Wien: Serie von Bombendrohungen

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Symbolfoto Polizei(c) Michaela Bruckberger
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Nach acht Monaten Untersuchungshaft greift der 28-jährige H. offenbar wieder zum Telefon. Wegen einer psychischen Erkrankung sind die Behörden machtlos.

Wien. Wie geht man mit Tatverdächtigen um, die regelmäßig auffällig werden, gegen die die Behörden jedoch faktisch kaum Handhabe haben? Der 28-jährige H. aus Wien ist so ein Fall. Seit über zwei Jahren setzt er in Wien nach Erkenntnissen der Polizei telefonische Bombendrohungen ab. Mit allen Konsequenzen für die Opfer. Juristisch ist er dafür jedoch nicht verantwortlich zu machen. Er ist psychisch krank.

Das jüngste Opfer der Serie ist die A1-Telekom. „Wenn die Polizei wegen einer Bombendrohung im Haus ist, dann kann man das Meeting wenigstens in eine nette Location verschieben.“ So beschrieb am Mittwoch ein Mitarbeiter des Unternehmens mit Sarkasmus einen größeren Polizeieinsatz in der Zentrale in der Wiener Lassallestraße. Es war nicht der Einzige. In den Jahren davor rief H. offenbar immer wieder eine Reihe von Unternehmen an. Von Telefonzellen aus.

Ruhe während der U-Haft

Der 28-Jährige ist jemand, den die Mitarbeiter der Wiener Polizei intern als alten Bekannten bezeichnen. „Zuletzt hatte die Stadt eine Zeit lang Ruhe vor ihm“, sagt ein Polizist. H. hatte schlichtweg keine Möglichkeit zu telefonieren. Bis zum 14. April saß er wegen gefährlicher Drohung ungewöhnlich lang, nämlich fast acht Monate, in Untersuchungshaft. Es bestand offenbar akute Wiederbegehungsgefahr. Vor zwei Wochen wurde er freigesprochen. Der Richter befand den Angeklagten wegen seiner psychischen Erkrankung als unzurechnungsfähig.

Eines der prominentesten Opfer im Spiel mit der Angst war der Radiosender Ö3. Einmal wurde H. in der Psychiatrie des Otto-Wagner-Spitals behandelt. Offenbar ohne Erfolg. Und seit dem Freispruch Mitte April scheint er wieder hochaktiv zu sein.

Die Drohung bei A1 war, das teilte der Konzern mit, „nicht die erste dieser Art“. Bereits in den Tagen davor habe es ähnliche gegeben. Und jedes Mal nahm man den Anrufer ernst. Sowohl die Opfer als auch die Polizei befinden sich in solchen Situationen in einem Dilemma. Denn auch wenn es 99,9 Prozent aller behaupteten Bomben nicht gibt: Mit Sicherheit weiß man immer erst im Nachhinein, ob Gefahr bestanden hat oder nicht. Da ein großer Teil der Drohungen von Verwirrten oder auch Nachahmungstätern kommt, informieren die Behörden aktiv fast nie die Öffentlichkeit über solche Vorfälle.

Bei den Opfern verursachen Drohungen so gut wie immer Aufregung, Aufwand und letztendlich Kosten. Auch bei A1 gab es „mit dem ersten Anruf umfassende Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen“. Konkrete Gefahr habe aber nie bestanden.

Kaum rechtliche Handhabe

Den Behörden fällt es enorm schwer, Kranke wie H. unter Kontrolle zu bekommen. Insbesondere dann, wenn es nicht um Schwerkriminalität geht. Ja, jeder Einzelfall, jeder Drohanruf, den er nach Meinung der Behörden tätigt, wird angezeigt. Liegen jedoch aus der Vergangenheit Gutachten vor, dass der Betroffene unzurechnungsfähig ist, hat die Justiz bei Taten mit bis zu einem Jahr Strafandrohung keine Handhabe. Vor allem bei telefonischen Drohungen ist das infrage kommende Strafmaß für den Staatsanwalt häufig nur schwer abzustecken bzw. gibt es eine hohe Hürde, um über eine angedrohte Strafe von einem Jahr Haft hinauszukommen.

Die beste Handhabe ist ein Antrag auf Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Doch dafür gibt es strenge Voraussetzungen. Zum einen eine bereits erfolgte Verurteilung mit einer mehr als einjährigen Haftstrafe, zum anderen die Prognose, dass ähnliche Taten folgen könnten. Bei Drohanrufen ist dies aber oft nur schwer zu erreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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