Rot-Grün in Wien: Die Risse werden tiefer

Der Karmelitermarkt in der Leopoldstadt: Hier soll eine Begegnungszone entstehen.
Der Karmelitermarkt in der Leopoldstadt: Hier soll eine Begegnungszone entstehen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Ursprünglich wollten Häupl und Vassilakou auch in allen Bezirken kooperieren, stattdessen gibt es neuen Streit. Aktueller Schauplatz: eine Begegnungszone im zweiten Bezirk.

Wien. Neues Jahr, neuer Ärger – zumindest zwischen Rot und Grün. Nach den massiven Konflikten der Rathauskoalition im Vorjahr, den völlig konträren Interpretationen des gemeinsam erarbeiteten Regierungsprogramms bereits Sekunden nach der Präsentation von Rot-Grün II (Stichwort: Lobautunnel), zieht sich der rot-grüne Riss im neuen Jahr immer weiter durch die Basis – also die Bezirke, die das Koalitionsabkommen im Alltag mit Leben erfüllen und in der Praxis umsetzen müssen.

„Sie wollten uns erpressen“, meint ein verärgerter Karlheinz Hora zur „Presse“. Damit bezieht sich der rote Bezirkschef der Leopoldstadt auf eine Abstimmung vor wenigen Tagen – als die Grünen sein Budget zu Fall bringen wollten und dagegen stimmten. „Womit dann die ganze Arbeit im Bezirk bis auf Weiteres blockiert gewesen wäre“, kritisiert Hora.

Wer zahlt Prestigeprojekt?

Auslöser des Disputes: das grüne Wahlkampfthema „Jeder Bezirk bekommt eine verkehrsberuhigte Begegnungszone“. Im zweiten Bezirk wählten die Grünen das Gebiet rund um den hippen Karmelitermarkt – ein urbanes Gebiet mit einer jungen, grünaffinen Bevölkerungsschicht. Dazu meint Hora: „Ich hab kein Problem mit einer Begegnungszone. Meine Bedingung war allerdings, dass wir denselben Finanzschlüssel bekommen wie der 6. und 7. Bezirk bei der Begegnungszone auf der Mariahilfer Straße – dass 90 Prozent der Kosten die Stadt trägt.“ Nachsatz: „Das wollten die Grünen aber nicht und haben gedroht, gegen das Budget zu stimmen.“

Dazu Wolfgang Kamptner, Grün-Klubobmann in der Leopoldstadt: „Ich habe mich (im Stadtplanungsressort von Maria Vassilakou, Anm.) erkundigt.“ Dort sei erklärt worden, dass die Stadt nicht 90 Prozent der neuen Begegnungszone bezahlen könne, „sondern maximal 40 Prozent“, so Kamptner. Die Mariahilfer Straße sei eine Ausnahme gewesen, weil es dort eine Fußgängerzone gegeben habe.

Der SPÖ war die Begegnungszone damit zu teuer, die Grünen kündigten an, gegen das Budget zu stimmen, falls die SPÖ das Geld nicht doch noch lockermacht. Hora: „Aber ich lasse mich nicht erpressen. Und es kann nicht sein, dass der Bezirk auf den Kosten sitzen bleibt, weil es vom Gutdünken (von Stadträtin Vassilakou, Anm.) abhängt, weil unterschieden wird, ob ich ein angenehmer oder unangenehmer Bezirksvorsteher bin“, so der Bezirkschef, der dafür bekannt ist, Konflikten mit dem grünen Planungsressort nicht aus dem Weg zu gehen.

Streitpunkt Verkehr

Ohne Begegnungszone stimmten die Grünen gegen Hora, dieser konnte sein Budget aber mithilfe der anderen Fraktionen durchbringen. Davor wollten die Grünen die insgesamt vier Fahrspuren der Praterstraße (eine zentrale Hauptverkehrsachse zwischen Praterstern und Ring) halbieren – für einen breiteren Radweg. Das wurde von der SPÖ empört abgedreht, was die rot-grüne Stimmung im Bezirk auch nicht besonders gehoben hat.

„Wir sind auf Bezirksebene eine Art Opposition. Aber es ist nicht schlimmer als woanders“, meint Kamptner. Wobei diese Aussage bemerkenswert ist – hatten doch Bürgermeister Michael Häupl und Grün-Chefin Maria Vassilakou bereits 2010 unisono gemeint: Auf Bezirksebene sind Koalitionen nicht vorgesehen, man werde aber in den Bezirken wie auf Landesebene kooperieren.

Kurz vor dem rot-grünen Konflikt in der Leopoldstadt gerieten SPÖ und Grüne auch im 22. Bezirk aneinander. Die Grünen stimmten gegen die Wiederwahl des roten Bezirkschefs Ernst Nevrivy. „Wahrscheinlich wegen meiner klaren Positionierung bei der Verkehrsfrage“, so Nevrivy, der verbissen für den Bau des Lobautunnels kämpft, den die Grünen verhindern wollen.

Begonnen hatte der rot-grüne Riss, der nun durch die Bezirke wandert, nach der Wien-Wahl in Rudolfsheim-Fünfhaus. Dort hat der rote Bezirkschef die Grünen nach fünf Jahren Zusammenarbeit vor die Tür gesetzt. Und das so begründet: Mit den Grünen sei eine faire Zusammenarbeit nicht mehr möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.