und Platz sechs für Caroline Hungerländer sind JVP-Vertreter (die auch in anderen Bünden verankert sind) sehr prominent platziert. Da blieb für JVP-Chef Dominik Stracke, der ursprünglich auch Jugend-Kandidat werden sollte, nur noch der aussichtslose Platz zwölf. Dem Vernehmen nach ist Stracke, der den JVP-Wahlkampf organisieren muss, mehr als verärgert – immerhin wurden „einfache“ JVPler dem „Chef“ vorgezogen.

Abtreibungsgegnerin. Das neue ÖVP-interne Vorzugsstimmen-System dürfte auch für unerwartete Turbulenzen sorgen. Auf Platz 13 der Landesliste kandidiert Gudrun Kugler. Parteiintern gilt die römisch-katholische Theologin als dezidierte Abtreibungsgegnerin, die allerdings ein mächtiges Netzwerk hinter sich weiß. Bei der Nationalratswahl 2013 erreichte sie für die ÖVP fast 3943 Vorzugsstimmen. Nur Sebastian Kurz und Michael Spindelegger bekamen mehr. Und bei der Wien-Wahl 2005 holte sie mit 2413 Stimmen nach Parteichef Johannes Hahn die meisten Vorzugsstimmen. Es ist also damit zu rechnen, dass Kugler für die Wiener ÖVP in den Gemeinderat einziehen wird. Wie sich ihre Linie im Vorzugsstimmen-Wahlkampf mit der Ausrichtung der Partei verträgt (die in der Vergangenheit immer wieder ihre urban-liberale Linie betont hatte), bleibt abzuwarten.

► Keine Migranten. Nicht für Turbulenzen, aber für Aufmerksamkeit sorgt: Auf der Liste der Wiener ÖVP gibt es erstmals seit langen Jahren keinen einzigen Migranten. Nicht einmal symbolisch wurde auf den hinteren Listenplätzen ein Kandidat mit Migrationshintergrund positioniert. Das lässt zwei Deutungsarten zu. Die erste: Die ÖVP hat eingesehen, dass sie bei den Migranten nichts holen kann, resigniert und lässt es sein. Die zweite: In Zeiten von FPÖ-Wahlerfolgen will man keine Flanke öffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

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