Wie krisenfest ist der Flugverkehr?

Flughafen Wien
Flughafen Wien(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Datenpanne und ein Hackerangriff türkischer Nationalisten sorgten für Unruhe unter österreichischen Passagieren. Bestand je eine Gefahr? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wiens Flughafen in Schwechat war im Lauf der vergangenen Tage bemerkenswert oft mit Krisenmeldungen in der Öffentlichkeit. Am 28. August saßen die Passagiere von 32 Flügen in der Abflughalle fest, weil die Maschinen wegen einer zunächst nicht näher beschriebenen Datenpanne auf dem Boden bleiben mussten. Vergangenen Freitag schließlich griffen Hacker die Systeme des Airports an. Haben die beiden Fälle miteinander zu tun? Und bestand je ein Gefahr für Passagiere? „Die Presse“ fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen.

1. Warum mussten am 28. August einige tausend Passagiere warten?

An jenem Sonntagabend erteilte der Tower des Flughafens Wien den an den Gates wartenden Maschinen keine Starterlaubnis mehr. So skurril das für einen Hightech-Betrieb des 21. Jahrhunderts vielleicht klingt: Der Grund dafür war, dass niemand genau wusste, wann, wie und wohin die Jets eigentlich fliegen sollten. Österreichs Flugsicherung, der Austro Control, standen – das war ziemlich schnell klar – nämlich die wichtigen Flugplandaten nicht zur Verfügung. Diese Daten werden zentral bei Eurocontrol in Brüssel gesammelt und von dort an die Flugsicherheitsbehörden all jener Länder verschickt, die von den Flügen in irgendeiner Form betroffen sind. Meist sind das Start- und Zieldestination sowie Staaten, durch deren Luftraum die Route (exakte Flughöhe inklusive) führt.

Diese wichtigen Daten wurden von Eurocontrol zwar in das Verbundsystem eingespeist, konnten in Wien jedoch nicht in die dafür vorgesehenen Computer übernommen werden. Vereinfacht gesagt versagte genau jener Teil der Austro-Control-Infrastruktur, der die Post aus Brüssel normalerweise ins eigene Logbuch überträgt.

Etwas mehr als eine Woche später schließt die Flugsicherung nun einen Hackerangriff als Ursache für das Problem dezidiert aus. Man habe das mehrfach und sorgsam überprüft. Verantwortlich sei vielmehr ein Problem zwischen Hard- und Software gewesen, das so bisher noch nie aufgetreten sei. Eine Gefahr für die Passagiere habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, weil Maschinen, für die keine Flugplandaten vorliegen, gar keine Starterlaubnis bekämen. Nach Ansicht der Austro Control sei der Vorfall mit der höheren Gewalt eines Wetterereignisses vergleichbar, das ebenfalls Verzögerungen auslösen könne. Schuldhaftes Verhalten sei derzeit nicht zu erkennen. Um das Risiko eines zweiten, ähnlichen Zwischenfalls zu vermeiden, habe man trotzdem Systemoptimierungen vorgenommen.

2. Warum interessierten sich Hacker für den Wiener Flughafen?

Weil sich so Ideologie und Aktivismus öffentlichkeitswirksam präsentieren lassen. Vergangenen Freitag (2. September) griffen Hacker die mit dem Internet verbundenen Systeme des Flughafens Wien an. Die Zeitung „Kurier“ vermutete in einem Artikel einen Zusammenhang mit der Notlandung einer British-Airways-Maschine, die von Istanbul nach London unterwegs war. Demnach musste ein Teil der Passagiere die Nacht in der Transitzone verbringen, weil sie keine Visa für Österreich hatten. Die Türkei fordert derzeit vehement die Einführung der Visafreiheit für Türken in der EU. Einige EU-Staaten hingegen, allen voran Österreich, kritisierten zuletzt die autoritären Tendenzen in der Türkei.

Verletztes Ehrgefühl als Tatmotiv ist jedenfalls nicht auszuschließen. Die Gruppierung Aslan Nererler Tim, die sich zum Angriff auf den Flughafen bekennt, hat in der Vergangenheit schon mehrfach mit der gleichen Motivlage für Aufsehen gesorgt. Beispielsweise griffen sie die Website des deutschen Bundestagsabgeordneten und Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, an. Dieser war einer der Initiatoren der offiziellen Verurteilung des einstigen Völkermords an Armeniern durch das Osmanische Reich. Auch die IT-Infrastruktur der armenischen Regierung war bereits Ziel von Aslan Nererler Tim.

Die Gruppe ist stark nationalistisch und religiös geprägt. Nach eigenen Angaben kämpft sie für „Vaterland, Religion, die eigene Flagge und das türkische Volk“. Zu den erklärten Feinbildern gehören die kurdische Terrororganisation PKK genauso wie die Kurdenpartei im türkischen Parlament (HDP). Wegen des türkeikritischen Kurses ist nun wohl auch Österreich Zielland für ihre Hackerangriffe geworden. Wegen des politisch-ideologischen Hintergrunds führt der Verfassungsschutz Ermittlungen in dem Fall durch. Die türkische Hackergruppe vertraut dabei jedoch auf göttlichen Beistand. Zitat aus einer Selbstbeschreibung: „Möge uns Allah bei unseren Operationen begleiten.“

3. War der Hackerangriff eine Gefahr für den Flugbetrieb?

Nach Angaben des Flughafens nicht. Tatsächlich hat der Airport-Betreiber ähnliche Szenarien bereits im Vorfeld mehrfach mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Planspielen geübt. Beim aktuellen Angriff konnten gefährliche Datenströme der Angreifer großteils gefiltert werden. Eine Garantie dafür, dass das auch bei künftigen Angriffen so bleibt, ist das freilich nicht. (awe)

AUF EINEN BLICK

Am 28. August konnte 32 Maschinen in Wien-Schwechat nicht starten. 31 weitere landeten nicht. Grund war ein Defekt bei der Übermittlung von Flugplandaten. Die Austro Control schließt einen Hackerangriff aus.

Am 2. September wollten Hacker die Systeme, vor allem aber die Website des Flughafens Wien, in die Knie zwingen. Der Flughafenbetreiber war vorbereitet, aktivierte Notmaßnahmen und überstand den Angriff unbeschadet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)

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