Ziesel: Baubeginn beim Heeresspital

Das europäische Ziesel: EU-weit streng geschützt.
Das europäische Ziesel: EU-weit streng geschützt.(c) C. Naumann/DPA Picture Alliance/picturedesk.com
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Mit Verspätung und unter Protest starten erste bauliche Maßnahmen auf dem Areal in Stammersdorf. Die ersten 130 Wohnungen sollen ab Herbst entstehen – sofern die Ziesel abwandern.

Wien. Die Schnecken sind schon weg. Ein Team aus Ziviltechnikern und Studenten der Boku hat vor wenigen Tagen sämtliche Schnecken – darunter die im Wiener Naturschutzgesetz geschützte Schnirkelschnecke – eingesammelt.

Die Rettung der Schnecken war eine (von vielen) Auflagen der MA 22 (Umweltschutz) an die Bauträger jenes großen Wohnbauvorhabens nördlich des Heeresspitals in Floridsdorf, das eigentlich wegen einer anderen Tierart über Wiens Grenzen hinaus als Symbol für den Konflikt zwischen großen Bauprojekten und Naturschutz bekannt wurde: der Ziesel.

Weil mehrere Bauträger – darunter Kabelwerk und Donau City Wohnbau – auf dem Areal am Marchfeldkanal 950 Wohnungen genau dort errichten wollen, wo es eine große Population der – streng geschützten – Ziesel gibt, verzögert sich der Start des Großprojekts nun seit mehr als drei Jahren. Allein dem Kabelwerk, schätzt Geschäftsführer Manfred Wasner, seien durch die Verzögerung zwei Millionen Euro an Kosten entstanden.

Nur kleine Baumaschinen

Vom Beginn der Bauarbeiten ist man zwar immer noch entfernt, trotzdem wird es nun ernst: Konkret werden erste „Maßnahmen zur Baufeldfreimachung“, wie es im Beamtendeutsch heißt, gesetzt: Im Laufe der nächsten Woche, wenn laut Zieselexpertin Ilse Hoffmann (Uni Wien) die letzten Nagetiere aus dem Winterschlaf erwacht sind, wird auf dem westlichen Teil des Areals die oberste Schicht, die Grasnarbe, abgetragen. „Das ist der erste Schritt“, sagt Ziviltechniker Thomas Knoll, der die ökologische Bauaufsicht über das Projekt hat, „um die Fläche als Lebensraum unbrauchbar zu machen.“

Nur etwa fünf bis sieben Zentimeter der Erdschicht werden abgetragen, damit die in unterirdischen Höhlen lebenden Tiere nicht gefährdet werden. „Sollten hier noch Tiere vorkommen, haben sie die Möglichkeit zur Flucht“, sagt Knoll. Viele Ziesel dürften in diesem westlichen Abschnitt laut Hoffmann nicht mehr leben. Um die Tiere – etwa durch die Vibrationen durch schwere Baumaschinen – nicht zu stören, dürfen für das Abtragen der Grasnarbe nur Kleinmaschinen unter sechs Tonnen auffahren – auch das eine Auflage der MA 22.

Danach ruht das Projekt vorerst – man will beobachten, ob und wie viele Ziesel auf diesem Teil des Areals leben, und ihnen Zeit zum Absiedeln geben – östlich des Baugrundes, auf der anderen Seite des Marchfeldkanals, haben die Bauträger eine etwa sechs Hektar große Ausgleichsfläche bereitgestellt, auf die die Tiere umsiedeln sollen (siehe Grafik). Seit 2013 wird versucht, die Tiere, etwa durch Futteranreize und eine Wiesenmischung, die Ziesel besonders mögen, zum Umzug zu bewegen. Bisher dürfte, sagt Hoffmann, etwa ein Zehntel der Population umgesiedelt sein. Vor dem Winterschlaf gab es auf dem Bauland etwa 270 bis 280 Ziesel. Da viele Jungtiere den Winterschlaf nicht überlebt haben dürften, dürfte die Population nun etwa 160 bis 230 Tiere ausmachen. (Zum Vergleich: Wienweit gibt es laut Umweltschutzabteilung rund 9500 Ziesel.)

Läuft alles nach Plan, soll Ende Juli der Oberboden abgetragen werden, die Abdeckung durch ein Bauvlies soll verhindern, dass die Ziesel zurückkehren. Im September könnten die Bauarbeiten für die ersten 130 Wohnungen beginnen – laut Auflage auch das nur in einem Abstand von mindestens 50 Metern zum nächsten Zieselloch.

Den Gegnern des Bauprojekts gehen die Auflagen der Stadt und die Maßnahmen der Bauträger zum Schutz der Tiere nicht weit genug. Sie fordern einen Stopp des Bauvorhabens. Erst am vergangenen Wochenende haben Gegner – neben der Bürgerinitiative IGL Marchfeld und dem Wiener Tierschutzverein setzt sich auch die FPÖ für die Ziesel ein – vor dem Baugrund protestiert. Die FPÖ will im nächsten Gemeinderat Anträge zum Thema Zieselschutz einbringen. (mpm)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)

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