Die Aufrüstung der Privatkliniken

Operationssaal - Operating theatre
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Weil Patienten nicht monatelang auf Untersuchungen und Operationen warten wollen, weichen sie zunehmend auf Privatspitäler aus. Diese haben die Zeichen der Zeit längst erkannt.

Wien. Zwölf Monate kann in Wien die Wartezeit für eine künstliche Hüfte dauern. Auf eine Computertomografie (CT) warten Patienten bis zu acht Wochen, auf eine Magnetresonanztomografie (MRT) drei Monate. Selbst dann, wenn es sich dabei um Krebspatienten handelt und drei Monate ohne Übertreibung über Leben und Tod entscheiden können – weswegen das Gesundheitsministerium auch schon reagiert und Akutlösungen für dringende Fälle angekündigt hat.

Der Grund für die langen Wartezeiten ist unter anderem das Anfang vergangenen Jahres in Kraft getretene neue Arbeitszeitgesetz, wonach Spitalsärzte (statt früher 60) nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten dürfen und daher zahlreiche Abteilungen geschlossen bzw. Diensträder reduziert wurden und in vielen Stationen Schichten ausfallen müssen – etwa auf radiologischen Stationen.

Mit der Folge, dass Patienten auf den privaten Sektor ausweichen. Und zwar nicht nur jene mit Zusatzversicherungen (in Wien sind das 570.000 Menschen), sondern auch Kassenpatienten, die für ihre Untersuchungen und Operationen bar bezahlen – ein CT bzw. MRT kostet zwischen 200 und 300 Euro. Die Vorteile: keine Wartezeiten, kein Spießrutenlauf durch Spitäler bzw. Diagnosezentren und freie Arztwahl.

Investitionen rechnen sich

Das wiederum hat zur Folge, dass Wiens Privatspitäler in den vergangenen Jahren in großem Stil aufgerüstet haben und de facto eine Vollversorgung anbieten können. Spitäler wie die Wiener Privatklinik im Alsergrund. Computer- und Magnetresonanztomografien, Herzkatheter- und diverse andere aufwendige Untersuchungen, die in vielen Gemeindespitälern nicht üblich sind, werden dort schon länger durchgeführt.

Seit vergangenem Jahr kann sogar eine PET-CT gemacht werden – das ist sonst nur im AKH, in der Rudolfstiftung und im Wilhelminenspital möglich. Die PET-CT-Untersuchung, die rund 2000 Euro kostet, ist die Kombination zweier bildgebender Verfahren, der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und eben der Computertomografie, und wird unter anderem für Diagnosen von Krebs und entzündlichen Prozessen benötigt. Rund eineinhalb Millionen Euro kostet das Gerät inklusive Abschirmung und verpflichtender baulicher Maßnahmen. Eine solche Investition rechnet sich nur durch starke Nachfrage. Und die gibt es.

Nicht nur Topverdiener

Denn suchten in der Vergangenheit zumeist Topverdiener und Sonderklassepatienten Privatkliniken auf, sind es heute auch Hunderttausende Menschen aus dem Mittelstand, die nicht privat versichert sind, auf rasche Untersuchungen bzw. Operationen aber dennoch nicht verzichten wollen oder können. „Durch die hohe Zahl an Untersuchungen können wir diese auch günstiger anbieten als früher“, sagt Walter Ebm, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Wiener Privatklinik. „Dadurch machen wir sie noch mehr Patienten zugänglich, die ihre Diagnosen schnell brauchen.“ Das Phänomen der Verlagerung auf die Privatmedizin zeigt sich auch im niedergelassenen Bereich. Aktuell stehen 1662 Kassen- 3447 Wahlarztordinationen gegenüber. 2010 waren es noch 1741 Kassen- und 2979 Wahlarztordinationen.

Patienten aus dem Ausland

Die technisch hochwertige Ausstattung der Privatkliniken und der gute Ruf der österreichischen Ärzte lockt auch immer mehr Patienten aus dem Ausland an. In der Wiener Privatklinik werden mittlerweile 40 Prozent des Umsatzes durch ausländische Patienten erzielt – zumeist aus osteuropäischen Staaten wie Russland, der Ukraine, Rumänien und Kasachstan – Tendenz steigend.

„Diese Menschen vertrauen dem österreichischen Gesundheitswesen und vor allem den österreichischen Ärzten, was in ihren Heimatländern oft nicht der Fall ist“, betont Ebm. Der Internist ist überzeugt davon, dass die Aufrüstung der Privatkliniken weiter anhalten wird. „Die technische Entwicklung schreitet schnell voran, besonders im intensivmedizinischen Bereich und bei bildgebenden Verfahren“, sagt Ebm. „Die Belegärzte setzen voraus, dass wir auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Wenn wir das nicht sind, dürfen wir uns nicht als Spital bezeichnen, sondern wären eine Kuranstalt.“

Private Notfallambulanz?

Er kann sich sogar vorstellen, dass Privatkliniken künftig auch Notfallambulanzen für Privatpatienten anbieten, wie es sie beispielsweise in der Schweiz schon gibt. Damit diese profitabel sind, müssten allerdings die privaten Krankenversicherungen ausgeweitet werden.

Peter Eichler, Vorstand von Uniqa, dem größten Anbieter von privaten Krankenversicherungen in Österreich, kann sich jedenfalls eine „Ausweitung von leistungsstarken Häusern“ in diesem Bereich vorstellen.

Aber: „Eine explizite Notambulanz für alle Arten von Fällen wird realistischerweise nicht sinnvoll und auch nicht finanzierbar sein, zumal sich auch viele öffentliche Spitäler auf bestimmte Krankheitsbilder beschränken.“

AUF EINEN BLICK

Zahlen. Immer mehr Patienten weichen wegen der langen Wartezeiten für Untersuchungen auf Privatspitäler aus. 570.000 Menschen haben in Wien eine private Krankenversicherung, 380.000 davon eine Sonderklasse – also einen First-Class-Tarif für Krankenhäuser. Auch im niedergelassenen Bereich wird dieses Phänomen deutlich: Aktuell gibt es in Wien 1662 Kassen- und 3447 Wahlarztordinationen. 2010 waren es noch 1741 Kassen- und 2979 Wahlarztordinationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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