Grand Ferdinand: Wohnen, wo einst Agenten werkten

Grand Ferdinand
Grand Ferdinand(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Ein neues Hotel im früher wohl ungastlichsten Haus der Stadt: Von alten Wanzen und neuen Betten des neuen Grand Ferdinand im Bau, wo früher der Verfassungsschutz residierte.

Wien. Früher wäre die Dame schnell weggeschickt worden. Sie steht am Schubertring, schaut durch die Glasfront und fragt schließlich den freundlichen Mann im Anzug, der zu ihr auf den Gehsteig kommt, was denn das jetzt sei? „Ein neues Hotel. Fünf Sterne. Grand Ferdinand. Gerade erst eröffnet.“ Früher, da wäre auch ein Herr aufgestanden und vor das Haus gekommen, wenn dort jemand zu lang gestanden wäre. „Wo müssen's hin?“, hätte er gefragt. „Da sind Sie falsch“, war die Standardantwort. Schließlich war der Bau am Ring lange geheimnisumwoben. Während sich das Hotel mit dem goldenen Schriftzug „Begnadet für das Schöne“ heute staatsmännisch gibt, war das Haus früher tatsächlich staatlich – bzw. vom Staat gemietet. Schön war daran aber nichts.

Von Mitte der 1990er bis 2011 war Schubertring 10–12 der Sitz des BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung), also jener Polizeibehörde, die so etwas wie einem zivilen Geheimdienst am nächsten kommt. Ein heruntergekommener Bau, ohne Hinweis auf seine Nutzer, mit vielen heruntergelassenen Jalousien, die Anlass für Spekulationen boten – tatsächlich aber einfach nicht mehr aufgegangen sind, weil das Haus langsam verfallen ist. Architektur-Interessierte, die trotzdem fotografiert habe, wurden weggeschickt. Denn eigentlich versteckte sich dort ein denkmalgeschützter Bau: Ab 1950 nach Plänen von Percy Faber und Walter Sobotka errichtet, entstand ein Bürohaus für die Veitscher Magnesitwerke. Eine noble Variante der Fünfzigerjahre-Architektur, mit der Kriegs-Baulücken geschlossen wurden. Hotelier Florian Weitzer hat den alten Schatz freilegen lassen: Der schwarze Marmor glänzt, der helle Kalksandstein an der Fassade liegt frei, genau wie die Glasfront, die verklebt war. Schließlich haben sich dahinter die notorisch scheuen Staatspolizisten verborgen. Die alten Türen sind noch da, auch der Marmor in der Halle ist noch der, auf dem einst der Christbaum stand und über den man zur Sicherheitsschleuse musste. Oder dorthin, wo man heute an der Rezeption Schlüssel holt und früher „Spitzelwerkzeug“ ausgegeben wurde.

Wiener Schnitzel statt Spitzeln

Nebenan speist man heute im elegant-schlichten Restaurant Schnitzel oder Hirn mit Ei – das war schon früher der schönere Teil des Hauses: Erdgeschoß und erster Stock, in dem die Direktion saß, wurden intern „Mahagonitrakt“ genannt – die Büros waren mit schweren Mahagoni-Möbeln und dicken Teppichen ausgestattet, die oberen fünf Stockwerke mit schäbigen Möbeln und billigem PVC. Diese hat nie ein Besucher gesehen, Gäste durften sich nur im Mahagoni-Trakt bewegen. In den einst geheimen oberen Stöcken sind heute 188 Zimmer und Suiten untergebracht: Mit Parkett, dunkelblauen Wänden und Betten mit verschnörkelt-weißen Kopfteilen. So wie in jenem Zimmer über der heutigen Champagner-Bar, das im einstigen Büro des Direktors eingerichtet ist. Man schläft heute dort, wo einst Staatsgeheimnisse besprochen wurden und mitunter Agenten ein und aus gegangen sind. Entsprechend gut wurde das Haus überwacht, der Hof war mit Stacheldraht abgeschirmt, auch heute dürfen ihn Besucher nicht betreten – wegen der Anrainer. Die Sicherheits-Infrastruktur ist mittlerweile verschwunden. Vermutlich. Nach dem Umzug in die Rennweg-Kaserne hat sich um alte Wanzen, über die man noch munkelte, oder Sicherheitsleitungen nämlich niemand mehr groß gekümmert.

Schließlich gestaltet sich so ein Geheimdienst-Umzug ohnehin kompliziert. Seither war das Gebäude jedenfalls leer. Lange wurde zwischen Hotel-Gruppen und Eigentümern verhandelt. In der Zwischenzeit fanden Mode-Pop-ups statt, alle übrigen Mieter, ein Reisebüro oder eine asiatische Rotlicht-Bar, waren lange ausgezogen. Diese hat den früheren Mit-Mietern nicht nur Freude bereitet: Etwa, weil morgens öfters volltrunkene Besucher vor der Tür des BVT gelegen sind. Aber, immerhin hielt die Bar den nächtlichen Journaldienst bei Laune, der am Monitor beobachten konnte, wer in die sogenannte HoChiMinh-Bar ging – und ob Kollegen dabei waren. Die hatten im Haus aber genügend Gelegenheiten zu feiern: bei regelmäßigen Festen, Frühlings-, Krampus- bis Weihnachtsfest, inklusive Auftritten der hauseigenen Partyband CSI (Central Sound Intelligence), zu denen im Fasching Staatspolizisten mitunter verkleidet ins Amt spaziert sind.

(Fast) geheimer Pool am Dach

Heute geht es am Schubertring gediegener zu: Gästen stehen drei Restaurants zur Verfügung, auch eine Rooftop-Bar mit Pool und herrlicher Sicht auf den Stephansdom. Dort, wo früher „grüner“ Besprechungsraum, „Dienstsport“-Raum, Dolmetsch-Büros oder der Terrassen-Griller waren, sitzt man nun auf Ledersofas im Dachgeschoß-Lokal – das aber Hotelgästen vorbehalten ist. Und somit ist zumindest ein Teil des Hauses noch ein wenig geheim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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