Tradition: Der ungeliebte Wiener Fasching

(c) APA
  • Drucken

Im großen Schatten der Wiener Bälle hat sich der echte Fasching in Wien nie wirklich etablieren können. Umzüge gibt es, wenn überhaupt, nur am Stadtrand. Heuer soll sich das ändern.

Wien. Wenn er jemals so etwas wie eine Blütezeit erlebt hat in der Großstadt, dann war sie in den 1980ern, als er an prominenter Stelle – auf dem Ring mit einem Umzug und im Beisein von Bürgermeister Helmut Zilk – ausgetragen wurde: der Fasching in Wien.

Genauer gesagt: der andere Fasching. Denn was die Wiener unter dem Begriff „Fasching“ verstehen, ist alles andere als deckungsgleich mit dem, was die Österreicher in den anderen Bundesländern gemeinhin mit Faschingstradition meinen. Da, in Wien, wird der Fasching – mit Ausnahme der obligatorischen Kinderkostümierungen – im Grund mit der Wiener Balltradition gleichgesetzt.

Dort, im Rest des Landes, heißt Fasching: aufwendige Kostümierungen, Gilden, die bei ihren sogenannten Sitzfasching-Veranstaltungen (man denke an den großen Villacher) das aktuelle Geschehen und Prominente aufs Korn nehmen und parodieren. Aber vor allem auch Umzüge, zu denen selbst in kleineren Städten wie Mödling schon 60.000 Zuseher (und die verkleidet!) kommen. Aber auch in größeren Städten wie Graz ist die Tradition des Faschingsumzug durch die Innenstadt nicht wegzudenken.

In Wien ist der Fasching seit dem Ende des Umzugs am Ring (den die Wirtschaftskammer nicht mehr weiter sponsern wollte) in die Randbezirke gedrängt worden, wo er auf überschaubares Interesse stößt – und mit etwa 25.000 Euro an Kosten für die Gilden trotzdem nur noch schwer leistbar ist. „Wenn da zwanzig Autos beim Umzug mitfahren und 400 Besucher kommen, ist das für eine Stadt wie Wien eigentlich sehr mager“, bilanziert daher auch Peter Binder, Präsident der Jedlersdorfer Faschingsgilde, eine der sieben Wiener Faschingsgilden (zum Vergleich: Niederösterreich hat 39).

Oder wie es Alfred Kamleitner formuliert, stellvertretender Präsident im Bund der Österreichischen Faschingsgilden (BÖP) und Landespräsident in Niederösterreich: „Der Straßenfasching ist in Wien eine aussterbende Art.“
Wobei das heurige Jahr eine Ausnahme darstellt, da Wien ausnahmsweise einen großen Umzug an einem prominenten Ort bekommt, bei dem mehr als 54 Gilden aus allen Bundesländern und Deutschland teilnehmen. Am Samstag wird der Umzug mit 1200 Teilnehmern (und erhofften zehntausenden Besuchern) durch den Prater ziehen (siehe Infobox).

Zu verdanken hat man das allerdings weniger der akut ausgebrochenen Lust der Wiener an Verkleidungen (vielmehr scheint diese durch das Herrichten für die Bälle gestillt) als dem 250-Jahr-Jubiläum des Wiener Praters, der mit der Idee eines Umzugs an die Gilden herangetreten ist. „Für uns ist das natürlich toll“, sagt Kamleitner. Kosten und Logistik übernimmt der Prater, einzig die Einladung der Gilden habe man organisiert. Sollten sich die Wiener, wie Binder von der Jedlersdorfer Gilde hofft, heute ein wenig mit dem Phänomen Faschingsumzug anfreunden, könnte das der Beginn einen neuen Tradition sein: ein Faschingsumzug im Prater. Die Voraussetzungen – zentrale Lage, kein Verkehr, daher auch keine teuren Straßensperren – seien ideal.

Nach Exzessen verboten

Ob sich Wien tatsächlich mit einem großen Umzug anfreunden kann, wird sich weisen. Versuche, die jahrhundertealte Tradition der kostümierten Straßenfeste in der Stadt wiederzubeleben, hat es immer wieder gegeben, zumeist erfolglos. Bis ins 17. Jahrhundert waren Maskeraden auf den Straßen üblich, ehe sie aus Sicherheitsgründen und wegen diverser Exzesse untersagt wurden. Parallel zum Faschingstreiben auf den Straßen etablierten sich die Bälle als Zentren der Faschingskultur, die sie bis heute geblieben sind. Aus Wiener Sicht ist der Fasching mit dem Opernball als Höhepunkt bereits vorbei. Für den Rest Österreichs geht es an diesem Wochenende bis Faschingsdienstag erst richtig los.

Fasching in Wien

Am Samstag findet im Prater der 23. Wiener Faschingsumzug statt. Start ist um 14.11 Uhr (wegen der Narrenzahl 11) bei Kolariks Luftburg. Der Konvoi, für den mehr als 54 Gilden mit über 1200 Teilnehmern angemeldet sind, zieht über die Straße des Ersten Mai zum Riesenradplatz. Eine Jury kürt die besten Kostümierungen. Besucher sind eingeladen, verkleidet zu kommen, für Kinder gibt es eine Schminkstation, bei Einbruch der Dunkelheit ein Feuerwerk. Im Praterdome gibt es ab 14 Uhr eine Kinderdisco. Weitere Infos unter: www.prater.at

Und sonst? Im U4 wird am Samstag, (auch) im Faschingskostüm getanzt. Dresscode: 1990er. www.u-4.at

Am Sonntag laden die Kinderfreunde zum Familienfasching ins Rathaus (ab 13.15 Uhr) mit Kinderdisco, Kasperl, Luftburg und Musik. Eintritt: 5,90 € für Erwachsene, das erste Kind zahlt 4,50 €, jedes weiter 3,10 €. www.kinderfreunde.at

Am Faschingdienstag begeht der Volksgarten zum dritten Mal sein „großes Faschingsfest“. Wer verkleidet kommt, zahlt acht (statt 13 ) Euro Eintritt.
www.volksgarten.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.