Die Bettelalm, Exempel eines Ruins

(c) Clemens Fabry
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Die Rustikal-Disco in der Innenstadt muss vermutlich bald schließen. Das per Lärmbeschwerden erzwungene Aus könnte noch vielen Nachtlokalen Probleme bereiten.

Wien. Die Bettelalm am Lugeck steht vor dem Aus – ihr wurde nach unzähligen Lärmbeschwerden eines einzigen Anrainers gerichtlich eine Sperrstunde um Mitternacht verordnet – und weil der Betrieb in der Rustikal-Disco in der Wiener Innenstadt gewöhnlich erst nach Mitternacht losgeht, bedeute das das Aus, wie Betreiber Mario Obermaier sagt: „Wir rechnen damit, dass wir nicht mehr lang offen haben.“ Dieses Urteil könnte fatale Folgen für sämtliche Nachtlokale haben, befürchtet man nun in der Wiener Gastro-Szene.

Zur Vorgeschichte: Die Bettelalm durfte bisher bis sechs Uhr früh aufsperren, aber bald nach der Eröffnung vor drei Jahren kamen die ersten Anzeigen des besagten Anrainers. Obermaier spricht von einer Anzeigenflut, jeder, vom Paketboten bis zu Lieferanten, sei von dem Mann bei jeder Gelegenheit angezeigt worden, auch Polizeibeamte, die bei der Sperrstunde großzügig waren, sollen mit Amtshaftungsklagen bedroht worden sein. Betroffen sind davon ebenso weitere Lokale am Lugeck. Im Fall Bettelalm setzte sich der Anrainer schließlich durch, die Sperrstunde wurde vorverlegt, die Betreiber gingen in Berufung.

„Anleitung, wie man Lokale umbringt“

Unlängst bestätigte der Verwaltungsgerichtshof das Festsetzen der Sperrstunde mit 24 Uhr. Unter anderem mit einer Petition mit 5055 Unterschriften, die mit Unterstützung der Neos an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) übergeben wurde, protestiert Obermaier gegen diesen Entscheid.

Er sieht die Existenz seiner Disco samt 40 Arbeitsplätzen in Gefahr – „eine Sperrstunde um Mitternacht heißt Insolvenz“. Außerdem sieht er die Bettelalm als Präzedenzfall. „Es könnte jedem Nachtlokal so gehen wie uns, es sind jetzt alle nervös: Wenn wir zusperren, wäre das eine astreine Anleitung, wie man Lokale umbringt.“ Schließlich hat in Wien so gut wie jeder Gastronom mit Anrainerbeschwerden zu tun – auch, wenn es um Lärm außerhalb des Lokals geht. Diese Probleme werden ab 2018 vermutlich noch mehr. Wenn das Rauchverbot in Kraft tritt, werden sich voraussichtlich noch mehr Menschen vor Lokalen aufhalten. Konkret geht es um Paragraf 113 der Gewerbeordnung, demzufolge Lärm auf der Straße einem Lokal zugerechnet werden kann – was ein Vorverlegen der Sperrstunde bedeuten könnte.

Dass Klagen und Beschwerden dieser Art Schule machen, fürchtet man etwa im Ausgehviertel Bermudadreieck. Erst unlängst hieß es in Boulevard-Schlagzeilen, ein Anrainer wolle das Hard Rock Café in der Rotenturmstraße „zu Tode klagen“, und auch gegen das Bermudabräu seien zivilrechtliche Klagen à la Bettelalm in Vorbereitung. So dramatisch ist die Situation dort offenbar aber nicht. Klagen seien nie geplant gewesen, heißt es von diesem Anrainer zur „Presse“, vielmehr bemühe man sich, auch mithilfe von Wirtschaftsbund und Polizei um gütliche Lösungen.

Im Bezirk will man sich zu den Debatten übrigens nicht äußern. In Sachen Bettelalm gebe es eine Entscheidung des Gerichts, diese habe man zu akzeptieren, da habe sich die Politik nicht einzumischen, heißt es von einem Sprecher. Vielleicht will Bezirksvorsteher Markus Figl (VP) auch einen neuen Stil in der Innenstadt-Politik einführen. Vorgängerin Ursula Stenzl hatte sich in Sachen Lärm stets laut und klar für mehr Ruhe positioniert. Dennoch heißt es, der Konflikt am Lugeck, der lang geschwelt hat und nun eskaliert ist, habe seine Wurzel in deren Amtszeit: Beiden Seiten, Gastronomen wie Anrainern, sei viel versprochen worden, was nicht gehalten werden konnte. Obwohl die aktuelle Bezirksführung den Ball bei den Gerichten sieht, ist das Thema Lärm auch ein Politikum.

Streit-Paragraf soll reformiert werden

Die ÖVP Wien fordert eine Reform des umstrittenen Paragrafen, die Gastronomen in der Wirtschaftskammer haben das Wirtschaftsministerium kontaktiert, um die Gewerbeordnung insofern zu ändern, dass Wirte nicht mehr für jeden Lärm vor dem Lokal verantwortlich sind. Auch die FPÖ (Parteichef Heinz-Christian Strache hat in der Bettelalm immerhin schon Songs vorgestellt) und die Neos setzen sich für eine Novelle der Gewerbeordnung ein, damit solche (drohenden) Schließungen nicht zur Regel werden.

AUF EINEN BLICK

Lärmbeschwerden und unzählige Klagen eines einzelnen Anrainers, der in der Nachbarschaft einen Nebenwohnsitz hat, haben zu einer vorverlegten Sperrstunde der Wiener Disco Bettelalm geführt. Für den Betreiber bedeutet das ein baldiges Aus. Weil das Beispiel Schule machen könnte, ist nun eine Reform des umstrittenen Paragrafen der Gewerbeordnung, demzufolge für Lärm vor einem Lokal der Wirt verantwortlich ist, in Diskussion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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