Hetzgasse: Schutzzone verhindert Abriss

Hetzgasse 8
Hetzgasse 8(c) Stanislav Jenis
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In der Hetzgasse 8 sollte der desolate Asbest-Altbau einem Niedrigenergieneubau weichen. Nun wurde eine Schutzzone verordnet, die Eigentümer ziehen vor Gericht.

Wien. Ingrid Soulier ist quasi der Miethai in personam. Zumindest wurde sie von den Grünen als solcher verteufelt, indem im Vorfeld der Wiener Gemeinderatswahl im Herbst 2015 symbolisch ein meterlanger Gummihai vor ihrer Immobilie in der Hetzgasse 8 aufgebaut wurde. Dort, im dritten Bezirk, sollte ein Neubau entstehen, nur noch eine Partei lebte im Haus, die sich weigerte auszuziehen. Damit machten die Grünen Stimmung für ihr Kernthema Wohnen. Man wolle künftig massiv gegen Immobilienspekulation und Mietervertreibung vorgehen und verhindern, dass Gründerzeitbauten abgerissen werden, hieß es damals.

Dieses Wahlversprechen lösen die Grünen nun ein: Am Mittwoch wurde eine Schutzzone über das Weißgerber- und Radetzkyviertel verhängt. Künftig können hier Häuser also nur mehr abgerissen werden, wenn es dafür eine Genehmigung gibt. Zuvor war schon eine Bausperre über das Grätzel verhängt worden, damit nicht noch vor Verhängung der Schutzzone etwas abgerissen werden konnte. Auch die Abrissarbeiten in der Hetzgasse wurden gestoppt. Dabei hatte Ingrid Soulier zu diesem Zeitpunkt eine gültige Neubaugenehmigung, weiters war eine Abbruchmeldung bei der Baupolizei gemacht worden – gegen die gab es keine Einsprüche. Das Gründerzeithaus wurde bis 2001 von der Stadt Wien als Gemeindebau genutzt, unter Wohnbaustadtrat Werner Faymann wurde es 2001 in schlechtem Zustand verkauft und ging 2012 an Ingrid Soulier. Sie wollte ein Niedrigenergiehaus mit 56 Mietwohnungen, einer begrünten Fassade und einem Kinderspielplatz im Hof bauen.

Fall vor Gericht

„Das Absurde ist: Wenn die Umstände und der Wahlkampf nicht gewesen wären, dann wäre dieses ökologische Projekt wohl wirklich ein Vorzeigeprojekt im Sinne grüner Politik geworden“, sagt Projektplaner Clemens Bauer. Man habe in den vergangenen Jahren viel Zeit und Geld in das Projekt gesteckt. Auch die letzten Mieter wurden mit 450.000 Euro Ablöse großzügig entschädigt. Der Stand des Projekts: eine Ruine, in der Wände und Decken fehlen. Bei Abbrucharbeiten wurde Asbest gefunden – deswegen dürfen manche Räume nicht betreten werden.

Das wird vermutlich auch noch einige Jahre so bleiben: Denn mittlerweile streiten die Stadt und Besitzer der Immobilie vor Gericht – und so ein Prozess kann dauern. Die einen sind der Meinung, es wurde widerrechtlich begonnen, das Haus abzureißen, die anderen pochen auf ihre Neubaugenehmigung.

Für die Grünen – mit Stadtplanungsstadträtin Maria Vassilakou auch zuständig für den Fall – geht es in erster Linie um das Prinzip: Das Argument, dass das Haus in einem derart schlechten Zustand sei, dass nur noch ein Abriss möglich sei, will man nicht gelten lassen: „Wir wollen nicht, dass in Wien Gründerzeithäuser Stück für Stück verschwinden, weil sie abgerissen werden – oder so lange verfallen gelassen werden, bis sie abgerissen werden müssen“, sagt der für Wohnbau zuständige grüne Gemeinderat Christoph Chorherr. Darum wurde die Schutzzone im Weißgerberviertel verhängt. Und man will künftig auch noch weitere dort verordnen, wo schützenswerte Gründerzeit-Ensembles stehen. In Hietzing und Döbling sind weitere Zonen in Vorbereitung. Das soll Immobilienbesitzer zwingen, ihre Häuser nicht verfallen zu lassen.

Im Gemeinderat wurde am Donnerstag für Bauträger noch eine weitere Auflage beschlossen. Der sogenannte Mobilitätsfonds wurde eingerichtet, in den Bauherren künftig einzahlen müssen. Wer in Wien einen Neubau errichten will, bekommt im Rahmen der sogenannten städtebaulichen Verträge auch aufgetragen, für die Allgemeinheit etwas zu tun. Etwa beim Bau eines Kindergartens mitzuzahlen, Grünraum zu errichten, einen Platz zu gestalten oder Ähnliches – immerhin würde man mit einem Neubau auch viel Geld lukrieren, so die Idee. Ein Teil dieser Verträge wird künftig sein, verpflichtend in den Fonds einzuzahlen. Mit dem Geld sollen in der Nähe Mobilitätsprojekte wie Stromtankstellen, E-Bike- oder Lastenradverleihe finanziert werden. „Oft“, so Chorherr, „sind es auch nur ganz kleine Dinge, die aber dem Grätzel in Dingen Mobilität helfen sollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2016)

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