"Lebenslanger" wieder angeklagt: Suizid in Zelle

Archivbild: In Wien-Floridsdorf wurde der Angeklagte im März 2015 bei einem Schusswechsel mit der Polizei verletzt.
Archivbild: In Wien-Floridsdorf wurde der Angeklagte im März 2015 bei einem Schusswechsel mit der Polizei verletzt.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Der Gendarmen-Mörder Amyn Radwan Gindia wäre am kommenden Montag nach einer lebenslangen Freiheitsstrafe ein zweites Mal vor Gericht gestanden. Nun lag er tot in seiner Zelle.

Der Gendarmen-Mörder Amyn Radawan Gindia hat sich in seiner Zelle in der Justizanstalt Josefstadt in Wien das Leben genommen. Das bestätigte die Leiterin der Anstalt, Helene Pigl, der Austria Presseagentur. Der 48-Jährige hätte am kommenden Montag wegen einer Schießerei nach einem Einbruch erneut vor Gericht stehen sollen.

Der ehemalige "Lebenslange" war auf eigenen Wunsch in einem Einzelhaftraum untergebracht. "Er wurde von einem Psychologen betreut, es war keine Gefährdung zu erkennen", sagte Pigl. "Man kann so etwas leider nicht ausschließen, man muss die Privatsphäre der Häftlinge wahren." Die genaue Todesursache soll nun eine Obduktion klären. Laut einem Bericht des "Kurier" hat Gindia sich vergiftet.

Wie die "Kronen Zeitung" berichtet, gibt es einen Abschiedsbrief, in dem Gindia seine "Perspektivlosigkeit" beklagt. Der 48-Jährige war offenbar schwer krank. "Er hatte gesundheitliche Probleme. Bei der letzten Untersuchung dürfte etwas gefunden worden sein, was das Ganze noch verstärkt hat", sagt sein Verteidiger Rudolf Mayer. Für Mayer war die Erkrankung der "Hauptgrund" für den Suizid: "Daneben hatte er Zweifel an der Geschworenengerichtsbarkeit. Er hatte kein Vertrauen und hat befürchtet, dass die ihn als zweifachen Mörder einfach wegsperren". Bei seiner letzten Besprechung mit Gindia am vergangenen Dienstag habe er "eine gewisse Mutlosigkeit in Bezug auf den Ausgang des Prozesses" bemerkt.

Urteil "lebenslang" 1992

Gindia war im März 1992 von einem Wiener Schwurgericht wegen zweifachen Mordes zur Höchststrafe verurteilt worden. Er hatte 1987 einen türkischen Waffenschieber bei Hagenbrunn (Bezirk Korneuburg) in einen Hinterhalt gelockt und erschossen. 1989 tötete er in Maria Lanzendorf (Bezirk Wien-Umgebung) einen 33-jährigen Gendarmen mit zwei Kopfschüssen, der Gindia im Zuge einer Fahndung nach Einbrechern einer Personenkontrolle unterziehen wollte. Nachdem er über 24 Jahre in der Justizanstalt Krems-Stein abgesessen hatte, wurde Gindia im November 2014 bedingt entlassen.

Feuergefecht im Shoppingcenter

Drei Monate später lieferte sich der 48-Jährige nach einem gescheiterten Einbruch ein regelrechtes Feuergefecht mit der Polizei. Gemeinsam mit einem alten "Häf'n"-Spezi - der 54 Jahre alte Mann hat immerhin 38 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht - wollte Gindia am 23. Februar 2015 in eine in einem Shoppingcenter in Floridsdorf gelegene Apotheke eindringen. Der Anklageschrift zufolge waren die beiden Männer auf Potenzmittel und Suchtmittelpräparate aus. Sie wurden jedoch von Passanten beobachtet, als sie sich an der Rückseite des Gebäudes auffällig mit Einbruchswerkzeug zu schaffen machten. Die Zeugen verständigten die Polizei.

Als Uniformierte auf den Plan traten, ergab sich Gindias Komplize widerstandslos. Der gebürtige Libanese zog allerdings eine Glock 17, rief den Polizisten "Lasst mich gehen oder ich erschieß' euch!" zu und versuchte zu flüchten. Als ihn die Beamten verfolgten, drehte sich Gindia im Davonlaufen mehrfach um, richtete seine Waffe auf die Einsatzkräfte und gab schließlich mehrere Schüsse ab, wobei es ihm - wie Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler in ihrer Anklage festhält - darauf ankam, die Polizisten zu töten, um seine Festnahme zu verhindern.

Wiener Jugendmeister im Schießen

Gindia wollte sich vor dem Schwurgericht demgegenüber mit einer Sonderform des Selbstmords, dem "Suicide by Cop" verantworten, wie sein Verteidiger Rudolf Mayer im Vorfeld des Prozesses ankündigte. Gindia sei ein hervorragender Schütze gewesen: "Er war Wiener Jugendmeister im Schießen, später dann Trainer für Combatschießen (kampforientiertes Schuss-Training mit Handfeuerwaffen, Anm.). Nach seiner Enthaftung hat er sofort das Schießtraining wieder aufgenommen." Dennoch habe kein einziger Schuss, den Gindia abgab, getroffen, "obwohl die Beamten gerade einmal drei bis vier Meter vor ihm gestanden sind", so Mayer. Für den Verteidiger ist daher klar, dass sein Mandant gezielt daneben feuerte, um die Polizisten dazu zu bringen, ihn zu erschießen. Motiv: Gindia habe den Widerruf seiner bedingten Entlassung befürchtet und nicht bis zu seinem Lebensende im Gefängnis verschwinden wollen.

Gindia wurde von drei Projektilen aus den Dienstwaffen der Polizei getroffen und dabei schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt. Die Staatsanwältin wertet seine Darstellung als reine Schutzbehauptung: Selbst als er bereits verletzt am Boden lag, hätte sich der 48-Jährige nicht ergeben, sondern nach dem Rucksack gegriffen, den er umgehängt hatte und in dem sich eine voll funktionsfähige Handgranate befand, die er - so der Vorwurf der Anklägerin - zünden wollte. Das hätten zwei couragierte Beamte verhindert, denen es - wie der Anklageschrift zu entnehmen ist - "trotz heftiger Gegenwehr des Angeklagten gelang, dessen Arme zu fixieren".

(APA)

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