Rot-grüne Verkehrspolitik: Wie autofeindlich ist Wien wirklich?

Symbolbild.
Symbolbild.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

In der Hauptstadt sind 685.570 Pkw gemeldet. Immer mehr Besitzer fühlen sich von der Stadtregierung bewusst benachteiligt. „Die Presse“ recherchierte Strukturdaten zum Thema Pkw-Verkehr in Wien.

Wien. In Teilen der Wiener Bevölkerung gärt es. Will die rot-grüne Koalitionsregierung mit ihrer Verkehrspolitik das Auto aus der Stadt drängen? Nein, sagen SPÖ und Grüne. Ja, sagt neben FPÖ und ÖVP vor allem die Automobilindustrie, ÖAMTC und Arbö orten zumindest starke Tendenzen in diese Richtung. Irgendwo dazwischen stehen, so scheint es, die Neos.

So in etwa waren die Grundpositionen eines bissigen, stets höflichen und letzten Endes erstaunlich ehrlichen Streitgespräches am Montagabend. Anwesend waren neben den Autofahrerklubs die Verkehrssprecher aller Gemeinderatsparteien sowie der Veranstalter selbst, der vom Fahrzeughandel getragene Verein „Mein Auto“.

Aber was sagen die Fakten? SPÖ und Grüne haben im gemeinsamen Programm schriftlich festgehalten, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs in den nächsten zehn Jahren auf unter 20 Prozent zu drücken. Dennoch wehrten sich die Verkehrssprecher der beiden Parteien, Siegi Lindenmayr und Rüdiger Maresch, gegen die Vorwürfe, sie würden Autofahrer bewusst benachteiligen. Vielmehr seien sie um den Ausgleich zwischen allen Verkehrsteilnehmern im engen Raum einer Stadt bemüht. Aber kann man Autofreundlich- oder -feindlichkeit überhaupt bewerten?

Auto wurde unbequemer

Der abgeschlagene Platz 65 in der Stau-Statistik der Weltstädte, so könnte man meinen, spricht eigentlich für gute Verhältnisse. Andererseits sieht es so aus, als ob seit dem Regierungseintritt der Grünen im Jahr 2010 der Besitz eines Autos immer unbequemer wird. In den fünf Jahren vorher, die SPÖ regierte noch allein, sank der Motorisierungsgrad der Wiener nur leicht, nämlich um 2,2 Prozent auf 394 Pkw pro 1000 Einwohner.

Mit den Grünen in der Stadtregierung verstärkte sich der Trend erheblich. In den folgenden fünf Jahren nämlich fiel der Wert gleich um 5,5 Prozent auf zuletzt 372,5 Pkw pro 1000 Einwohner. Zum Vergleich: Rechnet man die Wiener Zahlen aus jenen von ganz Österreich heraus, ergibt sich für alle anderen Bundesländer das genaue Gegenteil, nämlich ein Anstieg des Motorisierungsgrades seit 2010 um 4,9 Prozent auf 592 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner.

Im Streitgespräch sah es so aus, als ob das Match Lindenmayr & Maresch gegen den Rest lautete. Burkhard Ernst, Bundesobmann des Fahrzeughandels in der Wirtschaftskammer, warf der Stadtregierung vor, „Verkehrspolitik gegen und nicht im Sinne der Bevölkerung“ zu machen. Anton Mahdalik (FPÖ) meinte: „Ein Auto ist kein Fetisch, sondern für viele eine Notwendigkeit.“ Manfred Juraczka (ÖVP) forderte mehr Mitsprache der Bürger bei strategisch bedeutsamen Entscheidungen in der Verkehrspolitik ein und argumentierte mit einer repräsentativen Umfrage des ÖAMTC. Demnach wollen nur elf Prozent der Wiener den Gemeinderat allein über Verkehrsthemen entscheiden lassen. Der Rest wolle selbst gehört werden. Auch beim Thema Parkraum.

Ebender ist knapp. Und soll laut Regierung weiter verknappt und verteuert werden. Denn die Öffentlichkeit, so Maresch, sei nicht dazu verpflichtet, Autofahrern Parkraum zur Verfügung zu stellen. Damit waren die vermeintlich Schuldigen gefunden: Pendler von außerhalb der Stadt. „Wien ist kein Autoabstellplatz für Berufstätige aus Niederösterreich“, sagte Neos-Abgeordnete Bettina Emmerling. Sie will Pendler mit flächendeckenden Kurzparkzonen und einer Gratis-Abstellerlaubnis für Wiener aus der Stadt drängen.

Parker zahlen Rad und U-Bahn

Dabei kommen die jährlich 160 bis 170 Mio. Euro aus der Parkraumbewirtschaftung – auch seit dem Regierungseintritt der Grünen – längst nicht mehr jenen zugute, die sie bezahlen. Noch 2010 floss eine Hälfte in Maßnahmen zur Erleichterung des Kfz-Verkehrs, die andere Hälfte verteilte sich auf öffentliche Verkehrsmittel sowie Maßnahmen für Rad- und Fußgänger. Aktuell sind nur noch magere acht Prozent der Parkometerabgaben dem Kfz-Verkehr gewidmet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.