Ausgespielt: Der Kampf der Spielwarengeschäfte

„Es war klar: Irgendwann müssen wir sperren.“ Corina Schütz (r.) und ihre Mutter, Renate Straub, in ihrem Spielwarenladen in Margareten.
„Es war klar: Irgendwann müssen wir sperren.“ Corina Schütz (r.) und ihre Mutter, Renate Straub, in ihrem Spielwarenladen in Margareten.Die Presse
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Vielen kleinen Spielwarenhändler setzt Konkurrenz wie Amazon hart zu. In Margareten sperrt Ende August ein alter Spielzeug-Nahversorger zu.

So voll hat Renate Straub ihr kleines Geschäft lang nicht gesehen. Seit sich herumgesprochen hat, dass ihr Papier- und Spielwarenladen in der Siebenbrunnengasse 39 in Margareten zusperrt und die Ware um minus 50 Prozent reduziert ist, läuft das Geschäft bestens. Gerade hat eine Familie stapelweise Brettspiele und Babyspielzeug in riesigen Plastiksäcken aus dem Geschäft getragen, die Regale leeren sich, eine Puppe hier, ein paar Lego-Packungen da sind noch zu haben. Und viele, viele Billets.

Spätestens Ende August wird Straub ihr Geschäft für immer schließen. Vor mehr als 50 Jahren, 1964, hat ihre Mutter den Laden eröffnet, zunächst als kleines Papierfachgeschäft, nach und nach hat sie Räume dazugemietet und das Sortiment um Spielwaren erweitert.

Jahrzehntelang war Straubs Laden der Spielzeug-Nahversorger im Grätzel, bei dem man so ziemlich alles bekommen hat – von Namenstagbillets (wer kauft das heute noch?) über Puzzles bis zu Papiertellern für den Kindergeburtstag. Kleine Fachgeschäfte wie jenes von Straub waren früher typisch für Wien. Die Kombination aus Papier- und Spielwaren (oder auch Parfümerie und Spielzeug) gab es, erinnert sich Erich Bannert, früher „an jeder Ecke“. Als kleiner Bub war er oft mit seinem Vater, dem Spielwarengroßhändler Leopold Bannert, im Lieferwagen unterwegs, um die Waren zuzustellen. „Da sind wir in jedem Bezirk sieben- bis zehnmal stehen geblieben.“

Bannert nennt diese Phase – die 1970er und -80er – „die schöne Zeit“, auch Straub erinnert sich, dass das Geschäft damals „sehr, sehr gut gelaufen ist“. Zu Weihnachten sowieso, aber auch zu Schulbeginn „standen die Leute Schlange vor dem Geschäft“, sagt ihre Tochter Corina Schütz, die seit der Handelsakademie in dem Geschäft ihrer Mutter gearbeitet hat.

Diese „schöne Zeit“, als die Nachbarn noch ein Gemüsehändler, ein Gurkerlgeschäft und der Konsum waren, ist lang vorbei. Im Vorjahr lief das Geschäft so schlecht, „dass ich meine eigene Tochter hätte kündigen müssen“, sagt Straub. „Da gehe ich lieber in Pension.“ Den Betrieb zu übernehmen sei der Tochter zu riskant, erzählt diese: Dazu sei der Umsatz zu niedrig, die Miete hätte sich mit der Neuübernahme zudem auf das Doppelte erhöht.

Ein Schicksal, das typisch für kleine Spielzeuggeschäfte ist, sagt Johannes Schüssler, Berufsgruppensprecher der Spielwarenhändler in der Wirtschaftskammer Österreich. Geht die ältere Generation in Pension, findet sich oft kein Nachfolger, „weil das Geschäft nicht mehr kostendeckend oder gar gewinnbringend geführt werden kann“. Auch wenn es natürlich Ausnahmen gebe.

Und die Branche an sich nicht schlecht dasteht. Kürzlich wurden die Zahlen für das erste Halbjahr 2015 veröffentlicht: Der Einzelhandel mit Spielwaren verzeichnete ein Umsatzplus von 3,4 Prozent. Schüssler überrascht das nicht: „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten geht es der Spielzeugbranche immer etwas besser als dem Rest.“ Woran das liege? Die Leute würden zwar sparen, aber eher bei sich selbst als beim Nachwuchs.

3,4 Prozent Plus klingt nicht schlecht – allerdings dürften dazu vor allem die großen Ketten beitragen, auch wenn Schüssler in seinem Geschäft im steirischen Frohnleiten ähnlich bilanziert. Erich Bannert in Wien bezweifelt, dass es vielen kleinen Händlern so gut geht. „Bei uns kann davon keine Rede sein“, sagt er. „Wir sind froh, wenn wir über die Runden kommen.“

Als das Sterben der kleinen Spielwarenläden begann, sattelte Bannerts Vater von Groß- auf Einzelhandel um und eröffnete vor 33 Jahren das Geschäft in der Werdertorgasse im ersten Bezirk. Von außen wirkt das Geschäft klein, tatsächlich führen die Bannerts hier in dritter Generation (mittlerweile hat Erich Bannerts Sohn übernommen) auf vier Etagen 50.000 Produkte und haben zwölf Mitarbeiter, die jeweils für eine Abteilung geschult sind.

Denn damit, mit kompetenter Beratung und hochwertigem Spielzeug, kann – und muss – der kleine Spielzeugladen punkten, wenn er überleben will. Die Konkurrenz ist jedenfalls groß. Neben dem Internethandel und den großen Ketten (Toys“R”Us oder Müller) konkurriert man mittlerweile auch mit branchenfremden Unternehmen, die ebenfalls Spielzeug führen: Möbelgeschäfte etwa, oder auch Interspar. Dabei gehen viele Kunden davon aus, dass die großen Ketten günstiger sind als der kleine Händler ums Eck. Was nur bedingt stimmt: So haben große Marken wie Playmobil Preisempfehlungen, an die sich fast alle halten. Wenn aber eine Kette im Weihnachtsgeschäft „20 Prozent auf alles“ ausruft, „können wir natürlich nicht mithalten“, sagt Bannert.

Bei Renate Straub schauen nun, in den letzten Tagen, viele Stammkunden vorbei, die traurig über das baldige Aus sind. „Manche haben sogar Tränen in den Augen.“ Straub selbst sieht es pragmatischer. „Es war eine schöne Zeit, sagt sie. „Aber es war klar, dass sie irgendwann vorbei sein wird.“

Die Klassiker

Leopold Bannert: 1., Werdertorgasse 14. Familienbetrieb mit riesigem Angebot auf vier Etagen. www.spielwarenbannert.at

Kober Spielwaren: 1., Wollzeile 16. Auch an neuer Adresse immer noch der Klassiker (seit 1886!) unter Wiens Spielzeugläden. www.kober.co.at

Spielwaren Heinz: gut sortiertes Angebot in mehreren Filialen in Wien, z. B. in der Währinger Str. 81. www.spielwarenheinz.at

Spielwaren

484Fachgeschäfte
für Spielwaren zählt die Wirtschaftskammer. Dazu gehören etwa auch große Ketten wie Toys'R'Us. Tatsächlich ist die Zahl der Geschäfte, die Spielzeug führen, viel höher: So wird etwa der große Konkurrent Müller nicht in allen Bundesländern als Spielwarenhändler geführt.

295Mio. Euro
wurden 2014 mit Spielwaren in Österreich umgesetzt.

93,3Prozent
der Spielwarenhändler haben weniger als zehn Beschäftigte.

23,9Prozent
Die Zahl der Papier- und Spielwarenhändler hat sich in Wien seit 2010 um fast ein Viertel reduziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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