Attacke auf Tempel: Inhalt der Predigt als Auslöser?

Nach der Schießerei in einer Sikh-Religionsstätte.
Nach der Schießerei in einer Sikh-Religionsstätte.(c) APA (Roland Schlager)
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Religiöse Motive dürften zur Schießerei in einem Wiener Sikh-Gebetshaus geführt haben. Sechs Männer hatten das Feuer eröffnet. Ein Guru erlag am Montag seinen Verletzungen, ein weiterer wurde schwer verletzt.

Am Tag nach der Schießerei in einem Wiener Sikh-Gebetshaus, bei dem ein Prediger tödliche und ein zweiter schwerste Verletzungen erlitten hat, geht man beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) vorläufig von einem religiösem Motiv aus. "Vorsichtig formuliert gehen wir davon aus, dass der Inhalt der Predigt Auslöser der Tat war", sagte LVT-Leiter Werner Autericky am Montag bei einer Pressekonferenz in der Polizeidirektion. Bei der Schießerei und dem anschließenden Tumult wurde etwa ein Dutzend weitere Menschen verletzt. Sechs mutmaßliche Angreifer wurden gefasst.

Autericky wies neuerlich Meldungen zurück, wonach es im Vorfeld der Predigt, zu der der Obmann des Gebetshauses die beiden späteren Opfer eingeladen hatte, Hinweise auf Bedrohungen gegeben habe. Es habe zwei Kontaktaufnahmen seitens des Vereins gegeben, einige Tage zuvor und unmittelbar vor der Veranstaltung, sagte der LVT-Leiter. Der Obmann habe erklärt, dass es keinerlei Gefährdungspotenzial gebe. Kurz vor dem Gebet sei die Polizei darauf aufmerksam gemacht worden, dass viel mehr Besucher als erwartet anwesend seien. Deshalb seien mehrere Polizeifahrzeuge zu dem Gebetshaus geschickt worden. Die Beamten trafen kurz nach der Schießerei ein und wurden Zeugen des folgenden Tumults, in dessen Rahmen Messer, Mikrofonständer und sogar eine Pfanne als Waffen eingesetzt wurden.

Drei von sechs Festgenommenen identifiziert

Zwei der mutmaßlichen Attentäter waren durch Kopfschüsse verletzt worden. Vorläufig sei es noch schwer, mit Gewissheit zwischen Tätern und Opfern zu unterscheiden, sagte Autericky. Die Einvernahmen haben seinen Angaben zufolge bisher keine entscheidenden Erkenntnisse gebracht. Von den sechs Festgenommenen sind drei identifiziert, zwei von ihnen sind indische Asylwerber. Sie wurden 1981, 1974 bzw. 1963 geboren. Einer hält sich seit 2001 in Österreich auf, die beiden anderen seit dem vergangenen Jahr. Ein weiterer Verdächtiger habe bisher noch nicht geredet, von einem anderen seien drei verschiedenen Namen bekannt. Die Einvernahmen werden mit Hilfe von Dolmetschern geführt.

Bei den Strukturermittlungen in Bezug auf die Glaubensgemeinschaft der Sikhs in Österreich stehe man noch ganz am Anfang, sagte Autericky. Beim LVT rechnet man nun mit Unterstützungs- bzw. Solidaritätsaktionen für den verletzten Gurus Sant Niranjan Dass (68), der so wie die anderen verletzten Opfer im Spital bewacht wird. Gefasst sein müsse man auch auf Racheaktionen. Extra Polizeischutz gibt es nicht nur für die Verletzten, sondern auch für die indische Botschaft und das Konsulat. Bezüglich konkreter Ermittlungsschritte hielt sich Autericky bedeckt.

Mehrere Messer und eine Pistole gefunden

Parallel zu den Verfassungsschützern ermitteln auch Kriminalbeamte. Sie vernehmen einerseits Zeugen (Hinweise, auf Wunsch anonym, an das LVT unter Tel. 01/31310/74 035 DW) und sichern Spuren am Tatort. Diese Arbeit werde noch einige Tage in Anspruch nehmen, sagte Wolfgang Haupt vom Landeskriminalamt. Die Kriminaltechniker untersuchen Stück für Stück den Zeremoniensaal und weitere Räume im Gebetshaus. Als Tatwaffen seien mehrere Messer - keine traditionellen Dolche - und eine neun-Millimeter-Pistole sichergestellt worden, deren Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei. Näheres zur Schusswaffe sagte Haupt nicht. "Dazu habe ich von meinen Mitarbeitern keine Informationen erhalten", sagte der Oberst bei der Pressekonferenz.

Über die Anzahl der abgegebenen Schüsse und allfällige weitere Tatwaffen konnte Haupt noch keine Angaben machen. "Wir schließen nicht aus, dass wir noch weitere Projektilhülsen oder Messer finden." Mehrere Einschüsse gebe es auch an Wänden. Die Tatortgruppen arbeiten sich sozusagen penibel Schicht für Schicht durch zurückgelassenen Kleidung, Tücher und sonstige Utensilien, die sich im Gebetshaus befinden, nachdem die Besucher in Panik geflüchtet waren. "Ähnlich wie auf einem Schlachtfeld" habe es ausgesehen, sagte WEGA-Kommandant Ernst Albrecht, der die Lage mit einer Amok-Situation verglich. Der Stresspegel für die Einsatzkräfte sei hoch gewesen.

Fekter: "Gefahr von Religionsfanatikern"

Innenministerin Maria Fekter kündigte laut ORF an, "alle Radikalisierungstendenzen auf das Entschiedenste" zu bekämpfen. Eine Arbeitsgruppe soll sich "der Gefahr von Religionsfanatikern" widmen. Das BZÖ hat ein Einreiseverbot für "Problemgurus und Hassprediger" gefordert. "Wir können nicht das Aufmarschgebiet für alle Wahnsinnigen werden", stellte der EU-Spitzenkandidat Ewald Stadler fest. Die FPÖ Wien Donaustadt sprach sich für eine Polizeiüberwachung bei Tempelfeiern in der Langobardenstraße aus. Damit solle verhindert werden, dass auch unbeteiligte Anrainer zu Schaden kommen.

Alev Korun, die Menschenrechtssprecherin der Grünen übte Kritik an BZÖ und FPÖ geübt. Die beiden Parteien würden die Tragödie "skrupellos ausschlachten und ausschließlich für politische Hetze nützen", erklärte Korun in einer Aussendung. Die Grünen zeigten sich über den Vorfall "betroffen und schockiert".

War der Angriff vorhersehbar?

Kumar Balvinder, Vize-Präsident des Tempels in der Pelzgasse, vermutet als Motiv für den Angriff, dass andere Sikh wollen, dass auch seine niedrigere Kaste die strengeren Gesetze befolge. Die Strenggläubigen seien dagegen, dass wie in der Pelzgasse ohne Turban oder Bart aus dem heiligen Buch gelesen werde. 

Die Anschuldigung der Glaubensgemeinschaft, deren Gebetshaus in der Pelzgasse 2005 eröffnet wurde, die Auseinandersetzung sei vorhersehbar gewesen und man habe die Polizei vergeblich um Schutz gebeten, wies die Exekutive am Sonntagabend zurück: "Es hat zu keinem Zeitpunkt ein Ansuchen auf Personenschutz oder Informationen über eine Gefährdung gegeben", betonte Takacs. "Die beiden Priester waren schon mehrmals in Österreich und es gab noch nie Probleme."

Attacke auf Sikh-Tempel

Während der Predigt in dem Gebetshaus der Sikh-Strömung Shri Guru Ravidas waren kurz nach 13 Uhr sechs Männer, höchstwahrscheinlich andere Sikhs, plötzlich aufgestanden und mit dolchartigen Messern sowie einer Pistole auf die beiden Gast-Prediger losgegangen.

Einige Menschen im Hauptgebetsraum griffen in Notwehr die Attentäter an, während der Großteil der bis zu 350 Menschen in Panik ins Freie strömte.

(APA/Red.)

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