Wiener Spitalsärzte bereit für Streik

Ein Streik der Wiener Spitalsärzte wird nach der eindeutig ausgefallenen Abstimmung immer wahrscheinlicher.
Ein Streik der Wiener Spitalsärzte wird nach der eindeutig ausgefallenen Abstimmung immer wahrscheinlicher.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

93 Prozent der Mediziner stimmten bei einer Befragung der Ärztekammer für einen Streik, sollte es keine „zufriedenstellende Lösung“ bei der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes geben.

Wien. Mit einem eindeutigen Ergebnis endete am Montag die Abstimmung der Wiener Ärztekammer zur Streikbereitschaft der Spitalsärzte. 92,78 Prozent der Mediziner des Krankenanstaltenverbundes (KAV) sprachen sich für Protestmaßnahmen aus und votierten dafür, bei Bedarf sogar zu streiken.

Der Grund für die Befragung war die Ankündigung des KAV, in den Gemeindespitälern mit 1. September 40 Nachtdiensträder (von 350) zu streichen und rund die Hälfte der restlichen Dienste in 12,5-Stunden-Schichtdienste (statt wie bisher 25-Stunden-Dienste) umzuwandeln.

Diese Dienste werden von den meisten Ärzten abgelehnt, weil ihrer Meinung nach unter den vielen Dienstübergaben, bei denen es zwangsläufig zu Informationsverlusten kommt, die Patientenversorgung leidet. Kammerpräsident Thomas Szekeres hatte zudem kritisiert, dass „diese Maßnahmen seitens des KAV ohne vorherige Evaluation oder Diskussion mit den betroffenen Abteilungen beschlossen wurden“.

Beratungen am Mittwoch

In der Ärztekammer wird nun am Mittwoch über das Ergebnis der Abstimmung diskutiert. Die Kurie der angestellten Ärzte wird in einer außerordentlichen Sitzung das weitere Vorgehen zunächst beraten und dann „entsprechende Protestmaßnahmen“ beschließen.

Die Frage, die den Ärzten in der Onlineabstimmung gestellt wurde, lautete: „Würden Sie sich aktiv an Protestmaßnahmen bis hin zu einem Streik im Wiener Krankenanstaltenverbund beteiligen?“ Die Beteiligung bei der Umfrage betrug 63,49 Prozent. 2313 Stimmen wurden abgegeben. 2146 stimmten möglichen Protestmaßnahmen zu. 86 Ärzte meinten, sich nicht an einem Streik beteiligen zu wollen, 81 Stimmen waren ungültig.

Eine vergleichbare Umfrage zum Thema Streikbereitschaft war bereits 2015 durchgeführt worden. Damals hatten sich 93,45 Prozent für mögliche Kampfmaßnahmen ausgesprochen. Szekeres sieht nun vor allem den KAV gefordert: „Die Wiener Kollegenschaft hat ein klares Machtwort gesprochen. Falls der KAV auf seiner Linie beharrt und weiter das Ziel von Personalausdünnung und Leistungsminimierung verfolgt, werden wir dieses Mandat sehr ernst nehmen und gegebenenfalls auch umsetzen.“

KAV zeigt „kein Verständnis“

Der KAV meinte in einer ersten Reaktion, dass man das Ergebnis zur Kenntnis nehme. Man erkenne darin „noch bestehende Verunsicherung und Sorgen der Ärztinnen und Ärzte, was die neuen Dienstzeiten betrifft“, teilte KAV-Generaldirektor Udo Janßen mit. An der Umsetzung des vereinbarten Pakets führe aber „kein Weg vorbei“. Mehr als ein Drittel der Abteilungen würde bereits nach den neuen Dienstzeiten arbeiten: „Warum das nun Proteste oder gar Streiks erforderlich machen sollte, entzieht sich meinem Verständnis.“

Nach Bekanntwerden des Ergebnisses reagierten am Montag auch die Oppositionsparteien und forderten die Stadtregierung auf zu reagieren. Denn das Resultat der Abstimmung sei „einzig und allein das Ergebnis einer verfehlten Gesundheits- und Personalpolitik in Rot-Grün“, meint die FPÖ-Gesundheitssprecherin im Parlament, Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

„Hauptverantwortlich“ für diese sei Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), die seit Jahren eine „Kopf-durch-die-Wand-Politik“ in Sachen Gesundheitsversorgung betreibe, „die nicht nur zulasten von Ärzten und medizinischem Personal, sondern vor allem auch zulasten der Patienten geht“.

„Die Wiener Stadtregierung und insbesondere die Führung des KAV haben dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der neuen Ärztearbeitszeiten umgehend eingehalten werden – alles andere ist ein fahrlässiger Umgang mit der Versorgung der Wiener Patienten“, sagt auch die Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP, Ingrid Korosec. Für die Wiener Neos ist das Ergebnis ein deutliches Zeichen, dass die Ärzte mit dem Vorgehen des KAV bzw. von Stadträtin Wehsely „absolut unzufrieden“ sind.

„Der Opposition geht es wieder einmal nicht um die Sache“, wies der Wiener SPÖ-Gemeinderatsabgeordnete Kurt Wagner die Kritik zurück: „Das vor mehr als einem Jahr sozialpartnerschaftlich vereinbarte Paket ist umzusetzen, der KAV tut das bereits. Aber die Ärztekammer und die Opposition machen es stattdessen zum Politikum und wollen politisches Kleingeld daraus schlagen.“

Auf einen Blick

Protest. Die Wiener Spitalsärzte haben sich in einer von der Ärztekammer initiierten Abstimmung mit großer Mehrheit für Protestmaßnahmen ausgesprochen, falls keine „zufriedenstellende Lösung“ bei der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes erzielt wird. 92,78 Prozent votierten dafür, bei Bedarf sogar zu streiken. Einer der Gründe für die Befragung ist die mit 1. September geplante Streichung von 40 Nachtdiensträdern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nach dem Urteil des Richters wird nun über ihn selbst geurteilt – nämlich bei der Frage nach seiner Befangenheit.
Wien

Fall Rainer: War der Richter befangen?

Hat Helge Eckert im Auftrag des KAV Vorträge gehalten? Und wie lange ist das her? Darüber muss nun das Arbeitsgericht entscheiden.
Gernot Rainer will einen neuen Richter, der seine Klage prüfen soll.
Wien

Fall Rainer: Ablehnungsantrag gegen Richter

Der vorsitzende Richter, Helge Eckert, soll im Auftrag des Krankenanstaltenverbundes Vorträge gehalten haben und sei daher befangen. Er hatte Rainers Klage gegen den KAV, der seinen Vertrag als Arzt nicht verlängerte, abgewiesen.
Archivbild: Gernot Rainer bei einem ''Presse''-Interview im Vorjahr
Wien

Urteil: Kritischer Arzt Gernot Rainer verliert gegen Stadt

Der Lungenfacharzt hatte auf Wiedereinstellung geklagt, da er das Auslaufen seines Dienstvertrags im Otto-Wagner-Spital als Folge seines gewerkschaftlichen Engagements ansah.
Gernot Rainer kritisiert die Klassenmedizin in Österreich.
Wien

Gernot Rainer: „Trend zu Eigenverantwortung ist unfair“

Sein Vertrag im Otto-Wagner-Spital wurde nicht verlängert, weil er sich mit den „Gesamtinteressen der Stadt“ nicht identifizieren könne. Seither betreibt Lungenfacharzt Gernot Rainer eine Wahlarztpraxis. Und er hat ein Buch geschrieben.
Sonja Wehsely will bei Gesprächen mit Personalvertretern Sorgen abbauen. Streikgründe sieht sie nach wie vor nicht.
Wien

Last-Minute-Treffen: Wehsely hofft auf Absage des Ärztestreiks

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely will Last-Minute-Gespräche mit Personalvertretern im Krankenanstaltenverbund führen, um den für Montag geplanten Streik der Ärzte zu verhindern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.