Den Abbruch vor der Linse

 Abbruch-Bilder: Der Fotograf Kurt Prinz mit seiner Analog-Kamera im alten Zollamt in Wien-Erdberg, das derzeit abgerissen wird.
Abbruch-Bilder: Der Fotograf Kurt Prinz mit seiner Analog-Kamera im alten Zollamt in Wien-Erdberg, das derzeit abgerissen wird. Clemens Fabry / Die Presse
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Der Wiener Kurt Prinz fotografiert seit Jahren Gebäude, die gerade abgerissen werden. Aus seiner Sammlung sind nun zwei Bildbände entstanden.

Ein Abrissbagger parkt im Abendlicht neben einer großen Lacke, umgeben von größeren und kleineren Haufen Bauschutt, dazwischen türmt sich ein Berg aus alten Kabeln und Steckdosen. Die Arbeiter sind für heute verschwunden, Kurt Prinz aber bahnt sich seinen Weg durch das, was vom alten Zollamt in Wien Erdberg übrig geblieben ist.

Die große Leidenschaft des Wiener Fotografen ist es nämlich, Abbruchhäuser zu fotografieren, bevorzugt in der Dämmerung. Kurz bevor die Sonne untergeht, sind Licht und Stimmung ideal für seine Mission: Gebäude, die gerade abgerissen werden, noch einmal fotografisch einzufangen, die Reste von bekannten Landmarks oder auch weniger bekannten Häusern im Wiener Stadtbild festzuhalten, ehe die Gebäude für immer verschwinden.

Zu großen Abbruchprojekten wie dem alten Zollamt kommt Prinz immer wieder, um den Fortschritt des Zerstörens und Verschwindens zu dokumentieren. „Ich war vor einer Woche da, und es sieht schon wieder alles ganz anders aus“, sagt Prinz. Das Chaotische, Destruktive „in einer sonst perfekt gepflegten Stadt“ fasziniert ihn mehr als die Neuerrichtung von Gebäuden, „die ja immer sehr strukturiert abläuft“.

Eigentlich und hauptberuflich ist Prinz als Werbe- und Magazinfotograf tätig, die abendlichen Stunden inmitten von Bauschutt, Baggern und Eisenstangen sind sein großes Hobby – aus dem nun gleich zwei Bildbände geworden sind (siehe Infobox). Begonnen hat alles Anfang der 2000er-Jahre, als das Fabriksgelände von Casali und Napoli in der Laxenburger Straße abgerissen wurde. „Ich bin dort in der Gegend aufgewachsen, wir haben da früher immer gespielt“, erinnert sich Prinz. Über die Jahre hat er immer wieder Abbruchhäuser fotografiert, seit dem Abriss des alten Südbahnhofs im Jahr 2010 „verfolge ich die Sache diszipliniert“.

Ganz legal ist es freilich nicht immer, wenn Prinz im Abendlicht durch Bauschutt klettert, das Stativ in der Hand, die Kamera im Rucksack. In vielen Fällen ist er mit den Bauträgern oder den Abbruchfirmen in Kontakt und auch offiziell da. Begeistert sind aber nicht alle Bauträger, nicht nur wegen des Unfallrisikos, „man ist einfach immer ein Störkörper, das ist klar“. Einer, der länger bleibt. Prinz fotografiert die Abbruchhäuser „old school“ mit einer analogen Mittelformatkamera (für Kenner: einer Mamiya RZ67), das sei spannender als mit einer Digitalkamera, mit der man viel schneller abdrücke. „Mit einer Analogkamera überlegt man ganz anders, hat nur eine beschränkte Anzahl an Versuchen.“

Bis er ein Motiv entdeckt, seine Kamera aufgebaut hat, kann es dauern. Zumal gerade im Winter – seiner bevorzugten Jahreszeit für die Aufnahmen in Abbruchhäusern – im Abendlicht die Belichtungsdauer bis zu einer halben Stunde beträgt. Ein wenig versteckt im Nebel oder von einer Schneeschicht überzogen mag Prinz die zerstörten Gebäude am liebsten, „das spiegelt die düstere Stimmung wider“. Auch tagsüber hat Prinz Abbruchbauten fotografiert, „da war das Licht aber nicht ideal, die Schatten waren zu hart“, sagt der 37-Jährige. „Und ein heller Himmel passt auch nicht zur Stimmung.“

Blättert man in seinem Bildband, entdeckt man die Ruinen vieler Gebäude, die man schon fast vergessen hat: Das Opec-Gebäude am Donaukanal, die alte AUA-Zentrale in Oberlaa oder das Kaiserin-Elisabeth-Spital. Manche Aufnahmen erinnern an die Bilder von zerstörten Häusern in Kriegsgebieten. Eine Parallele, die Prinz bewusst ist. Seine Fotografien haben alsÜberthema die Vergänglichkeit, die Zerbrechlichkeit. „Wir in der westlichen Welt glauben immer, dass bei uns alles unzerstörbar ist“, sagt er. „Die Menschen in Syrien haben sich vor 20 Jahren auch nicht vorstellen können, dass ihre Städte einmal so aussehen würden.“

Das Ende des Hanappi-Stadions – das neue Allianz Stadion eröffnet am Samstag – war für Prinz als Rapid-Fan ein besonderes Motiv. Auch der SK Rapid war von der Idee angetan, aus den Aufnahmen ist ein eigener Bildband entstanden („Die letzten Tage des Hanappi-Stadions“), der bei Rapid-Fans (Nostalgie!) sehr beliebt ist. Die erste Auflage ist schon fast vergriffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Juli 2016)

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