Wo das Wiener Geld geblieben ist

AUFTAKT DER FINANZAUSGLEICHSVERHANDLUNGEN: BRAUNER / SCHICKHOFER
AUFTAKT DER FINANZAUSGLEICHSVERHANDLUNGEN: BRAUNER / SCHICKHOFER(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Stadt machte 2015 Schulden in der Höhe von 528 Millionen Euro. Einerseits fehlen Einnahmen von Bund und Steuern, während Ausgaben für Soziales stiegen. Andererseits blieb sogar Geld übrig: bei der Wohnbauförderung.

Wien. Vor gut zehn Tagen präsentierte die Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) den Rechnungsabschluss für das Jahr 2015. Zumindest im Groben – Einzelheiten sollten erst nach ihrer Rechnungsabschlussrede im Gemeinderat am 27. Juni veröffentlicht werden. Der „Presse“ liegen die Finanzen der Stadt aber bereits im Detail vor. Im vergangenen Jahr erhöhte sich der Gesamtschuldenstand Wiens um weitere 528 Millionen Euro auf 5,4 Milliarden Euro. Damit wurden doppelt so viele Schulden gemacht, wie im Budgetvoranschlag ursprünglich vorgesehen. Nur wofür wurde das Geld ausgegeben?

Eine Analyse der Bilanz zeigt: Das Minus ergibt sich einerseits dadurch, dass die Stadt in vielen Bereichen weniger Einnahmen verzeichnen konnte als angenommen – und in anderen unvorhergesehene Ausgaben hatte.

Fehlende Millionen

So rechnete die Stadt in einigen Bereichen mit deutlich höheren Einnahmen des Bunds: Für das verpflichtende Kindergartenjahr wurden statt erwarteter 15,3 Millionen Euro nur 9,9 Millionen überwiesen. Für die ganztägige Schule rechnete die Stadt mit einem Zuschuss von 27,5 Millionen Euro – es wurden nur 22. Gleichzeitig wächst Wien aber: Gerade bei den Schulen ist der Bedarf sehr groß – hier wird investiert. So gab die Stadt vergangenes Jahr etwa für die allgemeinen Pflichtschulen 62 Millionen für die Schulsanierung aus.

Im Bereich der Null- bis Sechsjährigen wurden Betreuungseinrichtungen ausgebaut – hauptsächlich deswegen erhöhten sich die Transferzahlungen in der Gruppe Unterricht, Erziehung, Sport von erwarteten 337 Millionen Euro auf 398 Millionen Euro. Auch die Wiener Stadtwerke warfen um 9,1 Millionen Euro weniger ab als geplant. Bei Erlösen aus Wertpapieren rechnete die Regierung mit 37 Millionen Euro – es wurden nur 9,5 Millionen Euro.

Mindereinnahmen gab es auch bei manchen Gebühren: Während die Vergnügungssteuer im Jahr 2014 noch 52 Millionen Euro brachte, waren es 2015 nur mehr knapp acht. Grund dafür ist das Verbot des Kleinen Glücksspiels. Nun werden Rot und Grün diese Steuer wohl ganz abschaffen („Die Presse“ hat berichtet). Die Unterstützung der ÖVP, die derzeit dafür kampagnisiert, und auch der Neos sollten sie haben. Letztere brachten übrigens bereits im Jänner einen Antrag zur Abschaffung ein – der damals von Rot, Grün und der ÖVP abgelehnt wurde.

Den fehlenden Einnahmen stehen höhere Ausgaben gegenüber. Diese stiegen vor allem im sozialen Bereich. Im Jahr 2015 wurden um 80 Millionen mehr für die bedarfsorientierte Mindestsicherung ausbezahlt – insgesamt 626 Millionen Euro. Das ist vor allem der steigenden Arbeitslosigkeit und der Flüchtlingswelle ab Herbst 2015 zuzurechnen. Für die Grundversorgung der Asylwerber werden im Budget 71,9 Millionen Euro verbucht.

Für die Jungen und Alten wurde mehr ausgegeben als geplant: Pensionistenklubs bekamen statt geplanter elf Millionen Euro 16,2 Millionen Euro. Die Jugendwohlfahrt braucht 17 Millionen statt zehn Millionen – Grund dafür sind wohl auch hier die minderjährigen Flüchtlinge. Ein Minus im Budget produzieren aber ebenso Rückstellungen, die gebildet wurden: Statt geplanter 1,1 Millionen wurden es 308,3 Millionen. Mehrausgaben gibt es unter anderem bei den Wiener Stadtwerken: Erhöhte Ruhebezüge von 3,8 Millionen Euro werden verbucht. Dieser Posten wird sich vermutlich in den nächsten Jahren noch erhöhen – eine Pensionierungswelle ist, wie berichtet, geplant. Insgesamt sollen 800 Mitarbeiter in den verfrühten Ruhestand geschickt werden.

Dafür gab es gerade beim aktiven Personal in fast allen Geschäftsgruppen Reduktionen der Kosten: Bei den Wiener Stadtwerken wurden 14,1 Millionen gespart, beim Magistrat 55 Millionen Euro. Bei den Landeslehrern gibt es eine Reduktion von 6,2 Millionen – gestiegen sind die Kosten für „gewählte Organe“ um eine Million auf 29 Millionen.

Geld für Wohnbau bleibt übrig

In anderen Bereichen wurden die Budgetmittel wiederum nicht ausgeschöpft, wie etwa bei der Wohnbauförderung – und das, obwohl die gemeinnützigen Wohnbauträger öffentlich immer wieder eine Erhöhung der Förderung wollen, Wiener Wohnraum knapper und allerorts gebaut wird. Von veranschlagten 640 Millionen Euro wurden 558 Millionen abgeholt. So waren für Neubauprojekte etwa 341 Millionen eingeplant, aber nur 280 Millionen wurden ausgegeben.

Dass die Förderung nicht in Anspruch genommen wird, könnte daran liegen, dass Zinsen auf dem freien Markt für einen Kredit derzeit sehr niedrig sind – und der Wohnbauträger damit lästige Auflagen los ist, die an Förderungen gebunden sind. Wenn Bauträger künftig lieber ohne Förderung errichten wollen, verliert die öffentliche Hand dadurch allerdings auch wichtige Steuerungselemente. So hat die Stadt das Recht, zumindest ein Drittel der mit Förderungen gebauten Wohnungen selbst zu vergeben. An wen gemeinnützige Bauträger die restlichen Einheiten vergeben und ob Wartelisten auch wirklich berücksichtigt werden, ist in den meisten Fällen derzeit völlig intransparent.

Mehreinnahmen konnte die Stadt durch unterschiedlichste Steuern und Gebühren lukrieren. So lagen die Einnahmen aus Verwaltungs- und Parkstrafen mit 50 statt 43 geplanter Millionen deutlich über den Erwartungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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