Herrengasse: Das Palais als Wohnhaus

Wohnungen statt Büros: das Palais Batthyány in der Herrengasse.
Wohnungen statt Büros: das Palais Batthyány in der Herrengasse. Valerie Voithofer
  • Drucken

Die Wiederbelebung der Herrengasse schreitet voran. Die ersten Mieter sind in jenes Palais eingezogen, in dem einst Oberst Redl im Hotel Klomser Geschichte geschrieben hat.

Wien. Es ist eine noble Adresse, an der einst die „Herren der Stände“ residiert haben. Ein bisschen ist das in Vergessenheit geraten, denn statt gewohnt, wurde hier vor allem gearbeitet – zumindest in der jüngeren Geschichte. Die benachbarten Palais Batthyány und Trauttmansdorff in der Herrengasse wurden in den vergangenen Jahrzehnten vorwiegend als Büros genutzt – Ersteres etwa bis 2012 von der Tageszeitung „Der Standard“.

Jetzt aber soll auch außerhalb der Bürozeiten wieder Leben in die historischen Gebäude einziehen. Die denkmalgeschützten Palais wurden in den vergangenen Monaten renoviert und zu Wohnungen adaptiert. Im Erdgeschoß ist Platz für vier Geschäftslokale, im Untergeschoß wurde eine Tiefgarage gebaut. „Wir wollen der Innenstadt wieder Wohnungen zurückgeben. Das Palaisviertel soll belebt werden und eine gute Durchmischung aus Arbeit, Wohnen und Freizeit bieten“, sagt Christoph Kössler von der Immobilienfirma Amisola, die zur Wlaschek Stiftung gehört, beim Rundgang durch die Palais.

Prunkraum mit Goldkabinett

Insgesamt 22 Wohnungen und vier Geschäftslokale beherbergen nun die beiden Palais. Unter dem Namen „Palais, Palais“ werden die Mietwohnungen derzeit vermarktet. „Die erste Partie ging schnell weg, vor allem die kleinen Wohnungen“, sagt Kössler. Von 50 bis zu 220Quadratmetern sind die Wohnungen groß, vermietet werden sie um 16 bis 20 Euro pro Quadratmeter. Bis jetzt seien vorwiegend Unternehmer eingezogen.

„Der überwiegende Teil der Bewohner sind Österreicher. Wir wollen, dass die Leute hier leben und nicht nur zweimal im Jahr vorbeischauen, das Grätzel soll ja wiederbelebt werden.“ Im Innenhof des Palais Trauttmansdorff steht ein großer Baum; die Markierung für den Brunnen, der hier noch errichtet werden soll, ist schon sichtbar. Im Sommer wird jeden Morgen das Kopfsteinpflaster mit Wasser abgespritzt, damit sich der Innenhof nicht aufheizt.

In den Stiegenhäusern wurden die historischen Luster und Handläufe aus dem 19. Jahrhundert renoviert. Die beiden Palais haben nämlich nicht nur eine lange Geschichte, sondern auch viele wechselnde Eigentümer, wodurch baulich mehrere Epochen vertreten sind. Das Palais Trauttmansdorff hat etwa auch mittelalterliche Bauteile. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war es im Besitz von Helmhard Jörger von Tollet, dem damals auch die Palais Batthyány und Porcia gehörten. 1620 musste der Hausherr, ein Protestant, ins Exil gehen. Das Palais ging daraufhin an das Stift Kremsmünster, 1639 dann an die Familie Trauttmansdorff. Die Fassade, aber auch der Prunkraum – inklusive Rokoko-Öfen, Deckenstukkaturen und des spätklassizistischen Goldkabinetts – stammen aus der Zeit, als das Palais im Besitz der Familie Trauttmansdorff war. Damals erstreckte sich vom Innenhof bis in die Schenkenstraße noch ein großer Garten. Erst 1971 wurde der Hof durch einen Anbau in der Schenkenstraße geschlossen, als das Palais im Besitz der Niederösterreichischen Brandschadenversicherung war.

Der Prunkraum in der Beletage ist übrigens genauso Bestandteil einer Wohnung, die allerdings noch nicht vermietet ist.

Im benachbarten Palais Batthyány – wenn man so will die Stiege zwei der beiden Wohnhäuser – wurde Anfang des vorigen Jahrhunderts Geschichte geschrieben. Im 19.Jahrhundert zog nämlich in das Palais, das einst nach dem damaligen Inhaber, dem Grafen Orsini-Rosenberg benannt wurde, das Hotel Klomser ein. Am 25. Mai 1913 beging dort ein gewisser Oberst Alfred Redl Suizid, nachdem er als Spion enttarnt worden war.

Daran erinnert heute freilich kaum etwas. Stattdessen soll Anfang August – nach Mothwurf – das zweite Modegeschäft in das Erdgeschoß einziehen. Nach weiteren Betreibern – vorzugsweise handwerklichen Manufakturen – wird noch gesucht. Auch sonst soll sich in der Herrengasse einiges tun. Im Sommer wird sie zur Begegnungszone umgebaut. Die Hauseigentümer der beiden Palais würden diese gern auch ein Stück in die Bankgasse ziehen. Und auch für die Freyung hat man schon Ideen, wie man vor allem die Einfahrt zur öffentlichen Tiefgarage – inklusive Metallgerüst – verschönern kann.

Mehr Bilder unter: diepresse.com/palais

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.