Wien will Grundsteuer erhöhen

SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner beim
SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner beim "Presse"-InterviewClemens Fabry / Die Presse
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Interview. SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner will Grundeigentum nach seinem Marktwert besteuern. Und sie will vom Bund mehr Spielraum für die Neuverschuldung Wiens.

Die Presse: Das Budget liegt vor, veranschlagt sind 518 Mio. Schulden. Das ist deutlich mehr als das letzte Mal.

Renate Brauner: Zunächst, es sind nicht 518 Mio., sondern 346. 518 wäre das Defizit, würde man business as usual machen. Wir müssen aber sparen, darum haben wir 172 Mio. für die Ressorts gesperrt. Es wird erst freigegeben, wenn es mehr Einnahmen gibt. Wenn man sich die Wirtschaftsprognosen anschaut, ist das aber nicht absehbar. Und es ist wie bereits in den vergangenen Jahren mein Ziel, das prognostizierte Defizit durch einen strengen Budgetvollzug noch weiter zu senken.


Wien muss 2016 eine De-facto-Nullneuverschuldung erreichen – werden Sie das schaffen?

Der Stabilitätspakt basiert auf Wirtschaftsprognosen, die so leider nicht eingetroffen sind. Die Republik hat von der EU, was die erlaubte Verschuldung betrifft, frühzeitig mehr Spielraum erhalten. Wie viel davon an die Bundesländer weitergegeben wird, werden wir gemeinsam im kommenden Frühjahr besprechen. Erst danach wissen wir, wie viel Defizit uns tatsächlich zugestanden wird.


2016 stehen harte Finanzausgleichsverhandlungen an. Sie wollen, dass das Geld künftig nicht nur nach der Bevölkerungszahl, sondern nach Aufgaben aufgeteilt wird. Das wird ein hartes Match mit Niederösterreich.

Wien übernimmt viele überregionale Aufgaben. 260.000 Pendler fahren täglich nach Wien und nützen das günstige Jahresticket. Jeder Fünfte, der in Wiener Krankenhäusern behandelt wird, ist Niederösterreicher. Auch die Verhandlungen mit dem Bund werden hart. Die sich am dynamischsten entwickelnden Kosten haben die Kommunen– etwa bei der Altenbetreuung und Kindergärten. Wien hat hier an beiden Enden der Altersskala besonders viele Menschen.


Wo wird Wien denn sparen?

Bereits in den vergangenen Jahren haben wir Standorte zusammengelegt, unter anderem bei Wiener Wohnen, das werden wir etwa beim Facility Management fortsetzen. Ein zweiter Schwerpunkt liegt darin, unsere Verfahren und Regelungen radikal zu durchforsten und effizienter zu gestalten. Wichtig ist auch, dass der Kostendämpfungspfad der Gesundheitsreform greift.


Über wie viel Geld reden wir da?

Ich könnte jetzt eine Summe nennen, aber das wäre unseriös.


Reden wir über die Franken-Kredite: Beim Bürgermeister klingt es, als würde man kursunabhängig aussteigen, bei Ihnen anders. Wie ist das jetzt?

Das kann ich ganz leicht aufklären. Zunächst: Es gibt dazu kein Geheimpapier. Vielmehr habe ich ja bereits eine Ausstiegsstrategie aus den Krediten dem Bund vorgelegt. Nur nach der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank musste man sie überarbeiten. Wir werden sie Ende dieses bzw. Anfang nächsten Jahres präsentieren.

Renate Brauner musste den Vizebürgermeistertitel abgeben und ist für Finanzen, Wirtschaft und Internationales zuständig.
Renate Brauner musste den Vizebürgermeistertitel abgeben und ist für Finanzen, Wirtschaft und Internationales zuständig.Clemens Fabry / Die Presse


Wird man kursabhängig oder -unabhängig aussteigen?

Das wird die Strategie ergeben.


Eine Ihrer Hauptaufgaben ist Jobbeschaffung. In Wien siedeln sich eher Betriebe an, die hoch qualifiziertes Personal brauchen. 40 Prozent der Arbeitslosen haben nur einen Pflichtschulabschluss. Schafft man die falschen Jobs?

Nein, Wien hat da einen tiefgreifenden Strukturwandel hinter sich, der nicht umkehrbar ist. Es wird daher auch künftig überwiegend Jobs geben, für die man eine gute Ausbildung braucht.

Auch die „urbane Produktion“, die man ankurbeln will, bringt nur Jobs für hoch Qualifizierte?

Nein, aber eine fundierte Lehre ist schon nötig. Daher investieren wir viel in Qualifikation. Einer unserer Standortfaktoren ist aber, dass Wien mittlerweile die größte deutschsprachige Universitätsstadt ist.


Wien wächst – ist für zusätzliche Industrie überhaupt Platz?

In der Höhe schon. Um Manner hier zu halten, wurde etwa eine Lösung für eine vertikale Produktion gesucht und gefunden.


Apropos Grund: Die Grundsteuer soll reformiert werden, Basis soll statt des aktuellen Einheits- der tatsächliche Verkehrswert sein. Sozialbauten sind ausgenommen. Sprich: Private Eigentümer werden kräftig zur Kasse gebeten.

Jein. Es stimmt, dass es sinnvoll wäre, die Grundsteuer zu erhöhen. Warum soll jemand, der ein Grundstück besitzt, das viel mehr wert ist, nur für einen kleinen Teil davon Steuern zahlen. Deswegen fordern nicht nur wir, sondern viele Städte, dass man sich dem Verkehrswert annähert. Der Bund hat das bei der Grunderwerbsteuer ja auch getan und sich damit Mehreinnahmen verschafft. Städte- und Gemeindebund haben ein gemeinsames Modell vorgelegt, das erlaubt, nach Rastern die Lage zu bewerten und so einen Schätzwert zu haben, der sich der Realität annähert. Das ist billiger und pragmatischer, als wenn jeder einzeln den Grund bewerten lassen muss.


Welche Summen kommen da auf die Eigentümer zu?

Nicht allzu große.


Und die Genossenschaften zahlen nichts?

Nicht nichts, aber sie sollen beim bestehenden Niveau bleiben. Der soziale Wohnbau wird mit Steuergeld finanziert, es hat wenig Sinn, das Geld bloß zu verschieben.


Zur Änderung bei der Grundsteuer brauchen Sie aber den Bund?

Das ist richtig, daher werden wir im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen darüber reden, wie wir hier gemeinsam zu einer gerechteren Lösung kommen können.


Derzeit regelt der Bund die Grundsteuer. Will Wien das künftig selbst tun?

Ich bin keine Freundin der Länder-Steuerautonomie. Das bringt nur etwas bei Massensteuern, und dann aber ist es im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung mäßig sinnvoll. Aber wir werden darüber reden.


Tut es Ihnen eigentlich leid, dass Sie nicht mehr Vizebürgermeisterin sind oder ist der Titel eh Makulatur?

Das ist er nicht, aber mein Selbstwertgefühl hängt nicht an Titeln. Ich sehe das emotionslos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. November 2015)

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