Wien: Kulturförderung für Abschiebegegner

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Ein Kurzfilm zeigt, wie man die Rückführung eines Schubhäftlings im Flugzeug verhindert. Finanziert wurde das Werk mit Steuergeld. Zugeteilt hat es ein Kulturverein der Wiener Grünen.

Wien. „Wenn es notwendig ist, leisten Sie körperlichen Widerstand gegen die Polizisten, die Sie begleiten.“ Das ist eine von mehreren Empfehlungen des Kurzfilms mit dem Titel „How To Stop a Deportation“ (sinngemäß: So verhindert man eine Abschiebung). Das Verhindern einer Amtshandlung ist in Österreich eine Straftat. Je nach Art des Widerstands drohen bis zu fünf Jahre Haft. Umso bemerkenswerter erscheint deshalb der Abspann des 15:24 Minuten langen Werks: „Funded by Stadt Wien“.

Für Zuschauer lässt sich daraus eine Frage ableiten: Unterstützt die Kulturabteilung im Rathaus eine künstlerische Anleitung dazu, wie Flugreisende und Schubhäftlinge die Durchsetzung des österreichischen Fremdenrechts verhindern? Nein, sagt die Kulturabteilung. Und hat damit streng genommen Recht. Die MA 7 hat das Filmprojekt des Autorenkollektivs nämlich zumindest nicht direkt gefördert. Sie ist aber einziger Fördergeber des von den Wiener Grünen initiierten Kunst- und Kulturprojekts „Wienwoche“, das 2014 aus dem Steuertopf 423.508 Euro und 38 Cent erhielt. Der Trägerverein des Projekts gewährte dem Produktionsteam schließlich 12.000 Euro für die Umsetzung ihres eingereichten Film-Vorhabens, das noch aus zwei weiteren Clips bestand. Die Vorgabe der künstlerischen Leitung der „Wienwoche“ für das Jahr 2014 lautete: „Die Ausschreibung richtet sich an alle, die Österreich als Einwanderungsland begreifen.“ Einreichungen sollten „ästhetisch, kämpferisch, kontrovers, lustig, politisch, radikal und sozial sein“.

Breite Grauzone

Der Film richtet sich in durchaus kreativer Art und Weise nicht nur an Schubhäftlinge, sondern auch an Passagiere, die im gleichen Flugzeug sitzen. Dabei gibt eine Flugbegleiterin in englischer Sprache Ratschläge, mit welchen Maßnahmen man ein Abheben des Flugzeugs am besten verhindert. Dem Häftling wird – neben „physical resistance“ – vor allem Schreien und Kommunikation mit den anderen Passagieren empfohlen. Fluggästen rät die Frau im Film u. a.: „Fragen Sie, ob Sie helfen sollen, Widerstand gegen die Abschiebung zu leisten.“ Die Art der Gegenwehr lässt das Drehbuch offen, spielt jedoch mit allen denkbaren Varianten, und damit wohl auch mit Gewalt. So heißt es in einer Einblendung: „Du musst selbst für Dich entscheiden, welcher Grad an Widerstand für Dich möglich ist.“

Der damals für die Förderung des Projekts mitverantwortliche künstlerische Leiter der „Wienwoche“ sieht darin keinen Aufruf zu einer Straftat, höchstens zu solidarischem Handeln. „Was das ,Protest Production Collective' hier abgeliefert hat, ist eine künstlerische Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, der Dublin-Verordnung der EU und dem österreichischen Asylgesetz“, sagt Can Gülcü. Zudem sei die Förderung des Filmprojekts in einer öffentlich zugänglichen Beiratssitzung erfolgt. Wen man da förderte, dafür interessierten sich die Fördergeber nicht. Gülcü: „Wir fragen die Leute schließlich nicht nach ihrem Leumundszeugnis.“

Anarchie-Import aus Bayern

„Presse“-Recherchen ergaben: In der Gruppe der Drehbuchautoren befindet sich ein Aktivist, der im Vorfeld des Schlepperprozesses von Wr. Neustadt in Haft saß. Ein anderer – er führte Regie, schrieb ebenfalls am Drehbuch, entwickelte Kostüme, und war an der Produktion beteiligt – ist dem Staatsschutz in Deutschland und Österreich bekannt. Der gebürtige Bayer Hans-Georg Eberl organisierte einst den Protestmarsch der Flüchtlinge von Traiskirchen nach Wien, hielt sich im Protestcamp vor der Votivkirche auf. Medien bezeichneten ihn als Anarchisten und Linksextremisten. Wobei der eloquente Deutsche relativiert: „Über das Label linksextrem müssten wir diskutieren. Und Anarchist gilt nur dann, wenn wir von einer sozialen, herrschaftslosen Bewegung sprechen.“ Zu Straftaten soll der Film nicht aufrufen, höchstens zu „aktiver Zivilcourage“, schließlich gebe es auch legale Formen körperlichen Widerstands.

Warum er, der Anarchist, Fördergeld nimmt? „Staatliche Gelder sollten dem allgemeinen Nutzen zur Verfügung stehen, und damit auch einer freien, künstlerischen Betätigung.“

Der Kurzfilm auf YouTube:

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