Nach dem IS-Prozess: Und was nun?

Adam Lamberd will verurteilte IS-Anhänger im und nach dem Gefängnis mit Kampfsport weg vom Radikalismus bringen.
Adam Lamberd will verurteilte IS-Anhänger im und nach dem Gefängnis mit Kampfsport weg vom Radikalismus bringen.Die Presse/Clemens Fabry
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Wenn IS-Rückkehrer verurteilt werden, dann fängt die wahre Arbeit erst an. Wie bringt man sie dazu, sich von ihrer Ideologie zu befreien? Und können Kampfsportler dabei helfen?

Wien. Wenn Mairbek Taisumov in den Ring steigt, jubelt das Publikum. Der gebürtige Tschetschene ist für viele ein Idol. Der gläubige Muslim kam als junger Flüchtling nach Österreich und hat sich hier zum internationalen gefeierten Mixed-Martial-Arts-Star hochgekämpft. Wenn Taisumov etwas sagt, dann hat das unter seinen Anhängern Gewicht.

Bald könnte Taisumov wieder einigen seiner Fans nahe sein – wenn auch nicht im Ring. Es sind Gefängnisinsassen, denen eine Verbindung zur Terrorgruppe IS nachgewiesen werden konnte. Ausgerechnet um sie wollen sich Taisumov und andere Kampfsportler nun kümmern.

Anfang August werden er und seine Kollegen das Gefängnis Wien-Josefstadt besuchen und vor Mitarbeitern des Gefängnisses und des Justizministeriums ein Konzept vorstellen. Das Ziel: Mit Hilfe von Sport wollen sie bei der Deradikalisierung von Terror- und IS-Sympathisanten helfen. Viele für Radikalisierung empfängliche Menschen trainieren auch Kampfsport wie Mixed-Martial-Arts oder Thaiboxen. Nun wollen ihre Idole zeigen: Gewalt im Namen von Religion ist keine Lösung.

Noch ist das Projekt allerdings nicht mehr als eine Idee. „Sie stellen uns das Konzept einmal vor. Es wird erst geprüft, ob das passend ist“, sagt Andrea Moser-Riebniger, Leiterin der Abteilung Vollzug und Betreuung in der Strafvollzugs-Generaldirektion im Justizministerium. Wird es für gut befunden, könnte es ein weiterer Baustein sein, wie mit IS-Anhänger umgegangen werden kann. Denn während für die Öffentlichkeit die Fälle meist mit der (rechtskräftigen) Verurteilung endet, fängt in Wahrheit dann der Weg erst an: Wie holt man diese Personen in die Gesellschaft zurück? Und wie bringt man sie von ihren extremen Ideen ab?

Der Mann, der dabei einen wichtigen Beitrag liefert, ist Moussa al-Hassan Diaw, seit Februar arbeiten alle Gefängnisse in Österreich mit seinem Verein Derad zusammen. Der Pädagoge und Islamismus-Forscher soll in Gesprächen die jungen Menschen dazu bringen, ihre extremen Ideen zu hinterfragen. Mit mehr als 34 Insassen haben er und seine acht Kollegen mittlerweile Gespräche geführt. Sie gestalten sich je nach Alter, Herkunft und Vorgeschichte des Häftlings unterschiedlich und finden im Schnitt alle zehn bis 14 Tage statt. „Uns ist wichtig, dass die Gespräche eine Wirkung hinterlassen, dass die Menschen darüber nachdenken“, sagt al-Hassan Diaw. Wobei die Arbeit seines Vereins für die Insassen nur ein Rädchen im Zusammenspiel mit dem sozialen und psychologischen Dienst sowie der Bewährungshilfe sei. Denn bei der Deradikalisierung geht es nicht nur um das Korrigieren von ideologischen Ideen. „Bei den jungen Menschen ist oft ein Gefühl von Frustration da, das Gefühl, in gewissen Bereichen wie Familie, Arbeit etc. nicht anerkannt zu werden“, sagt al-Hassan Diaw. So sieht das auch Andreas Zembaty, Sprecher des Bewährungshilfevereins Neustart: „Wenn sie eine Wohnung und Arbeit haben, dann ist es unglaublich, wie rasch die Betroffenen oft eine bürgerlich-angepasste Identität haben.“ Allerdings, schränkt er ein, seien härtere Fälle noch in Haft.

Ein Buddy für den Häftling

Damit junge Menschen sich dem IS nicht anschließen, sind heimische Kampfsportler bereits aktiv geworden. Unter dem Label Not in God's Name haben sie eine Kampagne gestartet und sich gegen Gewalt im Namen der Religion ausgesprochen („Die Presse“ berichtete). Nun schwebt ihnen ein weiteres Projekt vor, in dem Häftlinge auf Bewährung von einem Kampfsportler betreut werden. „Jeder bekommt einen Buddy mit dem gleichen oder ähnlichem Migrationshintergrund“, sagt Projektinitiator Alexander Karakas. Die Sportler würden mit Ex-Häftlingen trainieren, ihnen beim Bewerbungsschreiben helfen. Die Gruppe habe auch schon eine HTL organisiert, wo junge Menschen in eine Ausbildung schnuppern können. „Als Muslim hast du schon Probleme, einen Job zu finden, aber wenn du vorbestraft bist, dann gute Nacht“, sagt Karakas, der selbst gläubiger Christ ist. Die Probleme, mit denen junge Menschen konfrontiert sind, kennen die Kampfsportler. Thaibox-Weltmeister Foad Sadeghi floh aus dem Iran, Thaiboxer Karim Mabrouk hat ägyptische Wurzeln, Mairbek Taisumov und Arbi Agujev tschetschenische.

„Die jugendlichen IS-Anhänger sind Österreicher. Sie sind hier geboren oder aufgewachsen. Sie sind ein Produkt unserer Gesellschaft“, sagt Adam Lamberd, Tschetschene und Präsident des Austrian Institute for Caucasus Studies. Er wird das Projekt mit Karakas und den Kampfsportlern in der Justizanstalt präsentieren. Vorher ist für Donnerstag noch ein Besuch von Justizministeriumsvertretern im Kampfstudio Tosan angesagt, dem Vereinssitz von Not in God's Name. Immerhin soll nicht der Eindruck entstehen, dass im Gefängnis Kämpfer ausgebildet werden.

Langfristig will Karakas ein Jugendzentrum mit Kampfsporttraining öffnen. Kampfstudio-Besitzer Foad Sadeghi bekäme viele Nachrichten von jungen Flüchtlingen, die mit ihm trainieren wollen. Alle könne er nicht aufnehmen. „Die meisten Flüchtlinge lehnen den IS ab, aber wenn sie nach zwei Jahren in Österreich noch immer keine Perspektive haben, dann könnte es anders sein“, sagt Karakas. „Dann ist der Terror aber hausgemacht.“

AUF EINEN BLICK

Not in God's Name heißt die Kampagne rund um Alexander Karakas, in der sich (vor allem muslimische) Kampfsportler gegen den IS und jegliche Gewalt im Namen der Religion aussprechen. Mit einem neuen Projekt möchten sie nun bei der Deradikalisierung von verurteilten IS-Anhängern helfen. Sie stellen Anfang August ein entsprechendes Projekt in der Justizanstalt Josefstadt vor Mitarbeitern des Gefängnisses und des Justizministeriums vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2016)

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