Kaiser Franz Josephs neuer Bahnhof

Der Glaspalast über dem Bahnhof wurde verkauft.
Der Glaspalast über dem Bahnhof wurde verkauft.Clemens Fabry / Die Presse
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Weil 2017 die Bausperre am Althangrund fällt, ist das Rennen auf Immobilien eröffnet. Investoren entwickeln bereits Projekte für den Franz-Josefs-Bahnhof, der Bezirk will lieber Schulen und Gemeindebauten.

Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass mit einer groß angelegten Bürgerbeteiligung ein Leitbild für den Althangrund am Alsergrund erarbeitet wurde. Umgesetzt wurde auf dem Areal vom Franz-Josefs-Bahnhof bis Spittelau, das so groß wie die Shoppingcity Süd ist, bis dato wenig – jetzt kommt aber wieder Bewegung in die Sache, denn 2017 läuft die vom Wiener Gemeinderat verhängte Bausperre aus. Bezirk, aber auch private Investoren stehen schon in den Startlöchern, das Rennen auf Grundstücke und Immobilien ist eröffnet.

Und so konnte der in Polen, Deutschland und Österreich aktive Immobilienentwickler 6B47 den ehemaligen Glaspalast der Bank Austria samt Grund beim Franz-Josef-Bahnhof erstehen. Der Mietvertrag der Bank Austria läuft zwar noch bis 2020, an der Entwicklung des Gebiets wird aber schon gearbeitet. Ob es einen Abriss oder eine Umnutzung geben soll, das ist laut Vorstandsvorsitzendem Peter Ulm derzeit noch offen. Auf den derzeit rund 100.000 Quadratmetern ist jedenfalls eine Mischform aus Büro und Wohnen geplant. „Wobei wir aktuell mehr in Richtung Wohnen tendieren“, sagt Ulm.

Nur wenige hundert Meter weiter hat die 6B47 noch eine Immobilie auf den Althangründen erworben. Es handelt sich um das ehemalige Universitätszentrum Althanstraße 4 (UZA4), das bis Herbst 2013 von der Fakultät für Mathematik und der Wirtschaftsuniversität genutzt wurde. Die Planungen sind bereits fertig. Das Projekt nennt sich „Althan, noch dieses Jahr sollen 260Wohnungen für Singles und Familien sowie Lofts entstehen, bereits 2017 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein. Außerdem werden 600 Quadratmeter für die Initiative Erstwohnen der Obdachlosenhilfe Neunerhaus bereitgestellt. Das Gebäude aus den Achtzigern soll zwar nicht umgebaut werden – außen wie innen aber nichts mehr an früher erinnern. In die Erdgeschoßzonen soll ein Mix aus Geschäfts- und Gastronomieflächen kommen. Weil eben über das Gelände eine Bausperre verhängt wurde, ist ein Baustart nur möglich, wenn der Gemeinderat zustimmt.

Wunschkonzert. Alsergrund-Bezirksvorsteherin Martina Malyar (SPÖ) betrachtet die Entwicklung am Franz-Josefs-Bahnhof mit gemischten Gefühlen. Einerseits begrüße sie die Projekte, habe aber gleichzeitig Angst vor einem Ausverkauf von Flächen, denn auch sie hat viele Wünsche für ihren Bezirk: „Ich brauche dringend mehr günstigen Wohnraum – und das können frei finanzierte Wohnungen nicht leisten“, sagt sie. Darum wolle sie am liebsten Gemeindebauten und mit gemeinnützigen Bauträgern kooperieren.

Das dringendste Anliegen ist aber neuer Schulraum. Wie „Die Presse“ berichtete, werden vor allem die dicht verbauten Bezirke schon in wenigen Jahren deutlich mehr schulpflichtige Kinder haben. Laut Prognosen wird es im Alsergrund bis 2030 rund 30 Prozent mehr schulpflichtige Kinder geben als heute. „Ich brauche also dringend eine Volksschule, ich will aber auch ein wissenschaftliches Gymnasium, brauche Kindergarten und Krippenplätze“, sagt sie. Am liebsten wäre Malyar überhaupt ein Bildungsstandort dort, wo die alte WU derzeit noch steht. „Vom Kindergarten bis zum Doktorat – ich finde, das ist eine schöne Vorstellung“, sagt sie. Im Leitbild zum aktuellen Stadtenwicklungsplan sind eine Volksschule und ein Kindergarten vorgesehen.

Aber auch mit der Universität, die sich Malyar wünscht, schaut es gut aus, denn das ist auch der Wunsch der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), der die alte WU sowie das benachbarte Gebäude gehört. Die BIG verwaltet somit 90.000 Quadratmeter Fläche und verhandelt derzeit mit „eigentlich allen“ Universitäten über deren Zukunft. „In einer wachsenden Stadt wächst natürlich auch der Bedarf an Hochschulen“, sagt BIG-Sprecher Ernst Eichinger. Bis 2020 ist die alte WU aber voll ausgelastet und wird derzeit von der Technischen Universität und der Akademie der bildenden Künste als Ausweichquartier genutzt. Was mit dem Gebäude der Biologie passieren soll, ist noch unklar: Derzeit wird verhandelt, ob es eine Sanierung, einen Neubau oder überhaupt einen Standortwechsel geben wird. Die ÖBB ihrerseits lassen sich kaum in die Karten schauen – man führe intensive Gespräche mit unterschiedlichen Playern, heißt es. Den Personenverkehr will man jedenfalls beibehalten. Es gab Verhandlungen, ob der Bahnhof nicht zur Spittelau verlegt werden könnte – das wurde aber von den ÖBB abgelehnt. „Am Franz-Josefs-Bahnhof geht es nun einerseits schnell, andererseits mir viel zu langsam“, sagt Malyar.

Obwohl die Bausperre nächstes Jahr endet, sei die neue Flächenwidmung noch nicht einmal angegangen. Für Malyar ist aber genau diese ausschlaggebend, „wir können Flächen das Mascherl ,öffentlicher Zweck‘ geben – und das werden wir brauchen, damit uns nicht Investoren alles wegschnappen“, sagt sie. Zumindest die BIG bestätigt, ihre Flächen nicht veräußern zu wollen.

DAS AREAL

Leitbild. Auf dem Areal ist eine Mischnutzung vorgesehen, Wohnen vor allem im südlichen und mittleren Bereich. Der Universitätsstandort soll erhalten bleiben, weitere Bildungseinrichtungen sollen geschaffen werden.

Die Platte.Die meisten Gebäude stehen auf einer Platte, weil darunter die Schienen der ÖBB verlaufen. Die Platte ist mittlerweile marod, sie soll teilweise abgerissen werden. Auch die alte WU steht auf dieser Platte, Gutachten zur Sanierung liegen nun vor. „Eine Renovierung ist wirtschaftlich machbar“, heißt es vonseiten der BIG.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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