Wiens ÖVP: Frauenpartei wider Willen

Hietzing-Bezirksvorsteherin Silke Kobald holte die meisten Vorzugsstimmen und auf Bezirksebene das beste Ergebnis für die ÖVP.
Hietzing-Bezirksvorsteherin Silke Kobald holte die meisten Vorzugsstimmen und auf Bezirksebene das beste Ergebnis für die ÖVP.Die Presse
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Mehr als die Hälfte der Wiener ÖVP-Gemeinderäte ist weiblich – die Frauen waren bei der Wahl durchaus erfolgreich. Viel mitzureden haben sie aber trotzdem nicht – noch nicht.

Wien ist anders – und die ÖVP-Stadtpartei unterscheidet sich vor allem in einem Punkt deutlich von ihrer Partei in anderen Bundesländern: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten sind Frauen – nämlich vier von sieben. Zum Vergleich: In der ÖVP-geführten Regierung in Oberösterreich ist keine einzige Frau vertreten.

Die Situation in Wien ist aber nicht unbedingt der Fortschrittlichkeit der Partei, sondern mehr der Hartnäckigkeit der Frauen geschuldet. Zwei der Damen – Gudrun Kugler und Ingrid Korosec – durften diese Plätze nur einnehmen, weil sie durch ihren guten Vorzugsstimmenwahlkampf bei der Gemeinderatswahl im Oktober nach vorn gereiht wurden.

Jünger und moderner solle die Partei werden, wurde vom Bund verordnet. Darum verfrachtete der damalige ÖVP-Chef, Manfred Juraczka, die ehemalige ÖVP-Generalsekretärin, Nationalratsabgeordnete und seit Kurzem Chefin des Seniorenbundes, Ingrid Korosec, auf Platz elf; sehr zu ihrem Ärger. Im Wahlkampf schaffte sie es aber, Wähler zu mobilisieren und 2379 Vorzugsstimmen zu ergattern. Was für Korosec zuerst ein Affront war, stellte sich später als Glücksfall heraus: Denn hätte Juraczka sie unter die ersten zehn gereiht, hätte sie mit mehr als der Hälfte der Stimmen des Parteivorstandes bestätigt werden müssen, um antreten zu dürfen. Ob sie das geschafft hätte, ist fraglich.

Auch Gudrun Kugler, die dem konservativ-katholischen Lager zuzurechnen ist, war ursprünglich nur auf Platz 13 gereiht – mit 2276 Stimmen rutschte aber auch sie nach vorn. Caroline Hungerländer und Wolfgang Kieslich schafften dadurch den Einzug in den Gemeinderat nicht. Neben Kugler und Korosec gibt es zwei weitere Wahlgewinnerinnen in der ÖVP, die mit 9,24 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr. Die beiden Bezirksvorsteherinnen aus Hietzing und der Josefstadt konnten aber sehr gute Wahlergebnisse erzielen. Veronika Mickel holte in der Josefstadt 30,5 Prozent (+3,05 Prozent) auf Bezirksebene und auf Gemeinderatsebene 14,62 Prozent. Silke Kobald schaffte in Hietzing 39,25 Prozent (+2,84 Prozent) und 20,25 Prozent auf Gemeindeebene. Sie ist dazu absolute Vorzugsstimmenkaiserin (3198).

Während die Frauen in den Bezirken ihre Macht ausbauen konnten, verbuchten die männlichen Kollegen Verluste. Bezirksvorsteher Adi Tiller verlor in Döbling 3,85 Prozentpunkte (32,53 Prozent), Währing wechselte die Farbe von Schwarz auf Grün – und in der Inneren Stadt holte Markus Figl nach dem Abgang von Ursula Stenzel gerade noch den Sieg mit 25,68 Prozent. Die ÖVP verlor 12,27 Prozentpunkte.

Überall dort, wo über die Persönlichkeit abgestimmt wurde, gingen die Frauen als große Siegerinnen hervor. Obwohl die Partei also sehr erfolgreiche Kandidatinnen hatte, wurden die Topjobs nach der Wahl wieder an Männer vergeben. Noch am Wahlsonntag wurde Gernot Blümel auf Betreiben von Sebastian Kurz zu Juraczkas Nachfolger auserkoren – ohne das abzustimmen. Vor allem Mickel soll Unmut geäußert haben, eine derartige Entscheidung aus der Zeitung zu erfahren – sie gilt als Chefin des Frauennetzwerks intern als mächtigste Frau.

Ständiger Kampf. Als neuer Landesgeschäftsführer wurde Markus Wölbitsch bestellt. Die Frauen kamen wieder nicht zum Zug. Und als dann Juraczka auch noch – wieder auf Vorschlag von Kurz – zum Klubchef werden sollte, platzte ihnen der Kragen. Mickel forderte vehement ein, dass sich der Wahlerfolg der Frauen auch in der Personalpolitik widerspiegeln müsse. Und so wurde ein Kompromiss gefunden. Juraczka übergibt nach der Hälfte der Legislaturperiode an die Neo-Gemeinderätin Elisabeth Olischar. Die 27-Jährige ist gleichermaßen der Jungen ÖVP wie dem Frauennetzwerk zuzurechnen – sie als Klubobfrau durchzubringen war auch insofern keine Schwierigkeit, weil ihr nachgesagt wird, die besondere Förderung von Kurz zu genießen.

Die Wiener ÖVP-Frauen haben nun also Aufwind und wollen diesen nutzen. Die erste Forderung: Das sogenannte Reißverschlusssystem soll in den Parteistatuten festgeschrieben werden, die nun überarbeitet werden. Künftig solle sich auf jeder Wahlliste abwechselnd ein Mann und eine Frau finden. „In der Josefstadt ist das schon lange gelebte Praxis“, sagt Mickel zur „Presse am Sonntag“. Auch in Hietzing gibt es dieses System schon lange. Kobald, auch Stellvertreterin des Wiener Frauennetzwerkes, möchte junge Frauen noch mehr ermutigen, in die Politik zu gehen. „Es sind gerade Frauen, die zweifeln, ob sie dem Job des Politikers gewachsen sind – ob sie Familie und den zeitaufwendigen Job unter einen Hut bekommen“, sagt Kobald. Das bedürfe vieler Unterstützung. Sie selbst komme aus einer Generation, die gelernt habe, dass man sich als Frau viel erkämpfen müsse – oft hartnäckiger sein müsse als die Kollegen. Das sei auch heute oft noch so, das müsse man jungen Kolleginnen immer wieder bewusst machen, sonst gingen diese Errungenschaften wieder verloren.

Mit den Entwicklungen in der ÖVP in Wien sind Kobald und Mickel zufrieden, räumen aber ein: Sowohl in der Stadt wie aber auch vor allem im Bund und in den Bundesländern ist noch Luft nach oben, was Frauen in Toppositionen betrifft. Am 26. Jänner wird wieder ein Führungsposten in der ÖVP vergeben. Die ÖVP-Bezirksvorsteher wählen ihren Chef. Silke Kobald will sich diesen Titel mit Unterstützung von Veronika Mickel holen.

Wiener ÖVP

Gemeinderat. Von sieben Gemeinderäten der ÖVP sind vier weiblich: Elisabeth Olischar, Sabine Schwarz, Ingrid Korosec und Gudrun Kugler. Im Gemeinderat sitzen noch drei Männer: Manfred Juraczka, Fritz Aichinger und Wolfgang Ulm. Gernot Blümel ist nicht amtsführender Stadtrat.

Bezirke. Vier von 23 Bezirken haben einen ÖVP-Bezirksvorsteher. Währing ging nach der Wahl an die Grünen. Hietzing und Josefstadt werden von Silke Kobald und Veronika Mickel regiert, Döbling und die Innere Stadt von Adi Tiller und Markus Figl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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