„Sozialer Sprengstoff“ am Praterstern

Ein Ort zum Durcheilen: Am Bahnhofsvorplatz hält sich niemand länger auf, als er unbedingt muss.
Ein Ort zum Durcheilen: Am Bahnhofsvorplatz hält sich niemand länger auf, als er unbedingt muss.Die Presse/Clemens Fabry
  • Drucken

Polizei und Rathaus benannten Drogen- und Gewaltkriminalität Freitag schonungsloser als Boulevardmedien. Mehr Kräfte am Abend und eine Videoüberwachung sollen Sicherheit erhöhen.

Wien. Dass Sicherheitsbehörden und Stadtverwaltung so schonungslos offen über Wiens Problemzonen sprechen, hat Seltenheitswert. Bisher, so der Eindruck, wurde oft versucht, die drastischen Bilder, die Boulevardmedien und FPÖ über die Zustände am Praterstern zeichneten, zu relativieren. Nachdem am vergangenen Freitag eine 21-Jährige auf der Toilette des Bahnhofs von drei afghanischen Asylwerbern vergewaltigt worden war, brach der Bann. Eine Woche nach dem Verbrechen beschrieben Polizeipräsident Gerhard Pürstl und der Drogenkoordinator der Stadt, Michael Dressel, ein äußerst problematisches Lagebild.

Sie erzählten von Dealern aus Nordafrika, die keine Scheu vor gewaltsamen Revierkämpfen oder Auseinandersetzungen mit der Polizei haben. Sie sprachen von Gruppen junger Afghanen, die auf Grund ihrer Erziehung Frauen mehr als Ware denn als eines von zwei Geschlechtern wahrnehmen. Und sie berichteten von Maßnahmen, die dort – wie Pürstl sagte – wieder „ein sozial verträgliches Bild herstellen“ sollen. Derzeit scheint man davon weit entfernt zu sein.

Schwerpunkt in Abendstunden

Ab sofort achtet die Polizei bereits bei der Diensteinteilung darauf, dass die meisten Kräfte in der Zeit zwischen 19 und 1 Uhr vor Ort sind. „Mit noch mehr Personal als jetzt schon auf der Straße zu sein, würde die Lage nämlich auch nicht verbessern“, erzählt ein dienstführender Inspektor der „Presse“.

Die Strategie der Polizeispitze zielt darauf ab, durch die verstärkte Präsenz in den Abend- und Nachtstunden die zum Teil schweren Gewaltdelikte (57 in zwei Monaten) zu verhindern, die einen erheblich größeren Einfluss auf die öffentliche Sicherheit haben als Taschendiebstähle oder kleine Drogengeschäfte. Eine Analyse des Aufkommens ergab, dass Straftaten gegen Leib und Leben fast ausschließlich im genannten Zeitraum stattfinden.

Phase 2 folgt ab dem 1. Juni. Dann tritt eine Änderung des Strafrechts in Kraft, die es der Polizei ermöglicht, gegen Dealer effizienter vorzugehen. Konkret: Es soll wieder leichter möglich sein, Verdächtige in U-Haft zu nehmen. Dies hängt derzeit im Wesentlichen an der Frage, ob man den Festgenommenen gewerbsmäßige Begehung von Drogendelikten nachweisen kann. Und dies kann man mittlerweile kaum noch, da die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen mit Jahresbeginn stark liberalisiert wurden. Mit Jahresmitte soll es den Sondertatbestand „Drogenhandel im öffentlichen Raum“ geben. Wer dagegen verstößt, ist dann auch wieder leichter aus dem Verkehr zu ziehen.

Auch mit Juni startet die Behörde mit einer mobilen, in einem Kleinbus untergebrachten Videoüberwachung des Vorplatz-Areals. Das soll abschreckend wirken. Eine offene Konsumentenszene gibt es am Praterstern derzeit nicht. Die meisten Kunden kommen mit Schnell- oder U-Bahn. Auch aus Niederösterreich. Gehandelt wird mehrheitlich mit Cannabis. Zu haben sind aber auch synthetische Drogen sowie Heroin und Kokain.

Die Hintermänner bedienen sich vor allem illegal aufhältiger Nordafrikaner als Helfer, die laut Polizei eine „hohe Bereitschaft für Revierkämpfe“ zeigen. Das hat mit der starken Konkurrenz zwischen den einzelnen Gruppen zu tun, die sich buchstäblich um die Kunden streiten. Auch gegenüber der Polizei treten sie äußerst aggressiv auf, und stellen häufig noch während der Festnahmen Asylanträge.

Kein Respekt vor Frauen

Eine ebenso problematische Gruppe trat zuletzt in den Fokus der Sozialarbeiter. Es handelt sich um junge, männliche Asylwerber aus Afghanistan, die ihre Zeit in der nahen Venediger Au verbringen. „Das sind Personen, die zu Hause massive Gewalterfahrungen gemacht haben, die aus einer Kultur kommen, in der der Umgang mit Frauen dem unseren diametral gegenüber steht und in der entsprechende Taten höchstens als Kavaliersdelikte gelten.“ Drogenkoordinator Dressel will gemeinsam mit anderen Stellen der Stadtverwaltung dieser Gruppe nun Beschäftigungen, zum Beispiel in Jugendzentren, anbieten, damit sie nicht auf falsche Gedanken kommen. „Was wir dort sehen, das ist sozialer Sprengstoff.“

In dieses Bild passt auch, dass einer der drei erwähnten afghanischen Jugendlichen, welche die 21-Jährige vergewaltigt hatten, in der U-Haft auf eine Justizwachebeamtin losging. Der Verdächtige wurde in ein niederösterreichisches Gefängnis verlegt. (awe, m. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.