Wiener Spitäler: Kahlschlag bei Ambulanzen

Rudolfstiftung
Rudolfstiftung(c) Franz Gruber / KURIER / pictured (Franz Gruber)
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Um Einsparungen und mehr Qualität zu erreichen, sollen ab 2016 viele Ambulanzen gesperrt und „leichte Fächer“ wie Augenheilkunde an einem Standort konzentriert werden.

Wien. Zahlreiche Spitalsambulanzen werden ab dem nächsten Jahr geschlossen bzw. fusioniert. Spitalsabteilungen und Ambulanzen von „leichten Fächern“ (zum Beispiel Augenheilkunde, Dermatologie etc.), deren Patienten zu etwa 80 Prozent von niedergelassenen Fachärzten versorgt werden können, werden nur mehr an einem einzigen Spitalsstandort in Wien angeboten – die restlichen derartigen Abteilungen und Ambulanzen in allen anderen Spitälern der Stadt werden geschlossen.

Damit Ambulanzen nicht mehr überlaufen werden, wird Patienten dort künftig mit Nachdruck nahegelegt, zu einem niedergelassenen Arzt oder den sogenannten Primärversorgungszentren zu wechseln. Damit sollen einerseits deutliche Einsparungen erreicht werden, andererseits auch eine Erhöhung der medizinischen Qualität.

Spezialisierung der Spitäler

Diese vertraulichen Informationen, die der „Presse“ vorliegen, zeigen eine radikale Überarbeitung des ursprünglichen „Spitalskonzepts 2030“, das Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely im März 2011 präsentiert hatte, um das Wiener Gesundheitssystem völlig neu aufzustellen.

Damals war vorgesehen: Die zwölf Spitäler des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) sollten auf sechs moderne Vollspitäler (Wilhelminenspital, Krankenhaus Hietzing, Kaiser-Franz-Josef-Spital, Rudolfstiftung, Donauspital, Krankenhaus Nord) reduziert werden – das AKH bleibt davon unberührt. Künftig setzt die Stadt aber auf Schwerpunktspitäler.

Die Details: Künftig wird nur mehr in der Rudolfstiftung eine Augenabteilung existieren. Sämtliche Augenabteilungen in den anderen KAV-Spitälern werden geschlossen bzw. übersiedeln in das neue Augenzentrum. Auch soll nach „Presse“-Informationen in der Rudolfstiftung das neue Dermatologie-Zentrum entstehen – kein anderes KAV-Spital wird künftig also eine Dermatologie haben. Im Gegenzug werden in der Rudolfstiftung andere Abteilungen mit ihren Ambulanzen geschlossen.

Auch die Hals-, Nasen-, Ohren-Abteilungen und Urologien sollen „optimiert und neu strukturiert werden“. Details dazu wollte der KAV auf Anfrage nicht bekannt geben, die Informationen der „Presse“ kommentierte KAV-Sprecherin Nani Kauer so: „Mit einer Palette an Maßnahmen wird in den kommenden Jahren sichergestellt, dass Leistung und Qualität den Erwartungen der Bevölkerung entsprechen.“ Dazu gebe es in vielen KAV-Bereichen Planungen, auch im Bereich Augen und Urologie. Diese würden nach der Finalisierung kommuniziert. Und: „Das Spitalskonzept ist ein Modernisierungsprogramm, kein Sparprogramm.“

„Kosten, Effizienz verbessern“

Allerdings wird das auf Seite 74 und 75 des rot-grünen Koalitionsabkommens etwas anders formuliert: „Der KAV muss sich hinsichtlich seiner Kosten und Effizienz verbessern.“ Also sparen. Und: In Zukunft werde der KAV seinen Fokus gezielt auf medizinische Kernleistungen legen, „es werden umfassende Anstrengungen unternommen, um die Wartezeiten in den Spitalsambulanzen deutlich zu verringern.“

Nach Informationen der „Presse“ sind die vom KAV erwähnten Planungen de facto abgeschlossen. Die Linie: Auch die anderen KAV-Häuser sollen sich auf bestimmte medizinische Bereiche spezialisieren – etwa auf Krebsbehandlungen, Herzerkrankungen, Unfallchirurgie (sogenannte Traumazentren, in denen die Orthopädie mit der Unfallchirurgie verschmilzt) etc. Wie in der Rudolfstiftung werden in den anderen Häusern Abteilungen und deren Ambulanzen geschlossen, die nicht direkt zu der betreffenden Spezialisierung gehören.

Mit der Schwerpunktsetzung und Zusammenlegung bzw. Schließung von Abteilungen wird sich der KAV immer mehr auf die klassischen Spitalsleistungen zurückziehen. Für die Wiener soll sich das schon 2016 bemerkbar machen. Ein Mediziner, der anonym bleiben möchte, zur „Presse“: „Patienten in den Ambulanzen wird dann eindringlich mitgeteilt, dass sie wegen ihrer nicht dringlichen Beschwerden ganz nach hinten gereiht werden und stundenlang warten müssen.“ Nachsatz: „Dann wird ihnen ein Zettel mit Telefonnummer und Adresse niedergelassener Ärzte in der Nähe bzw. sogenannten Primärversorgungszentren in die Hand gedrückt, damit sie (wegen langer Wartezeit, Anm.) die Ambulanz verlassen und zu dem niedergelassenen Arzt gehen.“

Reicht Angebot aus?

Diese Spezialisierung hat aber auch positive Aspekte, wie Ärzte der „Presse“ erklären. Denn die medizinische Qualität könnte steigen, weil an einem spezialisierten Standort ein Mediziner deutlich mehr Operationen durchführt und dadurch mehr Erfahrung besitzt.

Die Überarbeitung des Konzeptes sorgt für politische Kritik. „Nur mehr Schwerpunktspitäler zu machen ist ein Humbug.“ Bei einem Unfall müsste ein schwer Verletzter zuerst in ein Unfallkrankenhaus, bei zusätzlichen Augenverletzungen dann in die Rudolfstiftung „und dann vielleicht noch in ein weiteres Schwerpunktspital gebracht werden“, so FPÖ-Gesundheitssprecher David Lasar. ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka ergänzt: „Das bisherige gesamte Leistungsangebot und die Zahl der zu behandelnden Patienten kann künftig an nur mehr einem Standort sicher nicht bewältigt werden.“ Das Konzept funktioniere nicht, wenn man nicht das Netz der niedergelassenen Ärzte stärke. Außerdem, so Juraczka: „Was passiert mit stationären Patienten in anderen Häusern, wenn zusätzlich Augenleiden oder Hautprobleme auftreten?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)

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