Neue Agentur: Wiens Kampf gegen leere Immobilien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach fünf Jahren Vorlaufszeit hat die Stadt Wien nun endlich eine eigene Agentur für die Nutzung leer stehender Häuser und Geschäftslokale ins Leben gerufen.

Wien. Es war schon 2010 eine der von den Kreativen in Wien groß erwartete Ankündigung: Im Koalitionspapier vereinbarte Rot-Grün das Schaffen einer Leerstandsagentur. Eines Ortes, wo Kreative und Immobilienbesitzer für Zwischen- und Nachnutzung zusammengebracht werden. Jetzt, mehr als fünf Jahre später, ist es endlich so weit. Die Stadt Wien präsentiert die Betreiber der neuen Serviceagentur „Kreative Räume“: Ula Schneider und Sonja Schön vom Kulturfestival Soho in Ottakring sowie das Architektentrio Theresia Kohlmayr, Jonathan Lutter und Christian Knapp. Zur Unterstützung gibt es eine Anwaltskanzlei und ein PR-Team.

Die Kreativen sind in der Stadt keine Unbekannten. Ula Schneider und Sonja Schön sind mit Soho Ottakring bestens in der Kreativszene in Wien vernetzt und haben selbst schon einige Zwischennutzungsprojekte (etwa im ehemaligen Etablissement Gschwandner oder einer Kugelschreiberfabrik) umgesetzt. Kohlmayr, Lutter, Knapp sind die Köpfe hinter Urbanauts, einem Hotelprojekt, das seine Zimmer in Gassenlokalen in der ganzen Stadt ansiedelt („Die Presse“ berichtete).

Die Leerstandsagentur, die von der Stadt vorerst auf drei Jahre befristet ist, wird in den nächsten Monaten jetzt einmal „Aufklärungsarbeit leisten“, sagt Christian Knapp. Gespräche in der Stadt Wien selbst, mit Immobilienbesitzern und mit Kreativen seien angesagt – und ziemlich viel Recherchearbeit. „Es gib noch vieles zu klären: Versicherungen, Gewerberechtliches, auch Nutzungsverträge. Deswegen haben wir auch eine Anwaltskanzlei, die echt in die Tiefe gehen kann“, sagt Knapp.

Vorurteile gegen Vorurteile

Tatsächlich soll die Leerstandsagentur zusammenbringen, was zusammenpasst, aber noch immer nicht so richtig zusammen will. „Es gibt auf beiden Seiten Berührungsängste“, sagt Knapp. So hätten Kreative Angst, plötzlich ihre Bleibe verlassen zu müssen, und Immobilienbesitzer, dass die Kreativen ihre Objekte nicht mehr räumen. Derzeit macht etwa die Geschichte eines Ottakringer Künstlerkollektivs die Runde, das sein Haus nicht mehr hergeben will.

Dabei wäre grundsätzlich das Interesse groß. Sieben bis zehn Anfragen pro Woche, in denen sich Kreative nach Platz erkundigen, hat Jutta Kleedorfer von der MA18 derzeit. „Die Nachfrage steigt ständig“, sagt die Beauftragte für Zwischennutzung im Rathaus. Kleedorfer ist es auch, die seit Jahren das Thema in der Stadt – oft als einsame Kämpferin – vorangetrieben hat. Ihr Know-how soll in Zukunft auch in die Leerstandsagentur einfließen. Ebenso wird es eine Zusammenarbeit mit der Agentur Nest geben, die – im Gegensatz zur Leerstandsagentur – kommerziell Hausbesitzer und Kreative zusammenbringt.

Wobei sich das Interesse der Leerstandsagentur freilich nicht nur auf Gassenlokale bezieht, sondern auf jede Art von freiem Raum in der Stadt, von leer stehenden Häusern bis zu ganzen Stadtentwicklungsgebieten wie dem Nordbahnhof. Denn nicht nur Kreative sollen vom Arbeitsraum profitieren, meist nehmen auch die Immobilienbesitzer eine gehörige Portion an Prestige für ihre Objekte mit. „Adresse machen“, heißt das im Fachjargon. „Es hat sich in der Immobilienbranche ziemlich herumgesprochen, dass das eine Marke ist, die das Image des Viertels verändert“, sagt Ula Schneider über ihr Projekt Soho in Ottakring. Sie kann sich vorstellen, mit der Agentur den Stadtrand ins Visier zu nehmen. „Ich finde, dass die Außenbezirke Potenzial haben.“ Die seien in Wien in den Köpfen oft „weit weg, aber tatsächlich gut erreichbar“.

Warum es dann so lang gedauert hat, die Agentur umzusetzen: Erstens lag es an der gründlichen Vorbereitung, heißt es aus dem Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) und auch daran, dass drei Ressorts in der Stadt (Stadtplanung, Wirtschaft und Kultur) beteiligt gewesen seien. „Das ist immer schwierig“, so eine Sprecherin. Und dann hätte man die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Agentur selbst erst klären müssen. Das sei nun passiert. Ein fixer Standort für die Agentur soll im Mai gefunden sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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