Rechnungshof: Wien verkaufte Gründe unter Wert

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SymbolbildClemens Fabry / Die Presse
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Wien verzichtete bei Immobilienverkäufen freiwillig auf Millionen, Baurechte gab es „nahezu unentgeltlich“ – und das nicht nur für Gemeinnützige, sondern auch für Private.

Der Rechnungshof hat das Immobilienmanagement der Stadt Wien untersucht – und dabei grobe Mängel festgestellt. Das zeigt ein vertraulicher Rohbericht, der der „Presse“ vorliegt – vor allem mit Blick auf die ohnehin gespannte finanzielle Situation, die die Stadt dazu zwingt, sogar im Gesundheitswesen einen radikalen Sparkurs zu fahren.

Konkret hat der Bundesrechnungshof rund um das Immobilienmanagement der Stadt (MA 69) stichprobenartig 23 Transaktionen aus dem Zeitraum von 2005 bis 2014 untersucht. Dabei stellten die Prüfer fest: Wien verkaufte städtische Grundstücke massiv unter dem Marktwert. Auch Baurechte wurden zu einem Bauzins vergeben, der „nahezu unentgeltlich“ war. Und diese Sonderpreise galten nicht nur für gemeinnützige Wohnbauträger zur Ankurbelung des Wohnbaus, sondern auch für Einzelpersonen, wie festgehalten wird. Also auch für Privatpersonen.

In dem Bericht werden Beispiele angeführt, bei denen Grundstücke bis zu 40 Prozent unter dem Verkehrswert verkauft wurden; was der Rechnungshof wörtlich als versteckte Subvention an Wohnbauträger bezeichnet. Und diese Vorgehensweise war kein Einzelfall: Bei allen untersuchten Immobilientransaktionen hat die Stadt laut Rechnungshof im Durchschnitt freiwillig auf 25 Prozent des (selbst ermittelten) Verkaufspreises verzichtet. Im Bericht wird diese Vorgangsweise wörtlich so beschrieben: „Die Stadt Wien schöpfte beim Verkauf von Liegenschaften und bei der Einräumung von Baurechten ihr Einnahmenpotenzial nicht aus. Sie verkaufte zwei Liegenschaften an gemeinnützige Bauvereinigungen für Zwecke des sozialen Wohnbaus um bis zu 40 Prozent unter dem von ihr selbst angenommenen Verkehrswert.“

Großzügigkeit der Stadt Wien

Demnach wusste die MA 69 genau, wie viel das Grundstück tatsächlich wert ist – sie verkaufte es aber trotzdem fast um die Hälfte billiger. Der Rechnungshof kommentiert diesen Vorgang (nachdem der Käufer eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft war) so: „Dies stellt eine nicht ausgewiesene Wohnbauförderung von rund zwei Millionen Euro dar.“ Dazu kommt: „Vier gemeinnützigen Bauvereinigungen räumte die Stadt 80 Jahre lang Baurechte nahezu unentgeltlich ein“, kritisieren die Prüfer. Der jährliche Bauzins habe hier nur elf Cent pro Quadratmeter betragen.

Die Großzügigkeit der Stadt betrifft nicht nur den sozialen Wohnbau: „Für Baurechte an Einzelpersonen hob die Stadt zu geringe Bauzinse ein“, kritisieren die Prüfer. Erst ab den Jahren 2012/2013 seien angemessene Bauzinse verlangt worden – womit sich mit diesem Zeitpunkt die Einnahmensituation in diesem Bereich verbessert habe, hält der Bericht fest. Konkret konnten sich aber Einzelpersonen „durch die nahezu unentgeltlichen“ Bauzinse jährlich bis zu 9,36 Mio. Euro sparen. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen konnten 23,08 Mio. Euro sparen.

Eine Passage, die in dem Rohbericht ebenfalls für Aufsehen sorgt: „Zusätzlich verkaufte die Stadt Liegenschaften, die mit Einzelbaurechten belastet und durch zu geringe Bauzinse (vorübergehend) im Wert gemindert waren, an die Bauberechtigten um bis zu 45 Prozent unter dem sogenannten Freigrundwert.“

Dasselbe Bild ergibt sich bei Kleingärten für ganzjähriges Wohnen. Hier „verkaufte die Stadt Wien um bis zu 45 Prozent unter dem Verkehrswert“, heißt es wörtlich. Zwischen 2005 und 2014 seien Kleingartenliegenschaften um 112 Millionen Euro verkauft worden. Bei einer (vom Rechnungshof) durchschnittlich angenommenen Kaufpreisermäßigung von 25 Prozent hat die Stadt dabei freiwillig auf bis zu 37 Millionen Euro von den privaten Käufern verzichtet.

„Keine Gesamtsicht“

Abgesehen von den einzelnen Kritikpunkten zu den Grundstücksverkäufen merkt der Bericht aber noch etwas kritisch an: Dass die Stadt nämlich zum Prüfungszeitpunkt nicht einmal über eine „Gesamtsicht zu Bestand und Bedarfslage im Bereich Liegenschaftswesen“ (die MA 69 verwaltete im Jahr 2014 rund 557,61 Millionen Quadratmeter) verfügte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. Oktober 2016)

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