Die Wiener Stadtreiter

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Pferde sind mit der Geschichte Wiens untrennbar verbunden. Heutzutage sieht man aber nur noch selten Reiter in der Stadt. Dabei haben die Freizeitreiter Wien nie verlassen.

Wien. Die Ponys lassen sich von dem Gabelstapler nicht stören. Sie grasen in der Wiese, während das kleine Gefährt neben ihnen hin und her flitzt. Neben den Tieren werden noch schnell Boxen aufgebaut – um die Turnierpferde unterzubringen. Denn seit Donnerstag findet in Wien die Vienna Masters, ein internationales Springreitturnier mit allerlei Nebenbewerben, statt (siehe Artikel unten). Wien als Austragungsort für Spitzensport – das passt. Mit der ältesten Reitschule der Welt, der Spanischen Hofreitschule, den Lippizanern, aber auch den Fiakern sind Pferde untrennbar mit der Geschichte der Stadt verbunden – selbst wenn seit knapp hundert Jahren keine Pferde mehr in den Hofstallungen im Museumsquartier wohnen.

Dabei haben die Reiter die Stadt nie verlassen. Rund 3000 Pferde und 1800 Reiter sind beim Wiener Sportpferdeverband gemeldet. Die Kerngebiete für die Reiter sind (wie schon zu Kaisers Zeiten) der Prater und die Lobau. Wobei der Prater heutzutage eine Besonderheit aufweist: Einmal dort, kommt man als Reiter schwer wieder weg. „Weil er nur über Brücken mit anderen Stadtteilen verbunden ist“, sagt Richard Schmitz, Präsident des Wiener Pferdesportverbands.

Direkt im Prater, gleich neben dem Lusthaus, ist auch das Areal des Reitvereins Freudenau, ein gemeinnütziger Verein, wo eben für das Turnier die Boxen aufgestellt werden. Daneben werden Pferde mit Fliegenschutz auf die Koppel gebracht, eine Reiterin trainiert Dressur. Es riecht nach Heu und Pferd, Schmeißfliegen schwirren herum: Nichts erinnert daran, dass man in der Stadt ist. Und das ist seit mehr als 60 Jahren so. Damals wurde der Reitverein gegründet, Vereinsobmann Robert Novak, der mit blauen Turnschuhen und einem weinroten ausgetragenen Polohemd durch das Areal führt, fing hier vor 40 Jahren zu reiten an. „Früher haben wir uns am Samstag und Sonntag im Stall getroffen und sind nachher noch weggegangen.“

Auf dem weitläufigen Areal sind die zehn Reitschulpferde des Vereins, Ponys und 180 Privatpferde untergebracht. Die wenigsten der Besitzer seien besonders reich, auch gebe es überraschend viele Lehrer unter den Pferdebesitzern. „Reich sein, das war einmal“, erklärt Novak, auch wenn noch immer viele Menschen glauben würden, dass Reiten ein Elitensport sei. „Eine Tennisstunde mit Lehrer ist teurer“, ist der Mann mit den wasserblauen Augen überzeugt.

Besser als London

Und beim Reiten würde man viel fürs Leben lernen. Eine der Lektionen: „Nur mit Gewalt kommt man nicht durch“, sagt er. Weiters werde der Körper durchs Reiten stimuliert. Nicht umsonst werden Pferde etwa für die Therapie eingesetzt. Oder für teure Managementkurse. Er lacht. „Was die Manager dort lernen, bringen wir jedem unserer Schüler in den ersten Stunden bei.“

80 aktive Reiter hat der Verein derzeit. Insgesamt gibt es 53 Reitvereine in Wien, bei denen man teilweise auch das Reiten lernen kann, heißt es aus dem Landesverband. Der Großteil der Reiter sind Frauen, beim Reitverein Freudenau starten die Schüler mit 14 Jahren. Kinder ab sechs Jahren werden im benachbarten Reitverein Cavallino auf Ponys unterrichtet.

Ein Schnäppchen sind Reitstunden trotzdem nicht. Eine Stunde kostet in der Freudenau zwischen 24 und 32 Euro. Trainiert wird in der Halle, gesprungen auf dem Sprungplatz und ausgeritten im Prater – auf eigens ausgeschilderten Reitwegen. „In New York oder London gibt es nicht so gute Bedingungen“, sagt Novak. Auch wenn man in der Stadt mehr auf andere schauen müsste. Mit Mountainbikern gebe es jedenfalls regelmäßig Ärger.

Dabei tummeln sich innerhalb der Stadt gar nicht die meisten Reiter Wiens, die sind in Niederösterreich unterwegs, wo es allein im Wienerwald 120 Kilometer Reitwege gibt. 15.000 Mitglieder zählt dort der Pferdesportverband. Ein Viertel kommt aus Wien. Die Zahl der Reitschulen sinkt dort allerdings. Rund ein Viertel, klagt Breitensport-Koordinator Friedrich Schuster, hätte heuer zugemacht und sich nur mehr auf das Einstellen von Pferden konzentriert. Schuld daran seien die Registrierkassa und die neue Regelung, dass Einstellbetriebe eine höhere Umsatzsteuer abführen müssen. Schuster ist daher ein Fan von Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge. „Die würden die Situation entlasten.“

AUF EINEN BLICK

Reiten in der Stadt. Der Pferdeverband Wien (www.reitenwien.at) führt auf seiner Website eine Liste mit Reitschulen und -vereinen in Wien. Der Reitverein Freudenau (www.reitverein-freudenau.at) ist direkt im Prater beheimatet, daneben liegt der Reitverein Cavallino (rv-cavallino.at), wo Kinder ab sechs Jahren unterrichtet werden. Viele Wiener Reiter weichen auch nach Niederösterreich (www.noe-pferdesport.at) aus, wo es mehr Reitwege gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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