Drogenhandel verlagert sich in Bars

Um den Augen der Polizei zu entgehen, drängen Drogendealer am Gürtel mit ihrem Geschäft vermehrt in die Lokale.
Um den Augen der Polizei zu entgehen, drängen Drogendealer am Gürtel mit ihrem Geschäft vermehrt in die Lokale. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Problem mit Dealern am Gürtel ist zwar kleiner geworden, aber noch nicht verschwunden. Es verlagert sich vor allem in Lokale und Seitengassen der ehemaligen Hotspots.

Wien. Ein Abend im Wiener Gürtellokal Rhiz ist dieser Tage eigentlich wie immer: Junge Musikinteressierte und Künstler treffen sich zum Biertrinken, ab und zu kommt ein Obdachloser in den Gastgarten, um sich eine Zigarette zu erschnorren. Und nach wie vor drehen auch etliche Dealer Runden und bieten ihre Ware entlang der Gastgärten am Gürtel an. Unverändert jagt die Polizei ihnen hinterher und kontrolliert. Und noch immer muss sie Dealer in vielen Fällen wieder ziehen lassen, weil sie keine Suchtmittel finden. Seit das neue Drogengesetz am 1. Juni in Kraft getreten ist, haben die Verkäufer dazugelernt und tragen ihre Ware seltener am Körper, sondern verstecken sie in der Nähe. Beim „Presse“-Lokalaugenschein am Dienstagabend war dies relativ offensichtlich ein Papiercontainer, aus dem immer wieder etwas herausgenommen wurde.

Weniger Dealer unterwegs

Das Problem ist also noch nicht vollends gelöst, die Wirte sind über das neue Drogengesetz dennoch froh – und mit der Arbeit der Polizei überwiegend zufrieden. „Die Dealer nerven manchmal, aber es war schon viel schlimmer. Es sind weniger geworden“, sagt ein Kellner im Rhiz. Hier genießt man die derzeitige Entspannung: „Es waren vor dem neuen Gesetz einfach viel zu viele, die auch aufeinander losgegangen sind. Frauen wurden belästigt.“ Mit dem neuen Gesetz seien fast alle zuerst verschwunden. Doch einige kehren nun zurück und ändern ihre Methoden. Zuerst hätten einige etwa versucht, das Dealen von der Straße in die Lokale zu verlagern. „Es ist wie ein Katz-und-Maus-Spiel“, sagte ein Polizist. „Wir wissen, dass das so ist, aber in Lokalen zu kontrollieren ist gerade bei Veranstaltungen schwieriger.“

Die Bars haben aber auch schon selbst auf den aufkeimenden Indoorhandel reagiert und Türsteher engagiert, die auffällige Personen gar nicht erst hineinlassen. Andere Gürtellokale, die wie das Coco auf Türsteher verzichten, beschreiben wieder vermehrt Probleme mit Dealern. „Sie versuchen derzeit leider immer wieder, in der Bar zu verkaufen. Wir versuchen, sie rauszuschmeißen oder die Polizei zu rufen, wenn jemand verdächtig ist“, sagt eine Kellnerin.

Verdächtig. Das heißt in diesem Kontext offenbar in erster Linie männlich, jung und schwarz. Zumindest sind das während des „Presse“-Lokalaugenscheins die einzigen Personen, die von der ständig anwesenden Polizei kontrolliert werden. Was auf den ersten Blick rassistisch wirken könnte, hat einen Grund. Zwei Wochen nachdem das neue Gesetz in Kraft getreten ist, hat die Polizei Mitte Juni eine erste Bilanz veröffentlicht: 102 Männer wurden in diesem Zeitraum festgenommen – 80 Prozent davon sind Asylwerber.

Anders als häufig propagiert wurde, stammen sie aber nur in den seltensten Fällen aus den großen Einwanderungsländern Afghanistan, Irak oder Syrien. 57 der festgenommenen Personen kommen aus Nigeria, 15 aus Algerien, 13 aus Gambia – der Drogenhandel auf Wiens Straßen ist also vor allem in afrikanischer Hand.

Mittlerweile wurden schon Hunderte Männer verhaftet und angezeigt. Dass die Dealer deswegen verschwinden, das glaubt aber nicht einmal die Polizei. „Derzeit ist die Lage einigermaßen ruhig, aber wir beobachten, ob und wie es längerfristige Verlagerungen gibt“, sagt Michaela Rossmann, Sprecherin der Wiener Polizei. Kleine Straßendealer sind für die Hintermänner recht leicht austauschbar, falls diese verhaftet werden.

Neue Umschlagplätze

Die künftigen Drogenhotspots zeichnen sich langsam ab: Einerseits wird eben nun auch versucht, indoor zu handeln. Erst vor einer Woche hatte etwa ein Polizeihund 99 Säckchen Cannabis unter der Sitzfläche eines Barhockers am Lerchenfelder Gürtel aufgespürt.

Andererseits treiben sich nun wieder vermehrt Dealer in nahe gelegenen Seitengassen herum. Im Fall des „ehemaligen“ Hotspots Josefstädter Straße hat sich das Dealen in Richtung des siebenten Bezirks bis zur Kaiserstraße verlagert.

Auch die Drogenszene auf dem Brunnenmarkt in Ottakring hat sich nun wieder weitläufiger in die Nebenstraßen in Richtung des 15. Bezirks verteilt. Die Szene der Gumpendorfer Straße hat sich in Richtung Wallgasse verlagert – und offensichtlich auch in Häuser der Umgebung. Zwei Anrainer berichten der „Presse“ unabhängig voneinander, schon im Haus Drogen angeboten bekommen zu haben.

Auf einen Blick

Drogenhandel. Mit 1. Juni ist ein neues Drogengesetz in Kraft, das die Straßendealerei eindämmen sollte – es gab seitdem bereits Hunderte Anzeigen und Verhaftungen. Dennoch kommen immer neue Dealer nach, das Problem verlagert sich teilweise auch nur: am Gürtel in die Lokale, beim Brunnenmarkt und bei der Gumpendorfer Straße vor allem in die Seitengassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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