Erwin Prölls Wunsch nach Wiens Wirtschaftsmigranten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Niederösterreich macht Wiener Unternehmen den Standort schmackhaft. Die Stadt plädiert für eine gemeinsame Wirtschaftsstrategie.

Nicht nur wenn es um Bewohner geht, buhlt Niederösterreich um Wiener – für neue Einwohner braucht es auch Arbeitsplätze. Immer wieder kommt seitens der Stadt der leise Vorwurf, Niederösterreich würde Betriebe mit Dumpingpreisen abwerben.

Grundstücke außerhalb Wiens sind deutlich billiger als im Stadtgebiet. Vor allem für Betriebe, die eine große Produktionsfläche brauchen, ist Niederösterreich eine gute Alternative – infrastrukturell ist das Umland gut angebunden. Laut Informationen aus dem Büro der zuständigen Landesrätin, Petra Bohuslav (ÖVP), sind seit 2011 insgesamt 56 Betriebe von Wien nach Niederösterreich übersiedelt. Das jüngste prominente Beispiel ist die Firma Niemetz. Das Unternehmen entschied sich, den Standort in Wien Landstraße aufzugeben und nach Wiener Neudorf zu übersiedeln. Dort sollen die „Schwedenbomben“ ab 2016 hergestellt werden.

Gemeinsame Wirtschaftsstrategie. Der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll (ÖVP), zeigte sich über diese Entscheidung erfreut, sprach von einem „Kompliment für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich“ und sah die Ansiedelung als Bestätigung des wirtschaftspolitischen Weges, den das Bundesland im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrzehnte begangen habe. „Natürlich mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und damit ein entsprechendes Angebot für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liefern zu können“, sagte er bei einer Pressekonferenz.

Wiens zuständige Wirtschaftsstadträtin, Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ), zeigt sich ob der niederösterreichischen Wirtschaftspolitik wenig begeistert. „Wer erfolgreiche Wirtschaftspolitik nur daran misst, ob sich ein Unternehmen auf der einen oder anderen Seite der Wiener Stadtgrenze ansiedelt, der hat nicht verstanden, dass Wien und der sogenannte Speckgürtel ein einziger Wirtschaftsraum sind, der sich im internationalen Wettbewerb bewähren muss“, sagt sie zur „Presse am Sonntag“. Sie plädiert dafür, dass Wien und Niederösterreich zusammen daran arbeiten, Arbeitsplätze für die gesamte Region zu schaffen.

Während sich in Niederösterreich die Agentur Eco Plus auch um Wiener Betriebe bemüht, wirbt in Wien die Wirtschaftsagentur vermehrt auf internationaler Ebene. Der Fokus liegt auf Unternehmen im Bereich Life Sciences, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Kreativwirtschaft und Start-ups. Gerade in diesen Branchen werden oft sehr gut qualifizierte Mitarbeiter gesucht, die Unternehmen mit der guten Lebensqualität in Wien herzulocken versuchen. Auch die Nähe zu den Universitäten ist wohl für viele ausschlaggebend. Im ersten Halbjahr 2015 siedelten sich 82 internationale Unternehmen in der Hauptstadt an.

In Zahlen

159internationale Unternehmen für Wien im Jahr 2014.
Im ersten Halbjahr 2015 waren von insgesamt 152 neuen Unternehmen 82 internationale. Dadurch wurden 1656 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Investitionsvolumen der Projekte liegt bei rund 140 Mio. Euro.

56Unternehmen siedelten von Wien nach Niederösterreich.
Niederösterreich hat deutlich mehr Fläche als Wien – dementsprechend billiger können Firmen Grundstücke angeboten werden. Von 2011 bis 2014 entschieden sich 56 Wiener Unternehmen wohl auch deshalb, nach Niederösterreich zu übersiedeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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