Islamismus in Wiener Schulen „Wir können nicht alles erlauben“

Corina Windsperger war der Klassenvorstand der 17-jährigen Samra aus Wien. Ihre Radikalisierung habe sie nicht aufhalten können, weil sie es „damals nicht besser wusste“.
Corina Windsperger war der Klassenvorstand der 17-jährigen Samra aus Wien. Ihre Radikalisierung habe sie nicht aufhalten können, weil sie es „damals nicht besser wusste“. (c) Stanislav Jenis
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Die 17-jährige Wienerin Samra soll in Syrien getötet worden sein. Ihre frühere Lehrerin, die sich gegen Radikalisierung in Schulen einsetzt, glaubt nicht daran.

Wien. Es ist nicht ihre erste Todesmeldung. Diesmal soll die 17-jährige bosnischstämmige Wienerin Samra, die sich 2014 mit ihrer damals 15-jährigen Freundin Sabina der Terrormiliz IS in Syrien angeschlossen hat, laut Medienberichten auf der Flucht vor den Jihadisten erschlagen worden sein. Eine Bestätigung durch den Verfassungsschutz gibt es auf „Presse“-Anfrage nicht. Auch der ehemalige Klassenvorstand von Samra, Corina Windsperger, glaubt nicht an ihren Tod. „Man hat sie schon so oft sterben lassen“, sagt die Lehrerin für Geschichte, Politik, Turnen an der Handelsakademie in Favoriten.

„Glauben Sie mir, den beiden geht es gut. Diese Mädchen sind die beste Werbung für die Terroristen. Sie würden nie zulassen, dass ihnen etwas passiert.“ Woher sie das weiß? „Aus dem Freundeskreis von Samra und dem Internet.“ Sie melde sich nämlich nach wie vor über soziale Netzwerke. Und berichte, dass sie gut behandelt werde und nicht im Kriegsgebiet leben müsse. „Von allen Frauen, die nach Syrien gegangen sind, geht es diesen Mädchen am besten. Zudem hat eine von ihnen, was sie immer wollte – ein Kind.“ Wer von den beiden Mutter geworden ist, will Windsperger nicht verraten.

An Samras Radikalisierung erinnert sie sich noch genau. An die Monate vor ihrem Abgang aus der Schule, als sie Fotos von sich in Vollverschleierung auf WhatsApp postete, „I love Al-Qaida“ an die Wand in der Klasse schrieb und ihre Lehrerin korrigierte, weil diese angeblich Allah falsch ausgesprochen hatte. Sie habe auch versucht, Mitschüler für ihre neu gewonnene Ideologie zu begeistern, was zu Reibereien geführt habe, und in der Schule ein Kopftuch zu tragen, was ihre Eltern verboten hätten. „Zu diesem Zeitpunkt hatten wir sie bereits verloren“, erzählt Windsperger. „Sie war brainwashed und für uns nicht mehr zu erreichen. Offenbar hatte sie über die Ferien die falschen Freunde kennengelernt. Wahrscheinlich im Internet. Was genau passiert ist, wissen wir bis heute nicht.“

Die Nachricht von ihrer Reise nach Syrien habe jedenfalls alle in der Schule schockiert – auch ihre damalige beste Freundin, die mit ihr bis zuletzt in engem Kontakt gestanden ist und sich niemals habe vorstellen können, dass Samra ihre Ankündigungen wahr macht. Und damit auch ihre Familie zerstört. „Das hat sie toll hingekriegt“, so Windsperger. Vorwürfe, die Veränderungen bei Samra nicht früher erkannt und anders gehandelt zu haben, macht sie sich nicht. „Ich wusste es damals einfach nicht besser. Wir waren ja die ,Vorreiter‘ in dieser Hinsicht.“ Seither beschäftige sie sich aber intensiv mit Islamismus und Terrorismus, unterrichte diese Themen mittlerweile auch in einigen Klassen. Vom Landesschulrat fühlt sie sich im Stich gelassen. Es sei zwar möglich, Redner für Seminare anzufordern, „aber die Wege sind zu lang“, beklagt Windsperger. Der Landesschulrat müsse sich in den Schulen selbst stärker einbringen und die Lehrer unterstützen – viele wüssten nicht, wie sie mit diesem Thema umzugehen hätten. Obwohl es aktueller denn je sei.

„Sozial, aber nicht zu sozial sein“

In ihrer Schule haben beispielsweise 70 bis 90 Prozent der Schüler nicht Deutsch als Muttersprache. Rund 30 Prozent sind Muslime, zumeist aus Bosnien, aber auch aus der Türkei und anderen Ländern. Einige Mädchen würden verschleiert zur Schule kommen und nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, nennenswerte Probleme mit Extremismus gebe es aber keine. So habe sie außer bei Samra damals nie beobachtet, dass streng gläubige Muslime liberalere muslimische Schüler unter Druck gesetzt hätten. Ein solches Verhalten werde auch nicht toleriert. „Alles zu erlauben“ sei nicht der richtige Weg. „Wir können nicht immer die sein, die sich anpassen. Wir sind ein soziales Land, sollten aber nicht zu sozial sein. Ein bisschen Anpassung wäre nett“, sagt Windsperger. Denn wer sich nicht anpasse, nehme sich selbst aus der österreichischen Gesellschaft heraus. „Wir können nicht alle Regeln des Islam umsetzen. Dann müssten wir auch alle Regeln des Judentums und des Buddhismus umsetzen. Wir können uns nicht immer unterordnen. Wir sind ein katholisches Land. So national denkend bin ich schon.“

„Relevante“ Meldungen eher rückläufig

Prävention und Aufklärung seien das Wichtigste, betont der Direktor der Schule, Peter Slanar. „Wir müssen den Schülern klar machen, dass sie nicht alles glauben dürfen, was sie im Internet lesen. Und dass sie vorsichtig sein sollten, was sie auf Facebook stellen.“ Zum besseren Verständnis anderer Religionen und Kulturen soll auch das Fach Ethik beitragen – für Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden. Sollte er bei einem Schüler eine verdächtige Entwicklung beobachten, melde er das unverzüglich den entsprechenden Stellen. In den vergangenen Monaten habe er das ein-, zweimal gemacht, der Verdacht habe sich aber als unbegründet herausgestellt. Einen Anstieg solcher Fälle in den vergangenen Monaten gebe es nicht.

Das bestätigen auch die Landespolizeidirektion Wien, wo die „staatspolizeilich relevanten“ Meldungen sogar „überraschenderweise“ eher rückläufig seien, und Brigitta Srncik, Leiterin der Abteilung Schulpsychologie im Stadtschulrat. Gewaltverherrlichende und -verharmlosende Aussagen kommen „seit dem Beginn dieses Phänomens im Sommer 2014“, also seit Samra und Sabina nach Syrien gegangen sind, immer wieder einmal vor – „bei Volksschülern, die ihren Eltern nachplappern, ebenso wie bei pubertierenden 14-Jährigen oder Oberstufenschülern“, sagt Srncik. „Einen Anstieg seit den Anschlägen in Paris oder im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir bisher aber nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2015)

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