Ehefrau mit Polster erstickt: 20 Jahre Haft

Der Angeklagte am Dienstag vor Gericht
Der Angeklagte am Dienstag vor GerichtAPA/HERBERT NEUBAUER
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Ein 41-Jähriger soll seine Frau in der gemeinsamen Wiener Wohnung erstickt haben - vor den Augen der Kinder. Eine Tötungsabsicht bestritt er vor Gericht.

Ein 41-jähriger Steirer ist am späten Dienstagabend im Wiener Straflandesgericht wegen Mordes an seiner um 18 Jahre jüngeren Ehefrau schuldig gesprochen worden. Das Schwurgericht verhängte über den gelernten Tischler 20 Jahre Haft. Die Geschworenen gingen mit 6:2 Stimmen davon aus, dass er am 18. Dezember 2015 seine Frau in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Penzing mit einem Kopfpolster vorsätzlich erstickt hatte. Die beiden Töchter des Paares - damals eineinhalb Jahre und sechs Monate alt - waren zu diesem Zeitpunkt im selben Zimmer.

Bei der Strafbemessung waren zwei Vorstrafen sowie "die massive Gewalteinwirkung über den Zeitraum von mehreren Minuten" erschwerend, wie die vorsitzende Richterin Sonja Weis in der Urteilsbegründung darlegte. Der Angeklagte habe außerdem nach der Tat eine "erhebliche Gleichgültigkeit" an den Tag gelegt. Der Umstand, dass sich die beiden Töchter des Paares - im Tatzeitpunkt sechs Monate und eineinhalb Jahre alt - bei der Bluttat im selben Raum befanden, wurde ebenfalls erschwerend berücksichtigt. Die zwei Waisen bekamen ein Trauerschmerzengeld von jeweils 30.000 Euro zugesprochen. "Sie werden ihr Leben lang unter diesen Folgen leiden", führte die Richterin ins Treffen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidigerin Astrid Wagner bat um Bedenkzeit, Staatsanwalt Stefan Berger gab vorerst keine Erklärung ab.

Der gelernte Tischler bestritt vor den Geschworenen die Tötungsabsicht. Er habe im Zuge eines Streits die 23-Jährige aufs Bett gestoßen, wo diese rücklings zu liegen kam. Sie habe auf ihn eingeschrien: "Ich wollte, dass sie zum Reden aufhört." Deswegen habe er sich auf sie gesetzt, sich mit seinem rechten Unterarm auf ihrer Brust abgestützt und ihr mit der linken Hand den Mund zugehalten. Zunächst habe sich die Frau gewehrt: "Dann hat sie aufgehört." Er habe zwar bemerkt, dass sie nicht mehr bei Bewusstsein war, sie aber nicht für tot gehalten, behauptete der Angeklagte.

Rettung erst nach 40 Minuten gerufen

Allerdings hatte der Mann unmittelbar nach der handfesten Auseinandersetzung einen alten Bekannten in der Steiermark angerufen, wie die Auswertung einer Rufdaten-Rückerfassung gab. Diesem erklärte er unverblümt: "I hob mei Oide dawirgt." Die Rettung verständigte der 41-Jährige demgegenüber erst mehr als 40 Minuten nach dem Angriff. Seiner Frau gehe es nicht gut, gab er bekannt. Als ihn der Mitarbeiter der Notrufstelle anwies, bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte eine Herzmassage durchzuführen, ließ der Mann das bleiben. "Weil ich mich nicht getraut habe", wie er dem Schwurgericht erläuterte.

Als die Polizei am Tatort ankam, begab sich der 41-Jährige auf den Dachboden des Wohnhauses, wo er sich dann widerstandslos festnehmen ließ. In seiner ersten Einvernahme legte er dar, er habe das "Keppeln" seiner Frau unterbinden wollen. "Verzeihen Sie den Ausdruck. Als Weststeirer drückt man sich manchmal nicht so elegant aus", entschuldigte seine Verteidigerin Astrid Wagner diese Diktion. Die Anwältin versicherte den Geschworenen, ihr Mandant habe der Frau "bloß mit der Hand den Mund zugehalten". Die Nasenöffnungen hätte er ihr dabei nicht verschlossen. Wagner hielt es für denkbar, dass die 23-Jährige an einer Atemwegserkrankung oder einer dauernden Nasenscheidewandverkrümmung litt und dadurch ein lagebedingter Erstickungstod eintrat, wie sie ausführte.

"Das ist nicht schön, was er da gemacht hat", räumte die Verteidigerin an. Es liege jedoch kein Mord, sondern eine grob fahrlässige Tötung, allenfalls ein Totschlag vor. "Ich glaube, dass er ein Grobian war. Aber er wollte sie nicht töten."

"Einen Freund hat sie gehabt"

In seiner Beschuldigteneinvernahme behauptete der Angeklagte, seine Ehefrau wäre ihm nicht treu gewesen: "Sie ist alleine fortgegangen. Einen Freund hat sie gehabt. Sie hat ihn mir auf Facebook gezeigt." Verteidigerin Astrid Wagner meinte, Eifersucht sei für ihren Mandanten "sicher ein Thema" gewesen.

Der 41-Jährige sei "ein fleißiger Steirer", der bei Frauen "weniger Glück" hatte, erzählte Wagner. Eine erste, auf der Dominikanischen Republik geschlossene Ehe scheiterte nach drei Wochen. Die zweite ging in die Brüche, nachdem der Mann handgreiflich und übergriffig wurde. Nach Schlägen und einer Vergewaltigung, für die der gelernte Tischler auch vor Gericht gestanden ist, ließ sich Ehefrau Nummer zwei scheiden.

Auf einer Baustelle, bei der er beschäftigt war, zeigte eines Tages eine Putzfrau dem Steirer das Foto ihrer Enkelin. Diese sei auf der Suche nach einem Mann, gab die Raumpflegerin ihm zu verstehen. Der Mann bekundete Interesse an der um 18 Jahre jüngeren, attraktiven Serbin, die darauf hin nach Wien kam. Binnen kürzester Zeit wurde geheiratet. "Die Liebe hat gesiegt", bilanzierte die Verteidigerin in Groschenroman-Diktion.

Schuldenberg von über 100.000 Euro

Nach der Geburt der zweiten Tochter dürfte sich die Liebe aber zusehends verflüchtigt haben. Das Eheleben verschlechterte sich. Einerseits hatte der Mann einen Schuldenberg von über 100.000 Euro angehäuft, andererseits tauchte sie angeblich gerne und ohne ihre "bessere Hälfte" ins Nachtleben ein. "Sie hat die Eifersucht entfacht. Eine fesche, junge Frau, die nachts ausgeht, aufreizend angezogen, und der alte Dodl sitzt daheim und passt auf die Kinder auf", gab Verteidigerin Wagner zu bedenken. Die Scheidung sei im Raum gestanden, aber nicht vollzogen worden - laut Wagner deshalb nicht, weil die Ehefrau in diesem Fall fremdenpolizeiliche Konsequenzen befürchtete.

In der Nacht vor ihrem Ableben war die 23-Jährige auch ohne ihren Ehemann unterwegs. "Um acht am Abend hab' ich schon gemerkt, wie sie sich kultivieren geht", berichtete dieser den Geschworenen. Ohne Zweifel habe sie einen anderen Mann gehabt: "Der Körpergeruch war anders, sie hat sich anders gegeben." Nach ihrer Rückkehr sei es am Morgen zu einem Streit gekommen, sie habe "herumgeschimpft". Da habe er sie aufs Bett gestoßen und ihr den Mund zugehalten.

Gerichtsmediziner widerspricht

Der Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp widersprach der Behauptung des Angeklagten, der seine Ehefrau ohne Vorsatz zu Tode gebracht haben will, indem er ihr die linke Hand auf den Mund legte und dabei die Nasenöffnungen freiließ. Diese Version sei "nicht geeignet, den Tod durch Ersticken zu erreichen", sagte der Sachverständige.

Dass die 23 Jahre alte Frau erstickt wurde, stehe mit Sicherheit fest. Offen ließ Klupp, ob dies geschah, indem man ihr einen Polster ins Gesicht drückte oder ihren Kopf in einen Polster presste. Fest stehe, dass ihre Atemwege verlegt wurden, und zwar über einen längeren Zeitraum. Die Bewusstlosigkeit sei nach einer bis fünf Minuten eingetreten, der Kreislaufstillstand nach frühestens elf Minuten, sagte Klupp.

(APA)

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