Überraschung bei einem Prozess an einer Nebenfront. Der angebliche Chef eines in Wien auf Förder-Betrug ausgerichteten Netzwerks ist in Untersuchungshaft.
Wien. Wende im Skandal um mutmaßlich missbräuchlich verwendete Fördergelder für Wiener Privatkindergärten: Abdullah P. (31) sitzt in U-Haft. Und das seit Samstag. P. ist der Gründer jenes Kindergartennetzwerks, das im Rahmen der Islam-Kindergarten-Debatte ins Visier geraten ist. Kurios: Die U-Haft ist nicht einmal im Straflandesgericht Wien aufgefallen.
Am Montag begann ein Prozess gegen einen Bekannten von P. – P. wartet noch auf seine Anklage. Dieser Bekannte, ein 36-Jähriger, Mitglied der türkischen Community, musste sich wegen schwerer Nötigung verantworten. Er soll zwei Kindergartenbetreiber, die von der Stadt Wien satte 208.000 Euro Fördergeld erhalten hatten, unter Druck gesetzt haben. Abdullah P. soll zuvor von den Männern einen Teil des Geldes, 40.000 Euro, als „Provision“ für Beratung gefordert haben. Die Männer wollten nicht zahlen.
P. sollte als Zeuge kommen
Der 36-Jährige bestritt nun, die beiden unter Druck gesetzt zu haben. Er sagte zu Richter Marc Farkas: „Wenn unter türkischen Männern gesprochen wird, kann es vorkommen, dass es lauter zugeht.“ P. sollte als Zeuge aussagen. Auch gegen ihn wird – abgesehen vom Verdacht des Förderbetrugs – wegen Nötigung und versuchter Erpressung ermittelt. Nur: P. kam nicht. Man konnte annehmen, dass es P. auf eine polizeiliche Vorführung ankommen lasse. Was niemand wusste: P. sitzt eben seit Samstag in U-Haft (ebenso wie eine Mitarbeiterin von ihm). Es wäre leicht gewesen, ihn von der ans Landesgericht angeschlossenen Justizanstalt in den Saal zu führen.
Neuer Termin Mitte Mai
Hätte der Richter alle U-Haft-Zugänge vom Wochenende durchgesehen, wäre ihm P. wohl untergekommen. Aber mit einer so kurz davor verhängten U-Haft sei nicht zu rechnen gewesen, so Gerichtssprecherin Christina Salzborn zu „Presse“. Und: P. hätte ja seine Zeugenladung (so er sie erhielt) bekannt geben können. Mitte Mai wird weiter verhandelt. (m. s./APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)