Wien: Die Drogenszene entlang der U-Bahn

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THEMENBILD: DROGEN / SUCHTMITTEL(c) APA (Helmut Fohringer)
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Am Brunnenmarkt wird neben Obst und Gemüse jetzt auch massiv mit Rauschgift gehandelt. Entlang der U6 hat sich eine Drogenszene entwickelt.

Wien. Bezirksvorsteher Franz Prokop (SPÖ) möchte mit seinem Bezirk nicht wieder dort hinkommen, wo er schon einmal war. Ottakring galt lange Zeit als schlechtes Pflaster, als Bezirk der Arbeiter und sozial Schwachen mit vielen Problemen. „Es hat mich viel Arbeit und Zeit gekostet, dieses Image aufzupolieren, und das lasse ich mir nicht nehmen“, sagt Prokop zur „Presse“.

Ihm blute das Herz, wenn er sehe, was mit dem Brunnenmarkt geschehe, der sich in den vergangenen Jahren als urbanes Zentrum des Bezirks etabliert hat. Dort, wo tagsüber Obst und Gemüse verkauft werden, wird nun nach Einbruch der Dunkelheit mit Drogen gehandelt. Beinahe hinter jedem zweiten Stand sowie rund um den Yppenplatz waren beim „Presse“-Lokalaugenschein Dealer, die ihre Waren darboten.

„Wir haben das Problem seit einigen Monaten, und es wird massiver“, sagt Prokop. Der achte und der 16. Bezirk hätten gemeinsam Sozialarbeiter aufgestockt – mit der Polizei gebe es eine intensive Zusammenarbeit. Die Krux mit den Polizeieinsätzen rund um den schon länger bekannten Drogen-Hotspot an der U6-Station Josefstädter Straße ist aber, dass sie wohl auch Teil des Problems am Brunnenmarkt sind. Nach einigen groß angelegten Razzien im vergangenen Jahr begannen sich die Dealer von hier in das unübersichtlichere Wohngebiet einige hundert Meter weiter zurückzuziehen, wo sie weniger leicht zu fassen sind.

Dass es jetzt fühlbar mehr Dealer als vorher gibt, hat für Prokop auch etwas mit einem neuen Gesetz zu tun, das es schwerer macht, Dealer vor Gericht zu bringen. Um Gewerbsmäßigkeit nachweisen zu können, reicht es nun nicht mehr, sie nur ein Mal beim Handel zu erwischen. Prokop fordert eine sofortige Reparatur.

100 Mann täglich im Einsatz

Aber nicht nur der Brunnenmarkt hat sich als relativ neuer Drogen-Hotspot etabliert – entlang der Linie U6 hat sich in den vergangenen Jahren eine regelrechte Szene angesiedelt. Den Beginn machte die Gumpendorfer Straße, als die Suchthilfe Jedmayer 2012 gegenüber ihre neue Beratungsstelle eröffnete. Diese zog Suchtkranke und auch jene an, die diese versorgten.

Momentan erlebt auch die U6-Station Jägerstraße einen massiven Wandel – rund um den Hannovermarkt blüht der Suchtgifthandel – nur wenige Straßenbahnstationen von dort entfernt hat sich dann auch noch der Praterstern zum sozialen Brennpunkt entwickelt.

Die Stadt Wien setzt verstärkt auf Sozialarbeiter – die Polizei hat Sondereinheiten aufgestockt. Täglich sind rund 100 Zivilpolizisten an diesen Orten unterwegs. Die Bilanz allein dieser Einheiten seit Mitte 2015: Es gab laut Polizei 1568 Festnahmen wegen Verdachts auf Suchtmittelhandel – und 1494 Anzeigen. Es wurden 2,3 Kilo Heroin sichergestellt – das sind 16.000 Rationen. 1,5 Kilo Kokain (8000 Portionen) wurden gefunden und 11,5 Kilo Marihuana (11.500 Portionen). „Meistens kommen die Dealer aus Marokko oder Algerien“, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger zur „Presse“. Die „gute“ Nachricht: Der Suchtgifthandel entwickle sich von harten Drogen wie Heroin oder Kokain hin zum weniger gefährlichen Marihuana.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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