Eislaufverein: Vassilakou stoppt Heumarkt-Turm

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Völlig überraschend legt die Stadt den umstrittenen Wohnturm neben dem Hotel Intercontinental und damit die gesamte Neugestaltung des Heumarkt-Areals auf Eis.

Wien. Das Hochhausprojekt neben dem Hotel Intercontinental am Heumarkt wurde nach jahrelangen Diskussionen am Freitag überraschend zu Grabe getragen. Vorerst.

„Der fachliche Beirat ist zu dem Schluss gekommen, dass das Projekt in dieser Form nicht umsetzbar ist“, sagt die grüne Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Maria Vassilakou zur „Presse“. Konkret ist der geplante und schwer umstrittene Wohnturm dem Fachbeirat für Architektur und Stadtgestaltung mit seinen 73 Metern zu hoch. Auch die Breite der Wege und die geplanten Änderungen beim Eislaufverein wurden laut Vassilakou vom Fachbeirat kritisch gesehen.

Generell würden die Proportionen nicht ins historische Stadtbild passen, befand der Beirat unabhängiger Experten der Architektenkammer, Wirtschaftskammer und etlicher Universitäten. „Ich verordne vorerst eine Nachdenkpause“, sagte Vassilakou – mit denselben Worten, mit denen der damalige Kanzler Fred Sinowatz (SPÖ) 1984 auch das geplante Wasserkraftwerk in Hainburg gestoppt hatte.

Rückschlag für Investor

Das notwendige Flächenwidmungsverfahren wird es nun also nicht geben. Für den Projektwerber, die Wertinvest von Michael Tojner, der sich mit dem Hochhaus und den darin geplanten Luxuswohnungen die Neugestaltung des gesamten Heumarktareals mitfinanziert hätte, ist die Entscheidung der Stadt ein herber Rückschlag: Seit Jahren hat man das Projekt in enger Abstimmung mit der Stadt und den zuständigen Magistratsabteilungen entwickelt.

Äußern wollte man sich bei der Wertinvest am Freitag nur vage, man sei selbst von der Entscheidung überrascht worden, sagt Geschäftsführerin Daniela Enzi zur „Presse“: „Wir können noch nicht abschätzen, was das konkret für die Projektentwicklung bedeutet“, sagt Enzi. „Ich erwarte die Vorgaben der Frau Vizebürgermeister, worüber und in welche Richtung wir nachdenken sollen.“

Wie es nun weitergeht, ist völlig offen. Viel wird davon abhängen, ob Investor Tojner bereit sein wird, von der umstrittenen Höhe seines Hochhausprojekts, das der Architekt Isay Weinfeld entworfen hat, abzuweichen. In der Vergangenheit hatte Tojner („Ich baue sicher keinen Kompromiss“) eine Reduzierung der Höhe jedenfalls sehr deutlich ausgeschlossen.

Fraglich ist auch, wie es weitergeht, wenn sich Tojner zurückziehen würde: Ihm gehört nicht nur das Hotel, das er um 48 Mio. Euro erworben hat, sondern auch ein Teil des Heumarkt-Grundstücks, unter anderem jene Bereiche, die an den Wiener Eislaufverein (WEV) verpachtet sind. Wie viel Geld die Wertinvest in das äußerst aufwendige Verfahren schon gesteckt hat? Dazu wollte man nichts sagen, jedenfalls aber „sehr, sehr viel Geld“.

Für die Neugestaltung hätte man jedenfalls an die 210 Millionen Euro in die Hand genommen: Damit wäre auch die Lothringerstraße neu gestaltet worden, ebenso der Platz zwischen Intercont und Konzerthaus für eine Ganzjahresnutzung adaptiert worden. Zudem wären weitere öffentlich nutzbare Flächen – eine Voraussetzung im städtebaulichen Vertrag, der kurz vor dem Abschluss stand – entstanden, etwa Turnsäle für umliegende Schulen oder eine Terrasse. Der traditionsreiche WEV hätte neue Räumlichkeiten und Eisflächen bekommen. Auch der WEV wurde vom Stopp überrascht: Nach Pfingsten werde der Vorstand „die Situation besprechen und beurteilen, was das für den Eislaufverein bedeutet“, sagt Sprecher Peter Menasse.

Vassilakou hat mit dem Stopp des Verfahrens nun zwar alle überrascht, möglicherweise aber auch einen – aus Sicht der Stadt – taktisch günstigen Zeitpunkt erwischt: Im Sommer hätte die Unesco bei ihrer Sitzung in Istanbul über das Hochhaus befunden – weil dieses genau in der historischen Sichtachse vom Belvedere auf die Innenstadt liegt und damit deren Weltkulturerbe-Status gefährden könnte. Eine negative Äußerung seitens der Unesco wäre durchaus erwartbar gewesen, nachdem sich die Unesco in der Causa schon mehrfach kritisch geäußert hatte.

Im schlimmsten Fall hätte die Unesco beim Bau des Turms den Weltkulturerbe-Status der Innenstadt aberkennen können – was für die Stadt eine ziemliche Blamage gewesen wäre: Allein die Drohung hätte die Planungsstadträtin weiter unter Druck gesetzt.

Der Investor habe jedenfalls, bescheinigte Vassilakou, „hochprofessionell agiert“. Dass der Heumarkt „nicht attraktiv ist und eine Verbesserung braucht“, steht für sie außer Frage. Wie, wann und mit wem diese passieren soll, wird sich weisen. Nach der Nachdenkpause.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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