Fall Aslan G.: Mutmaßlicher Sechsfachmörder gegen Kaution frei

Der mutmaßliche russische Mafiapate befindet sich gegen eine Kaution von 100.000 Euro auf freiem Fuß.

Es ist eine Wende im Fall Aslan G.: Der mutmaßliche Sechsfachmörder, der auf Betreiben der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft an Russland ausgeliefert werden soll, befindet sich seit heute, Dienstag, auf freiem Fuß. Er musste vom Straflandesgericht gegen Hinterlegung einer Kaution von 100.000 Euro enthaftet werden. Das teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn der APA mit.

Aslan G. hatte sich zuletzt nur mehr in Übergabehaft befunden, weil die bulgarischen Behörden ihn wegen eines Urkundendelikts - der 45-Jährige hatte in Bulgarien einen gefälschten Pass verwendet - zur Verantwortung ziehen möchten. Die zeitlich begrenzte Auslieferungshaft hinsichtlich des russischen Ersuchens war bereits am 19. Jänner abgelaufen. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) leistete nun einer Beschwerde der Wiener Rechtsvertreter des angeblichen Schwerkriminellen Folge. In Bezug auf den falschen Ausweis ist für das OLG im Unterschied zur Ansicht des Erstgerichts von keiner Tatbegehungsgefahr mehr auszugehen. Der verbliebene Haftgrund der Fluchtgefahr konnte nach Dafürhalten des OLG durch die Kaution subsumiert werden. "Das Geld ist heute am Konto des OLG eingelangt. Der zuständige Richter hat daraufhin gegen Gelöbnis die Enthaftung verfügt", gab Salzborn bekannt.

Menschen mit Kalaschnikov beseitigt?

Der 45-Jährige war im Jänner 2015 im Zuge einer Zielfahndung am Wiener Hauptbahnhof festgenommen worden. Die russischen Behörden wollen ihm den Prozess machen, weil er ihrer Darstellung zufolge als Chef einer kriminellen Vereinigung zwischen November 2012 und
Oktober 2013 sechs Menschen von Mitgliedern seiner Bande mit Kalaschnikow-Sturmgewehren bzw. Maschinenpistolen beseitigen ließ. Bei zwei weiteren, angeblich von Aslan G. in Auftrag gegebenen und
im Dezember 2012 und Juni 2013 verübten Anschlägen kamen die drei ins Visier geratenen Personen mit dem Leben davon. Der auf organisierte Kriminalität spezialisierten Mafia-Bande werden abgesehen davon die Morde am nordossetischen Vizepremier Kasbek Pagijew und am Bürgermeister der Hauptstadt Wladikawkas, Witali
Karajew, aus dem Jahr 2008 zur Last gelegt.

Der angebliche Pate bestreitet allerdings vehement, je an der Spitze einer mafiösen Vereinigung gestanden und Mordaufträge verteilt zu haben. Er bezeichnet sich als Opfer einer zufälligen Namensgleichheit und versichert, die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen wären politisch motiviert und von maßgeblichen Stellen in Moskau gesteuert.

Auslieferung liegt auf Eis

Das russische Auslieferungsersuchen, das nach mehreren Anläufen von der Wiener Justiz zunächst genehmigt worden war, wurde vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) Ende 2015 vorerst auf Eis gelegt. Einerseits war dafür eine Gesetzesänderung in Russland ausschlaggebend, derzufolge Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur mehr dann innerstaatlich
wirksam sind, wenn sie der russischen Rechtslage entsprechen. Kritiker interpretieren diese in Verfassungsrang erlassene Bestimmung als De-Facto-Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Zudem wurde bekannt, dass sich Russland in einer im August 2015 über die Bühne gegangenen Auslieferung offenbar nicht an die damals abgegebenen Garantien hält.

Die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft hatte den österreichischen Justizbehörden unter anderem versprochen, dass der Betreffende nach seiner Überstellung jederzeit ohne Voranmeldung von einem anwaltlichen Vertreter Besuch empfangen darf und in einem westeuropäischen Standards entsprechenden Gefängnis untergebracht wird. Nach Informationen der Gefangenenhilfe "Pokrov" sollen sich die russischen Strafverfolgungsbehörden daran nicht gebunden fühlen.

Hinsichtlich des von Bulgarien betriebenen Übergabeverfahrens erklärte das Wiener Straflandesgericht die Übergabe zum Zwecke der Strafverfolgung wegen des Urkundendelikts am 27. Jänner 2016 für zulässig. Dagegen legten die Anwälte von Aslan G. allerdings Beschwerde ein, die beim OLG anhängig ist. Denselben falschen Ausweis hatte Aslan G. übrigens auch in Österreich benutzt, wo er vor 13 Monaten festgenommen wurde. Im Unterschied zu Bulgarien sah
die heimische Justiz keinen Grund, ihm deswegen einen Prozess zu machen - die Staatsanwaltschaft Wien legte die Anzeige, die Aslan G. selbst eingebracht hatte, wegen Geringfügigkeit des Vergehens zurück und stellte das Strafverfahren ein.

(APA)

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