Gerücht um das Griensteidl

Wien, Cafe Griensteidl - Vienna, Cafe Griensteidl
Wien, Cafe Griensteidl - Vienna, Cafe Griensteidl(c) Harald Jahn / picturedesk.com (Harald Jahn)
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Das Traditionscafé am Michaelerplatz soll einer Handelskette weichen, hieß es. Allein, der Hauseigentümer weiß davon gar nichts.

Wien. Im Zweifel lässt sich mit Traditionen brechen. Wenn viel Geld im Spiel ist, fällt das möglicherweise umso leichter. Um das Café Griensteidl am Michaelerplatz ist nun das Gerücht um genau so eine Situation in Umlauf gekommen – das Traditionskaffeehaus könnte verschwinden, hieß es im „Standard“. Weil der Hauseigentümer sich höhere Mieterlöse erwarte. Und eine internationale Einzelhandelskette an dieser Stelle eine höhere Marge abwerfen würde. Wie konkret die Pläne sind, bleibt allerdings im Dunkeln.

Bei den Kaffeesiedern sorgte die Nachricht jedenfalls für Aufregung. Aus wirtschaftlicher Sicht kann man sich das jedenfalls vorstellen: „Die Zeiten, in denen ein Café eine Goldgrube ist, sind vorbei“, sagt Wolfgang Binder, Interessenvertreter der Kaffeesieder in der Wirtschaftskammer. Gründe dafür gebe es viele. Personalkosten, Mietsteigerungen und in guten Lagen zuletzt auch höhere Gebühren für Schanigärten. „Handelsketten, die Flagshipstores machen wollen, haben sicher mehr Geld zur Verfügung als Kaffeehausbetreiber.“ Auch jene Cafés in der Innenstadt, die als Sehenswürdigkeit in Reiseführern stehen.

Die Sache mit der Tradition

Wobei das mit dem Griensteidl und der Tradition ja auch wieder so eine Sache ist. Das Café mit der Adresse Michaelerplatz 2 gibt es schließlich noch nicht einmal 30 Jahre. Das legendäre Literatencafé, in dem Karl Kraus, Peter Altenberg oder Felix Salten ihre Tage verbracht haben, hat mit dem heutigen Lokal nur den Namen gemein. 1847 vom vormaligen Apotheker Heinrich Griensteidl eröffnet, wurde es schnell zur Legende – und das nicht nur bei Künstlern. Auch für die Arbeiterbewegung um Victor Adler war das Café ein wichtiger Treffpunkt.

Doch 1897 wurde das Gebäude abgerissen, die Gäste wanderten unter anderem ins Café Central ab. Und an der gleichen Stelle entstand das Palais Herberstein. Erst 1990 feierte hier der Name Café Griensteidl seine Auferstehung. 2002 nahm es Attila Dogudan in sein Do&Co-Imperium auf. Doch ob altes Literatencafé oder gar nicht so alte Neuauflage, in der Kaffeehausszene sorgt die Meldung über eine mögliche Schließung für Aufregung. „Es ginge sehr viel Kultur verloren, von der auch Wien profitiert“, glaubt Wolfgang Binder.

Doch so sehr man es sich auch vorstellen kann – beim Hauseigentümer selbst weiß man von derlei Vorgängen nichts. „Do&Co hat einen unbefristeten Bestandsvertrag mit uns“, sagt Frank Aigner, Geschäftsführer der Schweighofer-Gruppe, zur „Presse“. „Wir könnten ihn gar nicht kündigen, selbst wenn wir wollten.“ Und vom Wollen wisse man sowieso nichts – bei der Holz- und Immobilienfirma gebe es keinerlei Pläne oder Gespräche zu diesem Thema. „Und ich weiß auch nicht, wer diese Gerüchte lanciert hat.“

Auch bei Do&Co zeigt man sich auf „Presse“-Anfrage verwundert. Man habe selbst nur aus den Medien davon erfahren – vielleicht wisse ja Attila Dogudan mehr. Doch der war zunächst nicht erreichbar. Im Zweifel könnte die ganze Sache mit dem Brechen einer Tradition also auch nur ein Gerücht gewesen sein. (eko)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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