Wurde Gefangene von Justizbeamten vergewaltigt?

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THEMENBILD-PAKET: JUSTIZANSTALT GERASDORF AM STEINFELD(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Ein Beamter der Wiener Justizwache stand vor Gericht, weil er eine Gefangene zweimal vergewaltigt haben soll. Auch soll er bei diesem Opfer und bei einer zweiten Gefangenen das Autoritätsverhältnis ausgenützt haben.

Wien. Schon im Februar stand der 41-jährige Wiener Beamte wegen seines Verhaltens gegenüber weiblichen Gefangenen vor Gericht. Der Vorwurf lautete: Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses. Weil die Indizien aber damals in eine schwerwiegendere Richtung deuteten (Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung) fällte der Einzelrichter ein Unzuständigkeitsurteil. Denn: Dafür sei ein Schöffensenat nötig.

Der Prozess vor dem Schöffengericht startete gestern, Mittwoch, unter dem Vorsitz von Richterin Nina Steindl. Auf Antrag der Privatbeteiligtenvertreterin wurde für die Befragung der Zeugin die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Im ersten Verfahren hat sie als Zeugin aber offen beschrieben, was sie erlebt hatte. Im Sommer 2012 hätte der Beamte ihr den Putzmantel – sie war im Gefängnis als Reinigungskraft tätig – aufgeknöpft und sie zum Oralverkehr gezwungen. Wenig später hätte der Angeklagte sie in einen Aufenthaltsraum beordert, die Tür abgesperrt, sie zu küssen begonnen und sie und sich selbst ausgezogen. Wieder sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen.

„Ich bin ein lockerer Typ“

Auch eine andere Insassin wirft dem suspendierten Justizwachebeamten vor, sie von Herbst 2011 an wiederholt bedrängt und betastet zu haben, wofür die Staatsanwaltschaft den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt hatte. Bei der aktuellen Verhandlung schwächte sie zunächst ihre früheren Aussagen ab („Ich möchte niemandem sein Leben ruinieren“), auf Nachfrage beschrieb sie aber sechs Vorfälle. Der Angeklagte hingegen bekannte sich – zur Gänze – nicht schuldig „Ich gebe zu, dass ich ein lockerer Typ bin, aber kein Vergewaltiger. Ich bin mir sicher, das ist ein abgekartetes Spiel“, so der Beschuldigte. Er sei für männliche Gefangene zuständig, der Kontakt zu den weiblichen Insassen sei rein dienstlich gewesen, etwa wenn diese zu Reinigungsarbeiten herangezogen wurden.

Doch wie zahlreiche Zeuginnen bereits ausgesagt haben, seien manche der Frauen von dem 41-Jährigen mit Eis oder dem hinter Gittern verbotenen Red Bull belohnt worden. Diese Vergünstigungen hätte es gegeben, wenn sie besonders gut geputzt hätten, so der Angeklagte. Auch das eine oder andere private Wort ist offenbar gewechselt worden, eine Frau hätte sogar einen Kuss auf die Wange bekommen. Der Beamte selbst spricht von einem „Flugbusserl“, weil er „gut drauf war“. „Ich habe nie eine Frau bedrängt oder belästigt, ich habe das nicht notwendig“, so der zweifache Familienvater. Warum dann solche Vorwürfe auftauchen? Das wisse er nicht, er sprach jedoch von Missgunst zwischen den Insassinnen. Er sei sogar auch vor einer der Zeuginnen explizit gewarnt worden. Deren Angaben, dass er einen Drogenhandel betreibe, hätten sich ja auch als haltlos erwiesen.

Der Verteidiger des 41-Jährigen hatte zahlreiche Beweisanträge gestellt und Zeugen beantragt. Der Senat wies dies großteils ab, lediglich zwei Zeugen wurden zunächst zugestanden. Eine weitere Justizwachebeamtin soll befragt werden. Da der Beisitzer einen anderen Termin wahrnehmen musste und einige Zeugen nicht erschienen waren, wurde das Verfahren vertagt. (m. s./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2015)

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