Das lange Warten auf Häupls Hofübergabe

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Häupl(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Sonja Wehsely oder Michael Ludwig? In der Wiener SPÖ wird man langsam ungeduldig: Der Bürgermeister soll seine Nachfolge klären.

Wien. Erwin Pröll hat es getan, Heinz Schaden ebenso. Michael Häupl dagegen zögert. Im Unterschied zum niederösterreichischen Landeshauptmann und dem Salzburger Bürgermeister macht der Wiener Stadtchef keine Anstalten, seine Nachfolge zu regeln.

Nun ist das Rätseln um die Häupl-Nachfolge seit Jahren eine Art Rathaus-Gesellschaftsspiel. Allerdings klingen viele Genossen beim Spekulieren zuletzt eher genervt als jovial. Immer öfter hört man, der Wiener Bürgermeister möge doch endlich die Karten auf den Tisch legen. Laut sagt das keiner. Die Letzte, die das (dem Vernehmen nach) gewagt hatte, war die jetzige Finanzstadträtin Renate Brauner. Seit damals ist sie potenzielle Nachfolgerin a. D.

Der Grund für die nun wachsende Ungeduld in der Partei ist die anhaltende Polarisierung: Der linke und der rechte Flügel kämpfen darum, ihre Version der Wiener SPÖ und den dazupassenden Nachfolger durchzudrücken. Kurzfristig mag das dafür sprechen, dass Michael Häupl – als einzige Klammer – an der Spitze verharrt. Mittelfristig heißt das aber: Der Stellungskrieg geht weiter. Am Beispiel von Werner Faymann konnte Häupl zuletzt aus nächster Nähe beobachten, wie schnell ein schwelender Konflikt zum Flächenbrand wird.

Gerade diese Erfahrung würde für eine geordnete Übergabe sprechen. Schließlich muss der Nachfolger oder die Nachfolgerin aufgebaut werden, um mit Bekanntheitsgrad samt Amtsbonus in die Wien-Wahl 2020 zu gehen. Für die offizielle Hofübergabe wäre damit 2018 ideal – nach der Nationalratswahl, die voraussichtlich einen blauen Kanzler hervorbringen wird. Mit einem gemeinsamen Außenfeind ist die Partei leichter zu einen.

Die mächtigen Wiener Frauen

Die zwei Kandidaten der Lager sind bekannt. Einerseits Sonja Wehsely. Dass die Gesundheitsstadträtin aus dem linken Flügel Bürgermeisterin werden will, bezweifelt keiner, den man fragt. Taktisch spricht für sie, dass sie Häupl einen Eintrag in die Geschichtsbücher sichern würde. Er würde nach der rot-grünen Premiere eine zweite einleiten: Erstmals würde eine Frau an der Spitze der Bundeshauptstadt stehen. Es wäre auch ein Erfolg für das mächtige Wiener Frauennetzwerk (in dessen Zentrum Renate Brauner steht). Allerdings ist dieses – das könnte ein Nachteil sein – einigen Genossen bereits „zu mächtig“.

Dazu kommt, dass Wehsely als Person polarisiert, gilt sie doch als „sehr direkt“. Positiv formuliert, heißt das: Sie ist mutig, scheut keine Konflikte. Umgekehrt hat sie kein ausgeprägtes diplomatisches Gespür und hat sich mit „ihrer Art des Drüberfahrens“, wie es einige in der SPÖ formulieren, Feinde gemacht.

Wehselys Konkurrent ist Michael Ludwig.Der Wohnbaustadtrat wird von den bevölkerungsreichen Bezirken forciert. Manche sagen, diese sind dabei ehrgeiziger als Ludwig selbst. Der Hintergrund: Derzeit haben die Flächenbezirke mit Ludwig in der Stadtregierung nur einen Stadtrat, während alle Schlüsselpositionen (auch in der Löwelstraße) in der Hand der urbanen Innenstadtbezirke sind. Doch die Chancen von Ludwig – der 2010 den Vizebürgermeistertitel abgeben musste – waren schon einmal besser.

Einerseits gilt Ludwig als Brückenbauer und ist bei der Basis beliebter als Wehsely, was sich in den Abstimmungsergebnissen auf den Parteitagen widerspiegelt. Andererseits sagen interne Kritiker, Ludwig stehe für überholte (Gemeindebau-)Klientelpolitik. Rund um die Wien-Wahl 2015 wurden Gerüchte über einen Putsch Ludwigs mit der FPÖ gegen Häupl gestreut – allerdings ist Ludwig im Vorstand des Verbandes der KZ-Überlebenden und der aktiven SPÖ-Antifaschisten. Geschadet hat das Ludwig nicht, aber es hat auch nicht die Stimmung zwischen den Parteiflügeln verbessert. Genau so wie der interne Streit um die Ablöse von Kanzler Werner Faymann diesen Mai: Ludwig war zwar nicht so eng mit Faymann, wie manche behaupten, hat aber dessen Asylkurs mitgetragen.

Die Geschichte wiederholt sich

Mit Wehsely und Ludwig scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Bereits vor mehr als zehn Jahren wurde über Häupls Abgang diskutiert. Damals lieferten sich Wohnbaustadtrat Werner Faymann und Gesundheitsstadträtin Renate Brauner hinter den Kulissen einen verbissenen Kampf um die Nachfolge. Als Werner Faymann zu offen Häupls Nachfolge anstrebte, erklärte der: „Man kann halt nicht immer das werden, was man will.“ Faymann wechselte als Verkehrsminister in den Bund, doch Renate Brauner half das nicht. Auch sie scheiterte (siehe vorhin) an zu viel Engagement. Es genügte, Häupl durch die Blume gefragt zu haben, wann er nun zurücktrete. Was auch das Schweigen ihres Protegés Sonja Wehsely bei dieser Frage erklärt.

Wehsely oder Ludwig? Oder doch keine(r) von beiden? Es gibt es nämlich noch eine dritte Option: Andreas Schieder, SPÖ-Klubchef im Parlament. Ihm werden schon lang Ambitionen auf die Häupl-Nachfolge nachgesagt. Er ist in Wien gut verankert, hat sich aber elegant aus den Flügelkämpfen herausgehalten: einerseits Klubchef unter Werner Faymann, aber nicht zu eng mit ihm. Andererseits verankert in einigen Wiener Bezirken, nachdem er aus rotem Parteiadel stammt (Vater Peter Schieder war Wiener Stadtrat und Nationalrat). Er könnte schlussendlich als Kompromisskandidat, mit dem beide Flügel leben können, Stadt-Chef werden. Davor würde es aber wohl Debatten geben – auch abseits der Rathausgänge. Immerhin sind er und Sonja Wehsely privat ein Paar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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