Türkische Liste will bei Wien-Wahl antreten

Archivbild: Die UETD hat 2013 rund 8000 Menschen mit türkischen Wurzel für eine Pro-Erdoğan-Demonstration mobilisiert.
Archivbild: Die UETD hat 2013 rund 8000 Menschen mit türkischen Wurzel für eine Pro-Erdoğan-Demonstration mobilisiert.APA/HANS PUNZ
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Der Ex-Obmann eines AKP-nahen Vereins, Turgay Taşkiran, bereitet eine Liste für die Wien-Wahl vor, „um den Rechtsruck in Österreich zu stoppen“. Die Türkei dürfte die Initiative unterstützen.

Wien. Am 11. Oktober soll erstmals bei einer Wien-Wahl eine hauptsächlich türkische Liste auf dem Stimmzettel stehen, die alle Migranten in Wien ansprechen will. Die Vorbereitungen für eine Kandidatur laufen auf Hochtouren, „wir sehen uns gerade die juristischen Gegebenheiten für eine Kandidatur an“, erklärt Turgay Taşkiran, der das Gesicht nach außen ist (und nach „Presse“-Informationen Spitzenkandidat werden soll): „Es sind sehr realistische Chancen, dass wir antreten. Jedenfalls mehr als 50 Prozent.“ Die Planungen laufen für eine Kandidatur auf Landesebene, bei den Bezirken müsse man noch schauen, meinte er.

Archivbild: Turgay Taskiran
Archivbild: Turgay TaskiranPrivat

Taskiran, türkischstämmiger Arzt mit Praxis in Simmering, ist in der Öffentlichkeit zwar unbekannt. In der türkischen Community ist er allerdings bestens vernetzt. Und er war bis September 2013 Obmann der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Einer Organisation, die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner AKP nahe steht. Und die bei dem Wiener Erdoğan-Besuch im Jahr 2013 rund 8000 Menschen mit türkischen Wurzeln für eine Pro-Erdoğan-Demonstration mobilisierte.
Laut Taskiran besitzt die geplante Liste die breite Unterstützung der verschiedenen, wichtigsten türkischen Vereine. Und auch die UETD, deren Präsident er war, ist unter den Unterstützern: „Es soll aber nicht eine AKP-Liste sein. Es werden auch Aleviten und Kurden dabei sein“, so Taskiran, der betont, dass der Friedensprozess in der Türkei mit den Kurden von der AKP gefördert worden sei.


Mit der UETD bekommt die Liste großes Gewicht. Denn sie kann nun auf eine Vereinigung mit sehr guter Organisation und Mobilisierungsfähigkeit zurückgreifen. Eine Sprecherin der UETD bestätigt auf Nachfrage auch die Unterstützung für Taşkiran. Dazu kommt: Nach „Presse“-Informationen soll bei den Gesprächen über Liste und Kandidaten ständig ein hoher Vertreter des türkischen Konsulats dabei gewesen sein – womit die Liste den Segen des türkischen Staats hätte. Auf Anfrage hieß es seitens der Botschaft lediglich: „Bei den am 11. Oktober 2015 stattfindenden Kommunalwahlen sind sowohl die Kandidaten als auch die Wähler österreichische Staatsbürger. Deshalb ist unsere Botschaft nicht in der Situation, dieses Thema, das die Innenpolitik Österreichs betrifft, zu kommentieren.“

Der Entschluss, mit einer eigenen Liste anzutreten, begründet Taşkiran mit „dem Rechtsruck und der steigenden Fremdenfeindlichkeit in Österreich“. Keine Partei würde FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mehr die Stirn bieten. Auch nicht mehr die SPÖ, die im Burgenland eine Koalition mit der FPÖ eingegangen sei. Dazu komme: „In einem so reichen Land wie Österreich müssen Asylwerber im Freien schlafen, weil es keine Betten gibt. Das wollen wir ändern.“ Viele (Migranten-)Vereine seien mit derartigen Zuständen äußerst unzufrieden.

Die Ziele steckt Taşkiran hoch: Mindestens 50 Prozent der Wiener hätten Migrationshintergrund, seien für die Liste ansprechbar, so Taşkiran (laut Statistik Austria sind es 40,7 Prozent, also 712.000 Wiener). Außerdem gebe es viele Österreicher ohne Migrationshintergrund, die mit dem Aufstieg der FPÖ unzufrieden sind: „Wir wollen zeigen, dass man gut zusammenleben kann. Wir wollen, im Gegensatz zur FPÖ, an Lösungen arbeiten. Beispielsweise an der Schaffung von Arbeitsplätzen.“

Zu den Wahlchancen: Laut Statistik Austria gibt es in Wien rund 60.000 österreichische Staatsbürger mit türkischem Migrationshintergrund. Davon sind (grob geschätzt) etwa 45.000 älter als 16 Jahre, also wahlberechtigt. Für den Einzug in den Gemeinderat sind fünf Prozent der Stimmen notwendig (2010 wären es rund 38.000 Stimmen gewesen). Wenn Taşkiran nicht auch außerhalb der türkischen Community punkten kann (z. B. bei der exjugoslawischen Community), wird es jedoch sehr schwer sein, die Fünf-Prozent-Hürde für die Wahl zu überspringen.

(C) DiePresse

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