Ist die Justiz bei Drogen zu milde?

Jahresbericht zur Rauschgiftkriminalit�t
Jahresbericht zur Rauschgiftkriminalit�t(c) APA/dpa/Christian Charisius
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Wird das Motto „Therapie statt Strafe“ von suchtkranken Kriminellen missbraucht? Zwei konkrete Fälle sorgen für Debatten.

Wien. Zwischen gut und gut gemeint können bekanntlich Welten liegen. Diese Erfahrung könnte sich auch bei der Justiz einstellen. Über zwei konkrete Fälle, in denen Straftäter von einer Bestimmung im Suchtmittelgesetz, nämlich von dem Motto „Therapie statt Strafe“, profitieren, wird derzeit diskutiert. Das Justizressort verweist darauf, dass die derzeitige Ausgestaltung des Suchtmittelgesetzes die Wiederverurteilungsrate senke.

Fall 1: Eine drogenabhängige Frau (23) hetzt im heurigen März in der Wiener Innenstadt ihren Staffordshire-Terrier auf eine schwedische Touristin. Die Täterin entreißt dem Opfer die Handtasche. Im August wird die Frau als Räuberin zu drei Jahren (unbedingter) Haft verurteilt. Absitzen muss die Frau ihre Strafe bis auf Weiteres nicht. Da sie drogenabhängig ist und die Strafe drei Jahre nicht übersteigt, räumt ihr das Suchtmittelgesetz die Möglichkeit ein, sich in Drogentherapie (teils unter stationären Bedingungen) zu begeben. Die Haft wurde aufgeschoben. Wird die Therapie absolviert, wird die Strafe nachträglich in eine bedingte Strafe (Bewährungsstrafe) umgewandelt. Juristen kritisieren, dass diese Regelung zu eigenartigen Sonderbehandlungen führen könne. So könnte zum Beispiel der drogenkranke Anführer einer Bande verurteilt werden und in Therapie kommen, Mitläufer hingegen könnten – so sie keine Drogen nehmen – „sitzen“ müssen. Außerdem knüpft die Therapie-Regel an das Suchtmittelgesetz an. Andere Abhängigkeiten, etwa Spielsucht, sind nicht erfasst.


Fall 2: Ein Drogenhändler wurde im August 2015 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Strafe wurde aufgeschoben. Der Mann begann zwar eine Therapie, versuchte aber, weiter Drogen zu verkaufen – und wurde daher vor Kurzem erneut verurteilt. Wieder zu zweieinhalb Jahren Haft. Ob der frühere Strafaufschub widerrufen wird, ist noch offen. Hinsichtlich der neuen Strafe hat der Mann bereits wieder einen Aufschub beantragt. Ein Sachverständiger soll nun klären, ob der Mann überhaupt therapiefähig ist.

Das Justizressort verteidigt die Regelung. 673 gemäß Suchtmittelgesetz verurteilten Tätern wurde 2015 die Haft aufgeschoben. „Wenn jemand suchtfrei ist, ist die Prognose für ein deliktfreies Leben sicher besser“, so eine Ressortsprecherin. (m. s./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2016)

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