Das Kindergartennetzwerk, das unter Verdacht steht, Förderungen erschlichen zu haben, wird nun genau unter die Lupe genommen.
Die Affäre um mutmaßliche Betrügereien im Zusammenhang mit Fördergeldern spitzt sich weiter zu: Nach einer am 22. Dezember durchgeführten Hausdurchsuchung an drei Adressen in Wien-Brigittenau werden derzeit die beschlagnahmten Unterlagen ausgewertet. Nicht weniger als 71 Beamte (mehrere Polizeieinheiten waren vertreten) haben 42 Kartons mit ungefähr 500 Ordnern mitgenommen – dazu elf Computer.
Jüngst wurde ein gerichtlich beeideter Sachverständiger bestellt, der den Fall rund um den 31-jährigen Hauptverdächtigen, Abdullah P., durchleuchten soll. Die Wahl von Staatsanwältin Gudrun Ertl fiel dabei auf den Wirtschaftsprüfer Gerhard Altenberger. Dieser soll nun „binnen 16 Wochen“ ein Gutachten erstellen. Zentrale Frage laut dem der „Presse“ vorliegenden Bestellungspapier: „Wurden Fördermittel ohne Vorliegen der Voraussetzungen durch Betrugshandlungen der Beschuldigten erlangt bzw. zweckwidrig verwendet?“
Schaden „in Millionenhöhe“
Der Verdacht gegen das Kindergartennetzwerk bzw. dessen Mastermind P. und andere Beschuldigte: Unter Vorlage gefälschter Gemeinnützigkeitsbestätigungen sollen Fördergelder bezogen und missbräuchlich verwendet worden sein.
Der Schaden soll sich „in Millionenhöhe“ bewegen. Allein der von P. in der Brigittenau betriebene Kindergarten, Kibiz, wurde von Mai 2013 bis Mai 2015 mit einer Vollförderung von 1,8 Millionen Euro für acht Gruppen bedacht.
In dem Bestellpapier schreibt die Anklagebehörde auch: „Überdies besteht der Verdacht, dass Abdullah P. seit Anfang 2013 mit betrügerischer Tendenz mit Personen, die sich für die Gründung von Kindergruppen und Kinderbetreuungsstätten in Wien interessierten, Verträge abgeschlossen hat, aufgrund derer er für diverse Dienstleistungen im Zuge der Gründung eines Kindergartens bis zu 40.000 Euro erhielt, obwohl diese Leistungen nicht bzw. nicht im gesamten Umfang erbracht wurden.“ Insofern wird P. und anderen Verdächtigen gewerbsmäßiger Betrug und Förderungsmissbrauch vorgeworfen. „Presse“-Recherchen ergaben, dass das derzeitige Wiener Förderwesen durchaus anfällig für Betrugshandlungen ist. Zwar kommt nun endlich Bewegung in die justizielle Aufarbeitung der Affäre, jedoch fällt auf, dass zwischen Mai 2015 – damals wurde der Fall per Sachverhaltsdarstellung der MA 10, Wiener Kindergärten, an die Staatsanwaltschaft herangetragen – und dem Datum der Hausdurchsuchung sieben Monate vergangen sind. Hinsichtlich dieser Dauer äußerten auch schon die Verteidiger, etwa der Wiener Anwalt Philipp Wolm, Kritik an der „verzögerten Aufklärung“ des Falles.
„Kontrolle hat völlig versagt“
Auch die Wiener ÖVP übt angesichts der neuen Erkenntnisse massive Kritik an der Stadt. „Es wird täglich offensichtlicher, dass die Kontrollmechanismen völlig inexistent sind und Missbrauch in Wien Tür und Tor geöffnet wurde“, so Landesparteiobmann Gernot Blümel. Statt zu beschwichtigen müsse „endlich aufgeräumt“ werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)