Gesetz und Dienstordnung der Stadtwerke lassen die massenweise Pensionierung von Beamten anders als im Bund zu.
Wien. Mit der bevorstehenden Pensionierung von 800 Beamten der Wiener Stadtwerke wird deutlich, dass deren vorzeitige Verabschiedung in den Ruhestand erst durch eine Sonderregelung mit 55 Jahren überhaupt möglich ist. Nämlich im Falle einer Organisationsänderung. Damit sind Beamte in Wien gegenüber jenen im Bundesdienst privilegiert. Dort gibt es, wie das zuständige Staatssekretariat im Bundeskanzleramt der „Presse“ auf Anfrage bestätigte, eine derartige Regelung nicht. Im Bundesdienst sind solche Pensionierungen erst mit dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters knapp vor dem 65. Lebensjahr möglich.
Völlig legale Lösung
Die Wiener Stadtwerke, die 900 ihrer rund 5500 Posten streichen und von den 900 rund 800 bis 2018 in Frühpension schicken, nützen eine völlig legale günstige Bestimmung für Wiener Beamte aus. Die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen ist nach Paragraf 68 der Dienstordnung zulässig, wenn der betroffene Wiener Beamte das 55. Lebensjahr vollendet hat und „seine Dienstleistung durch Veränderung der Organisation des Dienstes oder durch bleibende Verringerung der Geschäfte entbehrlich wird und er auch nicht durch ihm zumutbare Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen anderweitig angemessen beschäftigt werden kann“. In rund 50 Fällen machten Beamte nach Auskunft der Wiener Stadtwerke von Umschulungen Gebrauch.
Dienstdauer nicht festgelegt
In den Wiener Stadtwerken wird im Zusammenhang mit den Frühpensionierungen außerdem hervorgestrichen, dass die betroffenen Beamten im Durchschnitt 40,8 Dienstjahre gearbeitet haben. Die für das Personal der Gemeinde Wien zuständige Stadträtin, Sandra Frauenberger (SPÖ), ließ der „Presse“ mitteilen, dass „eine gewisse Dienstzeit“ in der gesetzlichen Regelung nicht Voraussetzung für eine Frühpension aufgrund einer Organisationsänderung sei. Für die Stadtwerke selbst ist Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) zuständig.
Aber selbst mit im Schnitt 40,8 Dienstjahren profitieren die Beamten bei den Stadtwerken von einer günstigeren Regelung als im Bund. Denn dort hat die SPÖ/ÖVP-Regierung mit Gültigkeit ab Anfang 2014 die Zugangshürde für männliche und weibliche Beamte zur Langzeitversichertenregelung („Hacklerpension“) von 40 Jahren seither auf 42 Jahre angehoben und damit deutlich erschwert.
In der Bundesregierung ist nun Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) seit wenigen Wochen für den öffentlichen Dienst und damit für das Beamtendienstrecht verantwortlich. Sie wolle, weil ihre Zuständigkeit im Bund liege, die Pensionsregelungen für Wiens Beamte „nicht kommentieren“, wurde auf Anfrage im Staatssekretariat erklärt. Duzdar kam aus dem Wiener Gemeinderat.
Im Sozialministerium wurde von Minister Alois Stöger (SPÖ) hingegen der „Presse“-Bericht in der Montagsausgabe, wonach die Massenpensionierungen der Wiener Beamten die Bundesregierung unter Zugzwang bringen, jedenfalls wahrgenommen. Stöger habe sich, so war zu erfahren, bei Vizekanzler ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner beklagt, weil ÖVP-Seniorenbundchefin Ingrid Korosec ihn angreift. Dabei habe man vereinbart, sich in der rot-schwarzen Koalition gegenseitig nicht zu attackieren.
Korosec hat in einer Aussendung zum „Presse“-Bericht den Sozialminister kritisiert. Der Grund: Er will die Gesetzesentwürfe nach dem Pensionsgipfel vom 29. Februar erst im Herbst vorlegen. Für Korosec ist eine Verzögerung über den Sommer „inakzeptabel“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2016)